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       # taz.de -- Gesetz zu umstrittener Gasförderung: Firma will schneller fracken
       
       > Union und SPD streiten weiter über das geplante Fracking-Gesetz. Nun
       > erhöhen Befürworter und Gegner den Druck auf die Politik.
       
   IMG Bild: Kommende Altlasten? Frackinganlage in den USA.
       
       Berlin taz | Briefe, in denen Unternehmen für neue Gesetze werben oder
       davor warnen, hat Hubertus Zdebel schon oft bekommen. Doch bei dem
       Schreiben, das der Linken-Abgeordnete am Montag in seinem Posteingang fand,
       war er dann doch überrascht. Schlumberger, der mit weltweit 118.000
       Mitarbeitern größte Dienstleister zur Öl- und Gasförderung, drängte auf die
       Verabschiedung des geplanten Fracking-Gesetzes – und zwar mit einer klaren
       Warnung.
       
       Wenn die jahrelangen Diskussionen nicht „baldmöglichst zu einem
       praktikablen Ergebnis“ führen, müsse das Unternehmen seinen deutschen
       Standort in Vechta schließen, schreiben Geschäftsführer Jörn Borchardt und
       Betriebsratsvorsitzende Heike Gerdes.
       
       Und wenn dieser Industriezweig wegbräche, hätte das weitreichende Folgen,
       warnt das Unternehmen, das in Deutschland unter anderem für Exxon-Mobile
       tätig ist: Es drohe eine „Gefährdung der Umwelt durch den Mangel an
       Experten für die fachgerechte Stilllegung der existierenden Bohrungen“ und
       damit eine „Gefährdung der Allgemeinheit“.
       
       Man kann das als freundliche Warnung lesen – oder auch als handfeste
       Drohung: Wenn wir nicht weiter bohren dürfen, lassen wir euch auf den
       Altlasten sitzen. „Ich empfinde das als dreiste Erpressung“, sagt Zdebel.
       
       ## Umstrittene Technologie
       
       Hintergrund ist der Streit um die umstrittene Fracking-Technologie, bei der
       unter hohem Druck Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gepresst
       werden, um Gesteinsschichten aufzubrechen und das darin enthaltene Erdgas
       oder -öl freizusetzen. Kritiker befürchten dadurch unter anderem eine
       Gefährdung des Grundwassers und den Austritt von klimaschädlichem Methan.
       
       Nach langem Streit hatte sich die Bundesregierung Anfang April auf einen
       Gesetzentwurf geeinigt. Dieser erlaubt das in Deutschland zuvor schon
       praktizierte „konventionelle“ Fracking in Sandstein mit Einschränkungen und
       Auflagen weiter; das hierzulande bisher nicht genutzte „unkonventionelle“
       Fracking zum Beispiel in Schiefer soll oberhalb von 3.000 Metern Tiefe
       zunächst nur erprobt werden dürfen. Erst wenn eine Expertenkommission und
       die zuständigen Behörden zustimmen, soll auch dort eine kommerzielle
       Förderung möglich sein.
       
       Vielen Abgeordneten gingen diese Einschränkungen nicht weit genug. Aus der
       Union kam vor allem der Wunsch, die Zahl der zulässigen Probebohrungen zu
       begrenzen und strengere Regeln für das giftige Wasser zu erlassen, das beim
       Fördern an die Oberfläche gelangt. Die SPD stört sich besonders an der
       geplanten Expertenkommission, die in einem Gutachten der Universität
       Oldenburg als verfassungswidrig bezeichnet worden war.
       
       Weil die Union auf der Kommission besteht, sind die Verhandlungen in der
       letzten Woche zunächst gescheitert. Die Sozialdemokraten wollen aber
       ebenfalls hart bleiben, sagt der Umweltpolitiker Frank Schwabe. „Ich kann
       mir nicht vorstellen, dass die SPD einem Gesetz zustimmt, das eine
       Entscheidung durch die Expertenkommission vorsieht“, sagte er der taz. Bei
       der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag sei darauf gedrängt worden, dass
       die Kommission allenfalls beraten dürfe; entscheiden müsse die Politik.
       
       ## Auch die Gegner sind aktiv
       
       Druck machen unterdessen auch die Fracking-Gegner. Die Vorsitzenden von
       neun SPD-Landtagsfraktionen drängten ihren Parteichef, beim Fracking
       keinesfalls den Forderungen der Union nachzugeben. Die Bürger-Plattform
       Campact protestierte am Dienstag vor dem Bundestag. Die Organisation
       Change, bei der 185.000 Menschen eine Petition für ein komplettes
       Fracking-Verbot unterzeichnet haben, und die Initiative Abgeordnetenwatch
       stellten eine repräsentative Infratest-Umfrage vor, wonach 61 Prozent der
       Befragten sich für ein vollständiges Fracking-Verbot aussprachen. Auch die
       Wähler von CDU und CSU plädierten zu 58 Prozent dafür.
       
       Geplant war, das Fracking-Gesetz Mitte Juni im Bundestag zu verabschieden.
       Derzeit ist offen, ob es noch vor der Sommerpause ab dem 3. Juli gelingt.
       
       16 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Malte Kreutzfeldt
       
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