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       # taz.de -- Zoff zwischen Bosnien und Serbien: Serbiens Präsident ist unerwünscht
       
       > Ein Besuch von Tomislav Nikolic in Sarajevo findet nicht statt. Grund ist
       > die Festnahme des Ex-Kommandeurs der Verteidiger von Srebrenica.
       
   IMG Bild: In Sarajevo dieser Tage nicht willkommen: Tomislav Nikolic
       
       SPLIT taz | Wenn es um den Genozid in Srebrenica geht, verschlechtern sich
       regelmäßig die Beziehungen zwischen Serbien und Bosnien und Herzegowina.
       Vier Wochen vor den Gedenkfeiern zum 20. Jahrestag des Massakers am 11.
       Juli, bei dem über 8.000 Jungen und Männer von serbischen Soldaten unter
       dem Befehl des vom UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag angeklagten
       Exgenerals Ratko Mladic ermordet wurden, platzte der für Dienstag geplante
       Besuch des serbischen Präsidenten und Exradikalen Tomislav Nikolic in
       Sarajevo. Das muslimisch-bosniakische Mitglied im dreiköpfigen
       Staatspräsidium, Bakir Izetbegovic, hatte sich gegen den Besuch von Nikolic
       gewandt.
       
       Anlass dazu war die von Serbien betriebene Verhaftung des ehemaligen
       Kommandeurs der Verteidiger von Srebrenica, Naser Oric, in der Schweiz am
       Mittwoch vergangener Woche. Wie schon gegenüber anderen bosnischen
       Amtsträgern – so wurden der Vizekommandeur der bosnischen Armee, Jovan
       Divjak, in Österreich und der ehemalige Vizepräsident des Landes, Ejub
       Ganic, in Großbritannien verhaftet – hatte die serbische Staatsanwaltschaft
       über Interpol auch für Oric einen Haftbefehl ausgestellt und hofft auf
       dessen Auslieferung. Oric war letzte Woche nach Genf gereist, um mit einer
       Delegation der Stadt Srebrenica an einer Feier zum 20. Jahrestag des
       Völkermords teilzunehmen.
       
       Die Schweiz ist verpflichtet, den serbischen Haftbefehl zu vollstrecken.
       Oric wurde am Donnerstag von der Staatsanwaltschaft in Genf vernommen. Die
       Schweiz wird nun von Serbien ein formelles Auslieferungsgesuch
       anfordern.Nach mehrmonatigen Untersuchungen stellten sich die
       Anschuldigungen in den Fällen Divjak und Ganic als haltlos heraus. Dies
       könnte im Fall Oric auch so sein. Denn Oric stand wegen der ihm von Serbien
       zur Last gelegten „Verbrechen“ zwei Mal vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal
       in Den Haag und wurde 2008 in letzter Instanz freigesprochen.
       
       Die serbische Staatsanwaltschaft behauptet jetzt jedoch, sie habe neue
       Beweise gegen Oric gesammelt. Es geht um einen Vorfall in dem Dorf Zalazje,
       bei dem neun Menschen getötet worden sein sollen. Oric war der Exkommandant
       der Verteidiger des über drei Jahre von serbischen Truppen eingeschlossenen
       und täglich von serbischer Artillerie beschossenen Ortes, in dem sich über
       40.000 Menschen drängten. Abgeschottet von der Außenwelt, versuchten die
       Verteidiger 1992 Waffen, Munition und Lebensmittel von der serbischen Seite
       zu holen. Dabei kam es auch zu Schießereien und Toten auf serbischer Seite.
       
       Diese Aktionen jedoch mit den systematischen serbischen Kriegsverbrechen zu
       vergleichen, wird in Sarajevo empört zurückgewiesen. „Die Serben versuchen
       von den international beachteten Feierlichkeiten zum 20. Jahrestag des von
       serbischen Soldaten begangenen Genozids in Srebrenica abzulenken“, erklärte
       ein europäischer Diplomat gegenüber der taz. Ohnehin sind viele westliche
       Diplomaten über die serbische Politik erbost. Unlängst hatte der Präsident
       des serbischen Teilstaates in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, alles
       versucht, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen Bosniens mit der
       EU zu torpedieren.
       
       17 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Erich Rathfelder
       
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