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       # taz.de -- Atomkraft-Gegner sind skeptisch: Doppelt verplant
       
       > Am AKW Brokdorf sollen nach dem Willen von Bundesumweltministerin
       > Hendricks Castoren aus Sellafield gelagert werden.
       
   IMG Bild: Sollen auf vier Bundesländer verteilt werden: Atommüll-Castoren aus der Wiederaufbereitungsanlage in England und Frankreich.
       
       Hamburg taz | Noch ist im Zwischenlager am AKW Brokdorf viel Platz für
       Atommüll frei. In dem Gebäude stehen im Moment 26 Castoren – bis zu 100
       könnten es sein. Auch wenn hier eigentlich nur die Abfälle aus dem
       benachbarten Kraftwerk landen sollten, werden die Kapazitäten bei den
       Atombehörden in Bund und Land gerne auch für anderen Atommüll verplant.
       
       Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) will in Brokdorf gerne sechs
       bis sieben der 26 Castoren abstellen, die aus den
       Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) Sellafield und La Hague zurückkommen
       werden. Die anderen sollen nach Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Das
       sieht ein jüngst veröffentlichtes Konzept für diese Castoren vor. Die vier
       großen Atomkonzerne ENBW, RWE, Vattenfall und EON haben zugesagt, diesen
       Vorschlag zu prüfen. So lange wollen sie auch ihre Klage gegen das
       Atomgesetz und damit den Einlagerungsstopp in Gorleben ruhen lassen.
       
       Sie stellten aber klar, dass sie dafür Entgegenkommen erwarten: Es solle
       eine „wirtschaftlich akzeptable“ und nach „Aktienrecht vertretbare Lösung“
       gefunden werden. Im Klartext heißt das wohl: Das Ganze darf die Unternehmen
       am Ende nicht mehr kosten als eine Zwischenlagerung in Gorleben.
       
       Dieses Konzept sorgte in Bayern für große Aufregung und massiven Protest –
       war es doch nicht mit den Landesregierungen abgestimmt. Manche Medien
       verstanden das Papier so, dass Gorleben bei den WAA-Castoren definitiv aus
       dem Spiel sei.
       
       Diesen Optimismus teilt Jochen Stay von der Anti-AKW-Initiative
       Ausgestrahlt nicht. Man sei nicht weiter als 2013, als das Gesetz zum Ende
       des Zwischenlagers beschlossen worden sei, sagt er. Schließlich sei die
       Klage gegen das Gesetz nicht zurückgezogen worden. Sie ruhen zu lassen, sei
       nicht viel mehr als eine Art Waffenstillstand. Auch sonst hat Stay viele
       Zweifel an der Einigung des Bundesumweltministeriums mit den
       Energiekonzernen. Die Eckpunkte enthielten nur vage Verabredungen.
       
       Hendricks bringt mit ihrem Papier ihren schleswig-holsteinischen
       Amtskollegen Robert Habeck (Grüne) in ein Dilemma. Der hatte zwar seine
       Bereitschaft erklärt, einen Teil der Castoren anzunehmen, und „begrüßt“ die
       Einigung. Doch in seinen Planspielen sollte der Müll eigentlich ins
       Zwischenlager am stillgelegten AKW Brunsbüttel, das bald zurückgebaut
       werden soll.
       
       Doch nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht aus dem Januar hat das
       Lager Brunsbüttel keine Betriebsgenehmigung mehr. Drei Jahre lang dürfen
       die neun Castoren, die dort schon stehen, bleiben. Was dann geschieht, ist
       unklar.
       
       Im Prinzip gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Betreiber Vattenfall
       schafft es, durch Nachbesserungen oder Neubau eine Genehmigung für ein
       Zwischenlager zu bekommen, oder er muss sich einen anderen Platz suchen.
       Noch hat sich das Unternehmen nicht entschieden, wie es mit der Situation
       umgeht. Auch einen Zeitpunkt für eine Entscheidung gebe es nicht, teilte
       eine Sprecherin mit.
       
       Es geht um mehr als die neun Castoren: Auch die Brennelemente, die sich
       noch im Reaktor befinden, müssen irgendwo hin, bevor der Rückbau beginnen
       kann, der ein zentrales politisches Ziel von Habeck ist. Die könnten, so
       die Rechnung im Kieler Umweltministerium, nach Brokdorf kommen. Doch auch
       wenn dort heute noch viel Platz ist – den Müll aus dem laufenden Betrieb
       bis 2021, den Schrott aus Brunsbüttel und die sechs Castoren aus Sellafield
       passen dort nicht hinein.
       
       Doch bei der Entscheidung hat das Land nicht viel zu melden. Die Anträge
       für die Zwischenlagerung stellen die Energiekonzerne, prüfen muss sie das
       Bundesamt für Strahlenschutz.
       
       Karsten Hinrichsen lebt in Brokdorf und engagiert sich seit Jahrzehnten
       gegen Atomkraft. Er ist nicht überrascht davon, dass in seinem Heimatort
       nun ein Teil der WAA-Castoren landen sollen, ärgert sich aber, an diesen
       Gedankenspielen mal wieder nicht beteiligt worden zu sein. Ginge es nach
       ihm, dürften die Castoren aus England kommen und auch die aus Brunsbüttel.
       Unter der Bedingung, dass das AKW Brokdorf sofort abgeschaltet wird. Dann
       wäre auch genug Platz, sagt Hinrichsen.
       
       23 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Kummetz
       
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