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       # taz.de -- Debütalbum von Mbongwana Star: Was kostet der Mond
       
       > Keine Europäisierung: Die kongolesische Band Mbongwana Star hat mit „From
       > Kinshasa“ ein rasantes Debütalbum vorgelegt.
       
   IMG Bild: Die Band Mbongwana Star aus Kinshasa, vorne sitzt Doctor L.
       
       Ein einziger Dollar hätte gereicht und die Geschichte hätte einen anderen
       Lauf genommen. Nur wenige Cent kostet schließlich eine Impfung gegen Polio,
       Kinderlähmung. Yakala Ngambali und Nsituvuidi Nzonza erhielten dennoch
       keine. Heute kennt man beide als Teil eines Quintetts in Rollstühlen und
       auf Krücken, das sich auf seinen Albumcovern wie eine coole Bikergang
       inszeniert und infektiösen Rumba-Funk auf die Welt loslässt: Staff Benda
       Bilili.
       
       Seinen Ausgang nimmt die Geschichte in Kinshasa, Hauptstadt der
       Demokratischen Republik Kongo, Schmelztiegel von fast zehn Millionen
       Biografien aus allen Ecken Zentralafrikas. Die Musiker leben teilweise auf
       der Straße, das erste Aufeinandertreffen liegt Jahrzehnte zurück: Yakala
       Ngambali und Rick Likabu stehen beide, beladen mit zum Verkauf gedachten
       Zigaretten und Alkohol, auf einer Fähre.
       
       Die musizierenden Straßenhändler freunden sich mit dem Künstler Papa Wemba
       an. Später gründen sie mit drei weiteren Musikern aus der Bar Benda Bilili,
       darunter Nsituvuidi Nzonza, ihre eigene Band. Die neue Formation erspielt
       sich schnell einen Kultstatus in Kinshasa.
       
       Die Band probt in einem Zoo, tritt im nationalen Fernsehen auf und spielt
       Sessions im Radio. 2004 werden die beiden französischen Dokumentarfilmer
       Renaud Barret und Florent de la Tullaye auf die Gruppe aufmerksam. Ihre
       Dokumentation über Staff Benda Bilili sowie der belgische Manager Michel
       Winter, der schon Konono No 1, eine weitere legendäre kongolesische Band,
       betreute, verhelfen Likabu, Ngambali & Co zum internationalen Durchbruch.
       
       ## Auftritt in der Royal Albert Hall in London
       
       Die Musiker werden Teil des Projekts Afrika Express, veröffentlichen munter
       Alben, heimsen Kritikerpreise ein. Sie kaufen sich eigene Häuser. Sogar in
       der Londoner Royal Albert Hall treten sie auf. Und dann bestimmt wieder
       einmal das Geld die Geschichte: Maurice Ilunga, seit 2010 eine Art
       einheimischer Zweitmanager der Band, wirft Winter vor, dieser Gelder
       vorzuenthalten.
       
       Das Vertrauen zwischen Likabu und Winter ist zerstört, ein Riss geht durch
       Staff Benda Bilili. Yakala Ngambali und Nsituvuidi Nzonza gründen mit drei
       Nachwuchsmusikern 2013 eine neue Band: Mbongwana Star. Michel Winter wird
       später sagen, er konnte Ilunga und Likabu nicht die finanziellen
       Rahmenbedingungen der heutigen Musikindustrie vermitteln, in der eine
       internationale Karriere nicht unbedingt Millionengagen bedeutet.
       
       Vor Kurzem ist das Debütalbum von Mbongwana Star nun erschienen und vieles
       hat sich zum Guten geändert. Schon auf dem Cover erblickt man nicht mehr
       die Musiker selbst, sondern The Congo Astronaut, einen kindlichen
       Straßenkünstler, der in einem selbst aus Müll zusammengesetzten Raumanzug
       durch Kinshasa wandert.
       
       ## Im Raumanzug durch Kinshasa
       
       „From Kinshasa to the Moon“ heißt so auch das Auftaktstück. Immer wieder
       erschallt ein Ruf aus Nsituvuidi Nzonzas Kehle: „Mbong-waa-naa!“; Lingála
       für „Wandel“. Ein Stern ist aufgegangen. Weg sind die Chorgesänge, neu der
       mitunter dominante Bass, bei Staff Benda Bilili noch kaum wahrnehmbar. Er
       wird gespielt von dem in Paris lebenden Iren Liam Farrell, der als Doctor L
       schon Tony Allens „Black Voices“ produzierte und nun eben auch Mbongwana
       Star.
       
       Es handelt sich aber nicht unbedingt um eine Europäisierung des
       altbekannten Sounds, eher um eine generelle Öffnung. „Nganshé“ etwa ist ein
       hyperschnelles Tanzbrett, das die Brücke zwischen den Congotronics von
       Konono No 1, die in „Malukayi“ auch gastieren, und dem südafrikanischen
       Shangaan Electro schlägt.
       
       „Masobéle“, wie „Kala“ ein weiterer, hübsch intensiver Groove, besticht mit
       seinen Tempoverschleppungen. Dennoch ist es die traurige Weise des „Coco
       Blues“, die am eindringlichsten einen Aufbruch beschwört. Mbongwana Star
       können die Tanzfläche explodieren lassen und Herzen rühren. Allein das ist
       unbezahlbar. Auch wenn es leider mindestens eine Freundschaft gekostet hat.
       
       1 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Thomas Vorreyer
       
       ## TAGS
       
   DIR Musik
   DIR Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
   DIR Afrika
   DIR Ruanda
       
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