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       # taz.de -- Bürgerentscheid in Frankfurt am Main: Der DFB und der Pferdefuß
       
       > Frankfurt hätte dem DFB diese Hürde gern erspart: Die Bürger entscheiden,
       > ob auf der Pferderennbahn eine Akademie des Fußballverbands entsteht.
       
   IMG Bild: Galopprennbahn Niederrad, Frankfurt am Main.
       
       Frankfurt am Main taz | „Jahrhundertprojekt“, „größtes Bauvorhaben in der
       Geschichte des DFB“ - geht es um die Pläne für die Nachwuchsakademie in
       Frankfurt am Main sparen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und sein Präsident
       Wolfgang Niersbach nicht mit Superlativen. Doch die Akademie ist nicht nur
       eine große Nummer für den Fußballverband, sie sorgt auch für ein Novum in
       der Geschichte der Stadt: Erstmals ruft sie ihre Einwohner zu einem
       Bürgerentscheid zusammen.
       
       In dessen Mittelpunkt stehen ein historisch bedeutendes Sportareal und eben
       der DFB, neben Börse, Flughafen und Bankenzentrum das bekannteste
       Aushängeschild der Stadt. Die Frage ist: Wollen die FrankfurterInnen eine
       traditionsreiche, aber wenig lukrative Pferderennbahn oder ein
       millionenschweres Prestigeprojekt des DFB, das den mächtigen Verband weiter
       an die Stadt bindet. Verkürzt gesagt lautet der Konflikt: Tradition versus
       Moderne. König Fußball, das Lieblingskind der Deutschen, gegen eine
       Randsportart, die ihre populärste Zeit bereits hinter sich hat.
       
       Für die Stadt liegt die Entscheidung auf der Hand: Nachdem die deutsche
       Börse ihre Zentrale 2010 vor die Tore Frankfurts verlegt hat und im
       gleichen Jahr der prestigeträchtige Suhrkamp-Verlag in die Hauptstadt
       Berlin abgewandert ist, will Frankfurt den für das Selbstverständnis und
       Image der Stadt so wichtigen Verband unbedingt halten. Die Akademie
       bezeichnet Mark Gellert, Sprecher des Planungsdezernats, dabei als
       „einzigartige Chance“.
       
       Seit 1951 hat der mit knapp sieben Millionen Mitgliedern größte nationale
       Sportverband der Welt seinen Sitz in Frankfurt. Seit den Debakeln bei den
       Europameisterschaften 2000 und 2004 legt er einen gesteigerten Wert auf die
       Förderung des Nachwuchses – mit Erfolg: Jugendmannschaften feiern bei
       internationalen Turnieren wieder Erfolge. Jüngster Höhepunkt der
       Entwicklung: Der WM-Titel 2014 in Brasilien.
       
       Um international an der Spitze bleiben zu können, hält der DFB eine
       Fußballakademie für nötig und hat ambitionierte Pläne: Für 89 Millionen
       Euro sollen Trainingsplätze, Sporthallen, Fitnesseinrichtungen,
       Schulungsräume und Übernachtungsmöglichkeiten für die Hoffnungsträger von
       morgen entstehen, später soll auch die Zentrale mit auf das 15 Hektar große
       Gelände der Akademie ziehen.
       
       ## Lange Tradition
       
       23 Grundstücke im gesamten Stadtgebiet waren in der Vorauswahl von DFB und
       Stadtplanern, den Anforderungen von Stadt und Verband genügte letztlich nur
       eines: Die Galopprennbahn. Deren Tradition ist lang. Vor über 150 Jahren
       rannten erstmals Pferde über die Anlage, die nur wenige Kilometer vom
       derzeitigen DFB-Sitz entfernt liegt. Laut Rebekka Unrath von der
       Bürgerinitiative „Pro Rennbahn“ ist sie damit die zweitälteste
       Pferderennbahn Deutschlands.
       
       Genausolang wie die Geschichte der Rennbahn ist allerdings die Liste mit
       Kosten, für die die Stadt aufkam. Derzufolge habe die Stadt in den
       vergangenen zwanzig Jahren 9,4 Millionen Euro in die Rennbahn investiert.
       Allein ein Drittel der Summe fraß eine Bürgschaft der Stadt für den 2008 in
       Insolvenz gegangenen Rennklub. Seit der letzten Rettungsaktion 2010 läuft
       es besser.
       
