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       # taz.de -- Milchpreise im Sinkflug: Die Misere der Milchbauern
       
       > Niedersachsens Agrarminister befürchtet, die sinkenden Milchpreise
       > könnten Bauern in den Ruin treiben. Er fordert Maßnahmen von Bund und EU.
       
   IMG Bild: Zum Melken müssen selbst die Freigänger rein: Kühe in der Melkstation
       
       Göttingen taz | Das Ende der EU-Milchquote und die rasante Talfahrt der
       Milchpreise erfordern nach Ansicht von Niedersachsens Agrarminister
       Christian Meyer ein Gegensteuern von Hannover, Berlin und Brüssel. Denn der
       Grüne sieht die Existenz der Bauern gefährdet. Für das Wegfallen jeglicher
       Regeln am Milchmarkt trage die Bundesregierung die Verantwortung, sagte
       Meyer gestern in Hannover: „Sie darf unsere Milchbauern in dieser Misere
       jetzt nicht allein lassen.“
       
       In Niedersachsen waren die Erzeugerpreise zuletzt regelrecht abgestürzt,
       teilweise liegen sie zurzeit unter 29 Cent pro Kilogramm Milch. Der Grund:
       Es wird viel zu viel Milch produziert. Lebensmittelketten und vor allem
       Discounter drücken die Preise auf ein Niveau, von dem viele Bauern nicht
       leben können. Daher müsse es „Anreize zur Mengenregulierung“ geben,
       forderte Meyer.
       
       ## Freiwilliger Verzicht
       
       Die Instrumente gegen Preisverfall müssten auf EU und Bundesebene
       verbessert und ausgebaut werden. Etwa in Form des sogenannten
       Marktverantwortungsprogramms, wie es der Bundesverband Deutscher
       Milchviehhalter kürzlich vorgeschlagen hatte. Danach erhalten die
       Landwirte, die freiwillig auf Produktion verzichten, eine
       Ausfallentschädigung.
       
       Um den Milchpreis zu stabilisieren, kämen auch staatlich geförderte
       Versicherungssysteme zur Liquiditätssicherung sowie schnelle finanzielle
       Hilfen in Betracht, „um in Krisenzeiten die Existenz von Landwirten zu
       sichern“, sagte Meyer.
       
       Unterstützung erfährt der Minister durch seine Parteifreunde im Bundestag.
       Auch sie befürchten, dass niedrige Milchpreise Betriebe ruinieren könnten.
       Am Ende könnten die Milchbauern einen Weg gehen, den man schon bei der
       Schweinehaltung und der Masthühnchenproduktion gesehen habe, sagte
       Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.
       
       „Nämlich, dass wir im Grunde nur noch Riesenställe haben und die bäuerliche
       Landwirtschaft in dem Bereich verschwindet.“ Statt Milch „jetzt vollkommen
       gnadenlos dem freien Spiel des Marktes zu überlassen“, müsse ein
       Interventionsmechanismus geschaffen werden. Wenn der Preis unter eine
       bestimmte Menge falle, müsse die EU eingreifen, forderte Hofreiter.
       
       Eine weitere Option gegen den Preisverfall sieht Meyer vor Ort im Ausbau
       des niedersächsischen Weidemilchprogramms. Nirgendwo in Deutschland stünden
       so viele Kühe auf der Weide wie in Niedersachsen. Deshalb sei es höchste
       Zeit, das Produkt Weidemilch, „das ganz klar auch ein großer
       Verbraucherwunsch ist“, wirksamer und besser zu vermarkten.
       
       Auch beim Käse seien gute Potenziale für eine Weidemilchkennzeichnung und
       Förderung möglich. „Wir wollen Weidemilch in Niedersachsen zu einem
       Markenzeichen machen, um die Leistung der Milchbauern zu honorieren, die
       ihre Kühe auf der Wiese grasen lassen“, sagte Meyer. Sein Ministerium
       entwickele bereits ein Label, „das für Wertschätzung bei den Verbrauchern
       sorgt und Kaufbereitschaft für ein Produkt mit einem angemessenen Preis
       weckt“.
       
       Die Chancen für ein solches Vorhaben seien gut, urteilte Achim Spiller,
       Professor für Lebensmittelmarketing an der Uni Göttingen. Er hat in
       repräsentativen Befragungen die Meinung der Verbraucher zum Thema
       Weidemilch erforscht. Die Befragungsergebnisse zeigten, dass die
       Verbraucher die Weide für die deutlich beste Form der Kuhhaltung hielten.
       
       Eine reine Stallhaltung werde dagegen mehrheitlich kritisiert. „Die
       Milchwirtschaft in Niedersachsen sollte sich daher aus Eigeninteresse, also
       um den guten Ruf der Milch zu bewahren, für eine Beibehaltung der
       Weidewirtschaft einsetzen“, sagte Spiller gestern. Die Weidehaltung der
       Kühe sei immerhin „ein ganz wichtiges potenzielles Kaufargument“.
       
       16 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reimar Paul
       
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