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       # taz.de -- Der Poststreik geht in die dritte Woche: „Täglich wächst der Druck“
       
       > Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis wirft der Arbeitgeberseite vor,
       > ausschließlich Kapitalmarktinteressen zu bedienen.
       
   IMG Bild: Auch nach zwei Wochen Streik bewegt sich die Post keinen Millimeter
       
       taz: Frau Kocsis, seit mehr als zwei Wochen läuft der unbefristete
       Verdi-Streik bei der Post, ohne dass die Arbeitgeberseite die geringste
       Bereitschaft zum Einlenken zeigt. Haben Sie noch Hoffnung, dass sich das
       ändert? 
       
       Andrea Kocsis: Ich habe die Erwartungshaltung, dass sich das ändert. Der
       Postvorstand hat sich ziemlich einbetoniert. Aber wir wissen, dass unsere
       Streiktaktik wirkt, nach und nach immer mehr Menschen in den Ausstand zu
       führen. In der Paketzustellung kommt es zu erheblichen Rückständen, die von
       Tag zu Tag wachsen. So wächst auch täglich der Druck. Wir glauben, dass die
       Post ihre Blockadehaltung irgendwann überwinden muss und mit uns zu einem
       Kompromiss kommen muss.
       
       Was macht diesen Tarifkonflikt so verbissen? 
       
       Er ist so kompliziert, weil wir etwas bei Verdi bisher nie Dagewesenes
       erlebt haben. Wir haben einen Vertrag, der bis zum Ende des Jahres gilt. In
       dem ist ausgeschlossen, dass die Post AG mehr als 990 Zustellbezirke
       fremdvergibt, auch nicht an Tochtergesellschaften innerhalb des Konzerns.
       Diesen Vertrag hat der Arbeitgeber gebrochen. Für die Paketzustellung hat
       die Post 49 regionale Delivery-Gesellschaften gegründet, in denen sie im
       Vergleich zum Haustarifvertrag schlechtere Tarife zahlt. Die Situation wird
       zusätzlich brisant, weil Ende des Jahres auch noch die Vereinbarung über
       den Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen ausläuft.
       
       Wenn es tatsächlich einen Vertragsbruch gegeben hat: Kann Verdi dagegen
       nicht einfach klagen? 
       
       Selbstverständlich sind wir vor das Arbeitsgericht gezogen. Aber das hilft
       uns nicht in der derzeitigen Auseinandersetzung. Denn ein solches Verfahren
       dauert lange. Nach dem Arbeitsgericht dürfte das Landesarbeitsgericht
       folgen, vielleicht geht es sogar irgendwann vor das Bundesarbeitsgericht.
       Wir müssen die Probleme jedoch jetzt lösen. Deswegen tun wir das eine, ohne
       das andere zu lassen.
       
       Der Arbeitgeber wirft Verdi vor, die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns zu
       riskieren. Schließlich zahle die Konkurrenz wesentlich niedrigere Löhne. 
       
       Es ist unzweifelhaft, dass die anderen Wettbewerber deutlich niedrigere
       Löhne zahlen. Das liegt an dem Modell der Subunternehmen, die zu großen
       Teilen bei der Zustellung eingesetzt werden. So unterlaufen die Unternehmen
       tarifvertragliche Regelungen. Wir halten das für skandalös, weil es falsch
       ist, Menschen, die tagtäglich einen harten Job machen, in solche
       Arbeitsverhältnisse zu zwängen. Aber: Wir haben diesen unerträglichen
       Zustand seit Jahren, trotzdem wächst die Post weiter am Markt. Denn sie hat
       strukturelle Vorteile, die die Konkurrenz auch nicht durch Lohndumping
       wettmachen kann. Deswegen ist das Argument, dass die niedrigeren Löhne der
       Wettbewerber ein Problem für die Post sind, für uns nicht nachvollziehbar.
       
       Der Postvorstand warnt vor drohenden Arbeitsplatzverlusten, falls sich
       Verdi durchsetzt. 
       
       Wenn einem kein anderes Argument mehr einfällt, fängt man an, mit
       Arbeitsplatzabbau zu drohen. Mit der Realität hat das nichts zu tun. Der
       Paketmarkt boomt und die Post ist der eindeutige Marktführer. Deswegen hat
       sie einen erhöhten Bedarf an Arbeitskräften. Denen will sie jedoch weniger
       zahlen, um ihre schon jetzt hohen Gewinne weiter steigern zu können. Es
       geht dem Vorstand ausschließlich darum, Kapitalmarktinteressen zu bedienen.
       
       Wie lange wird Verdi diesen Arbeitskampf noch durchhalten? 
       
       Um den Konflikt zu lösen, muss die Post ein einigungsfähiges Angebot
       vorlegen. Dazu gehört, die ausgelagerten Beschäftigten unter das Dach des
       Haustarifvertrags zurückzuholen. Um dieses Ziel zu erreichen, sind wir auch
       bereit, weitgehende Kompromisse einzugehen. Nur sollte sich die Post in der
       Sache nicht täuschen: Die Beschäftigten folgen unseren Aufrufen. Täglich
       gehen mehr Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitskampf. Sie werden erst in
       die Betriebe zurückkehren, wenn Verdi den Streik beendet hat. Ich bin mir
       sehr sicher, dass wir in dieser Auseinandersetzung einen langen Atem haben.
       
       23 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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