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       # taz.de -- Die Wahrheit: Kalter Krieg? Ja, bitte!
       
       > Die Politik und die Eiszeit sollten es noch einmal miteinander versuchen.
       > Sie könnten diesmal alles viel besser machen. Das wäre verdammt cool.
       
   IMG Bild: Es nimmt nicht wunder, dass es so manchem Glühweinisten nach Genuss jenes Fusels hochkommt.
       
       Kalter Krieg – damit ist nicht etwa das diesjährige Sommerwetter gemeint.
       Für die Jüngeren: Von 1947 bis 1991 herrschte die letzte Eiszeit auf
       unserem Planeten, zwischen Eastside und Westside, zwischen der Sowjetunion
       und den USA, zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Begegnungen auf
       politischer Ebene waren getragen von eisigem Schweigen und
       gefriergetrockneten Vorwürfen. Daran änderten gelegentlich nette Gesten wie
       Eisblumen für Frau Breschnew oder eine Kaltschale für Präsident Reagan
       wenig. Während die Außenminister miteinander Schlitten gefahren sind,
       brachten die Regierungschefs jede Kuh aufs Eis.
       
       Dann kam Gorbi, genannt Väterchen Defrost, der einen Riesensack Streusalz
       dabeihatte, und alles hatte ein Ende. Schade, denn der Kalte Krieg war
       zugleich stets ein Orientierungsrahmen. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs
       wurde die Welt unübersichtlicher – wohl auch für Wladimir Putin. Der starke
       Mann Russlands ist inzwischen heilfroh, dass sich wenigstens Angela Merkel
       traut, ihm zu sagen, wo’s langgeht. Beim letzten Gipfel mit russischer
       Beteiligung in Neuseeland hat sie ihn ohne Abendessen ins Bett geschickt.
       Das hat ihm imponiert.
       
       Vielleicht hat Amerika bald eine Antwort auf Putin: Hillary Clinton. Selbst
       unter ihren Freunden heißt es, dass sie als vollendete Kaltmamsell die
       Temperatur bei Betreten eines Raumes schlagartig um mehrere Grade absinken
       lassen könne.
       
       Die Wirtschaft würde den Kalten Krieg ohnehin begrüßen, endlich gäbe es
       wieder Vollbeschäftigung bei Heckler & Koch und Colt, den Waffenschmieden
       in Oberndorf am Neckar und im darbenden Connecticut. Spione jubeln ohnehin
       schon seit Längerem. Selbst die olle Friedensbewegung würde wieder Zulauf
       kriegen. Vielleicht werden sogar alte Bräuche wieder aufgewärmt, zum
       Beispiel für die Brüder und Schwestern im Osten eine Kerze ins Fenster zu
       stellen. Unbotmäßigen Jugendlichen könnte man endlich wieder empfehlen,
       doch „nach drüben“ zu gehen, wenn es ihnen hier nicht passt. Wobei dieses
       Drüben neu zu definieren wäre.
       
       Freilich müsste man den Kalten Krieg besser verkaufen als damals, ein
       Facelifting für den Cold War ist längst überfällig. Feindbilder
       beispielsweise werden heute längst mit der Spraydose angefertigt, kalter
       Kaffee heißt heute Frappuccino, und das kalte Büfett wird als Fingerfood
       angeboten. Klingt einfach besser. Der Kalte Krieg kann cool sein, Alter!
       
       Dabei darf es allerdings keine tapsigen Begrüßungen mit peinlichen
       Bruderküssen wie zwischen Breschnew und Honecker geben. Oder will jemand
       sehen, wie der Russe Putin und der Grieche Tsipras feucht die Lippen
       aufeinanderdrücken? Putin hat das längst kapiert und verkauft sich und
       seine Rüstungspläne seit geraumer Zeit wie in einer Wodkareklame der
       sechziger Jahre. Ein Cocktail „Wettrüsting on Ice“ käme da doch gut an.
       
       In einer Zeit, da sich die Erde immer weiter aufheizt und das Eis an den
       Polen zu schmelzen beginnt, kann ein globaler Kälteeinbruch die Welt
       retten. Eiswein statt Glühwein! Die Entspannung hat uns ohnehin nichts
       gebracht und gehört dringend schockgefrostet.
       
       23 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas C. Breuer
       
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