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       # taz.de -- Agrarbetriebe im Vergleich: Klein und trotzdem gemein
       
       > Das Kriterium Betriebsgröße taugt nicht, um einen Bauernhof zu
       > beurteilen. Viele kleine Höfe quälen ihre Tiere, auch Große sind bio.
       
   IMG Bild: Schweine werden auf kleinen Höfen oft besser betreut. Aber es gibt gravierende Ausnahmen.
       
       BERLIN taz | Der durchschnittliche kleine Betrieb mit wenig Land und/oder
       wenigen Tieren ist besser: Er hat mehr Artenvielfalt und Tierwohl und auch
       ein kleineres Gesundheitsrisiko, wie unser Faktencheck zeigt. Lediglich in
       der Kategorie „Produktionsmenge pro Hektar“ schneiden große Betriebe
       nachweislich besser ab.
       
       Betriebe könnten allerdings auch zu klein sein, um ökonomisch zu überleben.
       Und: Auch ein großer Betrieb kann so geführt werden, dass er in fast allen
       Punkten genauso gut abschneidet wie ein kleiner. Es gibt auch eine
       relevante Gruppe von kleinen Betrieben, die zum Beispiel ihre Tiere
       schlecht halten. Das Kriterium Betriebsgröße taugt also nicht viel.
       
       Hier die Fakten zu den neun wichtigsten Aspekten:
       
       ## Tierwohl
       
       Weide: Kleinere Betriebe halten ihre Milchkühe häufiger auf der Weide statt
       nur im Stall: Auf Höfen mit weniger als 200 Kühen durften im Jahr 2009
       zwischen 40 und 50 Prozent der Tiere auf die Weide. In Betrieben mit 500
       und mehr Tieren waren es lediglich 7 Prozent.
       
       Böden: Kleinere Betriebe halten im Schnitt mehr Mastschweine in Ställen mit
       Stroh auf dem Boden statt auf Böden mit Spalten. Die Haltung mit Stroh als
       Einstreu gilt als tierfreundlicher.
       
       Anbindehaltung: Vor allem in kleinen Höfen sind Rinder an einem Platz
       fixiert. Diese Betriebe hatten 2010 im Schnitt nur 29 Tierplätze - also
       weit weniger als der Mittelwert aller Rinder-Höfe, der bei 55 Tieren lag.
       
       Zeit: Auf größeren Höfen haben die Mitarbeiter weniger Zeit fürs einzelne
       Tier: In Betrieben mit mehr als 500 Sauen müsste eine Arbeitskraft 2013
       rein rechnerisch 120 Tiere betreuen, auf Höfen mit weniger als 100 Sauen
       waren es nur 36 Tiere.
       
       Spezialisierung: Theoretisch könnten sich die Arbeitskräfte in großen
       Betrieben leichter spezialisieren und so besser betreuen.
       
       Urteil: Sieg für die Kleinen. Kleinere Betriebe haben statistisch gesehen
       mehr Auslauf, mehr Haltung auf Stroh, mehr Zeit für das einzelne Tier.
       
       Quellen: Statistisches Bundesamt, Hochschule für nachhaltige Entwicklung
       Eberswalde
       
       ## Artenvielfalt
       
       Chemie: Kleinere Betriebe geben pro Hektar weniger für Dünger und Pestizide
       aus. Das zeigt sich am Beispiel der Pflanzenschutzmittel: Im
       Wirtschaftsjahr 2013/14 zahlten Höfe mit 50 bis 100 Hektar Fläche 46
       Prozent weniger als Betriebe mit mehr als 250 Hektar. Solche Mittel gelten
       als Artenkiller.
       
       Tierhaltung: Kleine Betriebe halten im Schnitt weniger Tiere pro Fläche.
       Das heißt: weniger Gülle je Hektar. Das fördert die Artenvielfalt.
       
       Landschaft: Je größer der Betrieb, desto mehr kann er die Landschaft
       „ausräumen“, also Bäume fällen, die Traktoren im Weg stehen - was sich aus
       ökonomischer Sicht lohnt.
       
       Urteil: Klein gewinnt. Vor allem, da sie im Schnitt weniger Pestizide und
       Kunstdünger benutzen. Das muss nicht so sein, wie große Biobetriebe zeigen.
       
       Quellen: Bundesagrarministerium, Universität Aarhus
       
       ## Arbeitsplätze
       
       Beschäftigung: Kleine Betriebe bieten im Schnitt mehr Arbeitsplätze: 2013
       beschäftigten Höfe mit weniger als 5 Hektar 94,8 Vollzeit-Arbeitskräfte pro
       100 Hektar. Die Megabetriebe mit 1.000 Hektar und mehr kamen nur auf 1,6
       Arbeitskräfte pro 100 Hektar.
       
       Freizeit: Je größer die Tierbestände, desto mehr freie Tage haben die
       Arbeitskräfte aus der Landwirtsfamilie. In 82 Prozent der befragten
       Betriebe in Niedersachsen mit weniger als 37 Milchkühen haben
       Familienarbeitskräfte nie ein freies Wochenende. Ab 117 Milchkühen sind es
       nur 40 Prozent. Urlaub gibt es in nur 35 Prozent der kleinen, aber 83
       Prozent der großen Betriebe.
       
