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       # taz.de -- Konsequenzen aus Charleston: Die Flagge soll verschwinden
       
       > Unter der Konföderiertenflagge kämpften die Südstaaten einst um die
       > Sklaverei. Nun soll sie nicht mehr am Kapitol in South Carolina wehen.
       
   IMG Bild: Während alle US-Flaggen im Land nach dem Anschlag auf Halbmast wehten, blieb die Konföderiertenflagge in Columbia oben
       
       CHARLESTON taz | Fünf Tage nach dem Massaker in der Emanuel AME Kirche in
       Charleston, bei dem ein weißer Rassist neun Afroamerikaner ermordete,
       vollzieht die Gouverneurin von South Carolina eine Kehrtwende. „Es ist
       Zeit, die [1][Flagge der Konföderierten] vom Gelände des Kapitols zu
       entfernen“, sagte Nikki Haley am Montag.
       
       Bei ihrer Pressekonferenz war die radikal rechte Republikanerin von mehr
       als zwei Dutzend Politikern beider Parteien umringt – darunter zahlreiche
       Afroamerikaner.
       
       Haley hatte die Flagge der Konföderierten bis zuletzt als „Erbe“ und
       „Tradition“ bezeichnet. Die Gouverneurin sagte gegenüber Kritikern, keines
       der großen Unternehmen in South Carolina habe sich je über die Flagge
       beklagt. In dem Bundesstaat, der Investoren mit niedrigen Löhnen und
       Steuern anwirbt, sind neben dem US-amerikanischen Flugzeugbauer Boeing auch
       die deutschen Unternehmen BMW und Robert Bosch vertreten.
       
       Am Tag vor der Pressekonferenz hatte die Gouverneurin an einem Gottesdienst
       in der Emanuel AME Kirche in Charleston teilgenommen. In dem Meer von
       Blumen für die neun Ermordeten stand auch ein Schild mit der direkten
       Aufforderung: „Frau Gouverneurin, holen Sie die Flagge ein“. Im
       persönlichen Gespräch sollen auch Angehörige der Toten die Gouverneurin zu
       diesem Schritt aufgefordert haben.
       
       ## Attentäter posierte mit Flagge
       
       Nach dem Massaker war die Gouverneurin zunächst weitgehend verschwunden.
       Während der demokratische Bürgermeister von Charleston und die beiden
       Senatoren des Bundesstaates bei Gedenkveranstaltungen auftraten, war sie
       tagelang weder zu sehen noch zu hören gewesen.
       
       Bereits am Samstag hatte in Columbia, der Hauptstadt von South Carolina,
       eine Demonstration das Ende der Fahne verlangt. Die Forderung taucht seit
       Jahrzehnten immer wieder auf. Sie hat neuen Auftrieb bekommen, seit der
       Massenmörder seine Tat im Netz mit rassistischen Slogans und Fotos, auf
       denen er mit der Flagge posiert, begründete.
       
       Ebenfalls am Samstag forderte auf Twitter der ehemalige republikanische
       Präsidentschaftskandidat und wichtige Geldgeber für Haleys zurückliegende
       Kampagne, Mitt Romney, [2][die Flagge in Gedenken an die Opfer von
       Charleston einzuholen]. In den folgenden Stunden schlossen sich ihm mehrere
       republikanische Präsidentschaftskandidaten an.
       
       Die Flagge, um die es geht, zeigt ein blaues „X“ auf rotem Grund. Unter ihr
       kämpften im Bürgerkrieg die konföderierten Truppen. Nach der Wahl von
       Abraham Lincoln zum US-Präsidenten erklärte South Carolina seinen Austritt
       aus der Union. Der Bundesstaat, dessen Ökonomie auf der Ausbeutung von
       Sklaven in den Baumwoll- und Reisplantagen fußte, protestierte gegen
       Lincolns Plan, die Sklaverei abzuschaffen. Zehn andere Südstaaten schlossen
       sich South Carolina an.
       
       ## Rassistische Diskriminierung
       
       Die Konföderierten verloren den Bürgerkrieg und damit auch die Sklaverei.
       Doch sie behielten ihre Symbole – darunter eben diese Flagge. Und sie
       schufen zahlreiche Institutionen zur Unterdrückung der schwarzen
       Bevölkerung.
       
       Beispiele dafür waren die schier unerfüllbaren Bedingungen, unter denen
       schwarze Bürger ihr Wahlrecht wahrnehmen konnten (ehemalige Sklaven, die
       per Gesetz zum Analphabetismus gezwungen waren, mussten nachweisen, dass
       sie die Verfassung lesen können), die Segregation (getrennte Wohnbezirke,
       Schulen und Verkehrsmittel) und offene wirtschaftliche Diskriminierung.
       
       Gleichzeitig schüchterte weißer Terror – u.a. die Praxis des Lynchens – die
       schwarze Bevölkerung ein. Als nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
       schwarze US-Amerikaner auch in den Südstaaten verstärkt gleiche Rechte
       forderten, tauchte die Kriegsflagge wieder öfter im öffentlichen Raum auf.
       Im Jahr 1962 hissten die Rechten von South Carolina sie demonstrativ über
       dem Kapitol. Im Jahr 2000 wurde die Flagge ein paar Meter vom Kapitol
       wegverlagert, blieb aber auf dem Regierungsgelände.
       
       Als nach dem Massaker von Charleston alle US-Flaggen für die nächsten neun
       Tage auf Halbmast gehisst wurden, wehte die Konföderierten-Fahne auf dem
       Kapitolgelände in South Carolina weiterhin hoch in der Luft.
       
       ## Rechte Flaggenfans toben
       
       Mehrere republikanische Präsidentschaftskandidaten – darunter Jeb Bush, der
       als Gouverneur in Florida die Konföderiertenflagge aus seinem Sitz verbannt
       hat, und der Texaner Rick Perry – lobten Haleys Kurswechsel. Doch in den
       sozialen Medien toben sich radikal rechte Flaggenverteidiger aus, die der
       Gouverneurin mit ihrer Abwahl bei nächster Gelegenheit drohen. Sie bedienen
       sich des rassistischen Arguments, Haley verstehe als Immigrantin nichts von
       ihren Traditionen.
       
       Gouverneurin Haleys Familie stammt aus Indien. Sie ist eine von wenigen
       Frauen in der Republikanischen Partei, die für Spitzenpositionen –
       inklusive die der Vizepräsidentin – im Gespräch sind. In South Carolia ist
       sie die erste Frau und das erste Mitglied einer „Minderheit“ in ihrem Amt.
       
       Damit die Flagge tatsächlich aus dem öffentlichen Raum verschwindet, ist in
       der General Assembly von South Carolina eine Zwei Drittel-Mehrheit nötig.
       Präsident Obama hat längst dafür plädiert, die Flagge der Konföderierten
       ins Museum zu verbannen. An diesem Freitag will er nach Charleston reisen.
       Dort wird er die Trauerrede für den ermordeten Pastor und demokratischen
       Senator Clementa Pinckey halten. Die beiden waren miteinander bekannt und
       nannten sich beim Vornamen.
       
       23 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kommentar-Konsequenzen-aus-Charleston/!5205536
   DIR [2] https://twitter.com/MittRomney/status/612276050182049792
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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