       Durch Einnahmen einer Golfanlage im Zentrum der Rennbahn schreibt die
       Anlage insgesamt schwarze Zahlen, doch auch in dieser Zeit habe die Stadt
       Frankfurt den Betrieb der Bahn durch Sportfördermittel und eine sehr
       günstige Pacht bezuschusst. „Man hat das gezahlt, es war nicht schmerzlich.
       Frankfurt ist eine reiche Stadt“, sagt Mark Gellert und dennoch: Der
       Pferderennsport in Frankfurt würde trotz zuletzt 20.000 Besuchern beim
       Renntag Anfang Juni auch in den kommenden Jahrzehnten ein Nischendasein
       fristen
       
       Die Standortsuche des DFB kam den Planern gelegen. Die Aussicht, einen
       bedeutenden und finanzkräftigen Investor über Jahre an die Stadt binden zu
       können, war zu verlockend. Der DFB, der unter der Woche für eine
       Stellungnahme nicht zu erreichen war, hat sich allem Anschein nach gegen
       den Vorschlag der Planer zumindest nicht gewehrt.
       
       ## Pachtvertrag über 99 Jahre
       
       Das Ergebnis: Ende 2014 schlossen Stadt und DFB einen Pachtvertrag über 99
       Jahre, überlässt dem Verband 15 Hektar des 38 Hektar großen Geländes. Der
       zahlt einmalig 6,85 Millionen Euro. Für zusätzliche drei Millionen kann der
       DFB sein Grundstück bei Bedarf um fünf Hektar erweitern. Auf der restlichen
       Fläche soll ein Bürgerpark entstehen.
       
       Rebekka Unrath hält das für einen schweren Fehler. Die ehemalige
       Rennreiterin hat vor über einem Jahr die Bürgerinitiative „Pro Rennbahn“
       mitbegründet, die mit über 13.000 gesammelten Unterschriften den
       Bürgerentscheid erzwungen hat. Die Umstände der Standortwahl bezeichnet
       „Pro Rennbahn“ als intransparent: „Die Kommunikation der Stadt war nicht
       stilvoll“, sagt Unrath. Sie hätte sich gewünscht, die Planer hätten die
       FrankfurterInnen von vornherein in die Standortsuche einbezogen.
       
       Zudem hält sie den Preis von 46 Euro pro Quadratmeter für zu gering.
       Gellert verteidigt die Vergabe. Sie sei Aufgabe der gewählten Vertreter,
       eine zu frühe Bekanntgabe hätte das Projekt in Gefahr gebracht. Der
       Grundstückspreis sei für ein Sportareal angemessen, immerhin bezahle der
       DFB auch die den Abbruch der Gebäude.
       
       Dennoch liegt der Verdacht nahe, dass die Stadt ihre BürgerInnen mit dem
       Park über den Verlust der Rennbahn hinwegtrösten will. Die Kommune wirbt
       damit, die Einwohner sollen den Park mitgestalten können. Mit dem
       vorgeschlagenen Bürgerpark will sich Unrath nicht vertrösten lassen: „Es
       gibt bereits drei große Parkanlagen im Umfeld, die nicht gepflegt werden.
       Nun will sich die Stadt noch einen weiteren Bürgerpark ans Bein binden.“
       
       ## Desaster droht
       
       Die Planung der Akademie ist angelaufen, ein Entwurf der Gebäude steht
       bereits. Sollte am Sonntag mindestens ein Viertel der rund 500.000
       wahlberechtigten FrankfurterInnen für den Erhalt der Rennbahn stimmen,
       dürfte das Areal drei Jahre lang nicht angerührt werden. Für die Stadt und
       den DFB wäre dies ein Desaster.
       
       Seit Wochen tobt daher ein Kampf um die Wählerstimmen. Allein „Pro
       Rennbahn“ hat 6.500 Plakate und 10.000 Flyer in der Stadt verteilt, der DFB
       veröffentlichte kürzlich eine Studie, nach der sich 77 Prozent der
       Frankfurter für den Bürgerpark ausgesprochen haben. Allem PR-Geplänkel zum
       Trotz: Die Bürgerinitiative und der DFB wollen sich nicht gegeneinander
       ausspielen lassen: „Ich möchte dem Eindruck entgegentreten, dass der
       Fußball alle anderen Sportarten – hier speziell den Pferdesport –
       verdrängt“, sagte DFB-Präsident Niersbach im März. Sollte der
       Bürgerentscheid am Sonntag jedoch keinen Erfolg haben, wird in Frankfurt
       genau das passieren.
       
       20 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ronny Müller
       
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