       Einkommen: Ein Einkommen, das dem Hof die Zukunft sichert, lässt sich in
       der Regel erst ab einer gewissen Betriebsgröße erwirtschaften. Sie liegt
       bei 2.000 bis 3.000 Mastschweinen oder 120 bis 130 Milchkühen. Familien aus
       kleineren Betrieben bekommen oft nicht mal den Mindestlohn oder können
       nichts für Investitionen zurücklegen.
       
       Urteil: Unentschieden. Großbetriebe bieten bei den aktuellen politischen
       Bedingungen und den Preisen für Agrarprodukte mehr freie Tage und höhere
       Einkommen - aber weniger Jobs.
       
       Quellen: Statistisches Bundesamt, Thünen-Forschungsinstitut, Universität
       Göttingen
       
       ## Preis
       
       Effizienz: Großbetriebe können günstiger produzieren, weil sie etwa
       Mähdrescher besser ausnutzen. Aber das heißt nicht, dass sie diese
       Kostenvorteile auch an die Verbraucher weitergeben .
       
       Markt: Oft sind große Betriebe die besseren Vermarkter und erzielen so
       höhere Preise. Sie bieten größere Mengen an, was ein Vorteil für
       Großabnehmer ist.
       
       Urteil: Unentschieden. Großbetriebe haben Kostenvorteile, aber ob die
       Verbraucher profitieren, ist nicht bewiesen.
       
       Quelle: Institut für Agrarökonomie der Universität Kiel
       
       ## Gesundheit
       
       Keime: Verschiedene Studien haben MRSA-Keime sowohl bei Mastschweinen als
       auch bei Zuchtsauen in großen Betrieben häufiger nachgewiesen. Diese
       Bakterien sind gegen die üblichen Antibiotika resistent und können beim
       Menschen Wundinfektionen oder Lungenentzündungen hervorrufen. Ursache für
       die höhere Keimzahl könnte sein, dass in großen Betrieben mehr Transporte
       stattfinden, bei denen Keime eingeschleppt werden können.
       
       Menge: Wenn etwas schiefläuft, wirkt es sich bei Großbetrieben auf mehr
       Menschen aus.
       
       Sicherheit: Andererseits können sich Großbetriebe mit ihrem Kapital
       theoretisch bessere Sicherheitsvorkehrungen leisten.
       
       Urteil: Punkt für die Kleinen, denn für die Masse der Menschen sind kleine
       Betriebe ungefährlicher.
       
       Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung
       
       ## Menge
       
       Effizienz: Große Betriebe in Deutschland holen etwas mehr Getreide aus
       jedem Hektar als kleine. Das liegt auch daran, dass sie mehr Chemikalien
       einsetzen. Ähnliche Unterschiede gibt es bei der Milchleistung pro Kuh oder
       den Ferkeln pro Sau.
       
       Urteil: Sieg für die Großen. Allerdings produziert Deutschland von vielen
       Lebensmitteln mehr, als es selbst verbraucht.
       
       Quelle: Bundesagrarministerium
       
       ## Klimabilanz
       
       Menge: Kleinere Betriebe halten weniger Tiere pro Hektar. Das heißt:
       weniger Gülle, weniger Treibhausgas.
       
       Ausstattung: Größere Betriebe können sich eher eine Biogasanlage leisten,
       in der Gülle sich klimafreundlicher verwenden lässt.
       
       Urteil: Unentschieden.
       
       Quelle: Bundesagrarministerium, Thünen-Forschungsinstitut.
       
       ## Abgase
       
       Menge: Bei Höfen mit weniger Tieren fallen an einem Ort weniger schädliche
       Abgase an, beispielsweise stinkendes Ammoniakgas aus der Tierhaltung.
       
       Mittel: Großbetriebe können und müssen sich eher Filter leisten, um Abluft
       zu reinigen.
       
       Urteil: Unentschieden. Was die Belastung mit Schadstoffen in Deutschland
       insgesamt betrifft, macht es keinen Unterschied, ob viele kleine oder
       wenige große die Umwelt verpesten.
       
       ## Bio-Betrugsrisiko
       
       Betrüger: „Ob jemand betrügt, hängt mehr von der Persönlichkeit des
       Betriebsinhabers als von der Größe ab“, sagt der Leiter der Göttinger
       Ökokontrollstelle GfRS, Jochen Neuendorff.
       
       Geschädigte: Im Fall eines Betruges allerdings können bei Großbetrieben
       mehr Kunden geschädigt werden als bei kleinen Höfen.
       
       Urteil: Der Punkt geht an die kleinen Höfe, denn die potenziell betroffene
       Menge ist bei ihnen geringer.
       
       Lesen Sie [1][hier] eine Reportage zum Thema Tierschutz in der
       Landwirtschaft.
       
       15 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Tierschutz-in-der-Landwirtschaft/!5203663/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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