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       # taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Juvenil und abgebrüht
       
       > Eine U21-EM ist längst nicht mehr ein Tummelbecken für unbekümmerte
       > Youngster. Hier spielen abgezockte und betriebserfahrene Stars mit
       > Zukunft.
       
   IMG Bild: Trainingsbusiness as usual: Die U21 in Tschechien
       
       Vor ein paar Wochen hat Dominique Heintz einen Vertrag beim 1. FC Köln
       unterschrieben. Das freut den jungen Innenverteidiger, der vom 1. FC
       Kaiserslautern ins Rheinland wechselt. Und weil es ihn freut, spricht er
       auch gern drüber. „Ich fand es wichtig dass das geklärt ist. Für einen
       Spieler ist es wichtig, zu wissen, wohin die Reise geht vor so einem
       Turnier, damit man seine Leistung abrufen kann und der Kopf frei ist.“
       
       Heintz sitzt vor dem EM-Halbfinale der DFB-Elf gegen Portugal am Samstag
       (18 Uhr, ARD) mit einer Gruppe Journalisten an einem Tisch in einem Hotel
       in Prag. Die U21-Spieler kommen in sechsminütigen Intervallen, es bleibt
       nicht viel Zeit, aber es ist genug, um einen Eindruck zu gewinnen. Heintz
       fällt positiv auf, weil er wie ein normaler Mensch redet. Weil er Dinge
       klar benennt. Weil er nicht so wirkt, als habe er die rhetorische
       Schulungen in der Länge eines Abiturkurses gemacht.
       
       Ein paar Minuten vor ihm war Marc-André ter Stegen da. Er wirkt nicht nur
       abgeklärt, auch ein wenig gelangweilt. Er sagt, dass dieses Turnier für ihn
       mal wieder die Chance sei, sich international zu zeigen. Aber warum will
       sich ein junger Torwart, der gerade die Champions League gewonnen hat, bei
       einem Nachwuchsturnier zeigen? Ter Stegen ist dieser Klasse längst
       entwachsen – so wie viele seiner Kollegen.
       
       Gewiss, es gibt Ausnahmen. Der stets gut gelaunte Leonardo Bittencourt vom
       Hannover 96, der immer so wirkt, als könne man ihn nachts um drei für eine
       Runde auf dem Bolzplatz wecken. Auch Emre Can vom FC Liverpool erscheint
       wie ein echter Fußballer, der sich seriös mit seinem Spiel auseinandersetzt
       und darüber spricht.
       
       ## Diplomaten im Trainingsanzug
       
       Aber wenn es beim Großteil mal um eine Meinung in eigenen Angelegenheiten
       geht, dann empfehlen die jungen Diplomaten im Trainingsanzug eben doch,
       besser „mal den Trainer zu fragen“. Den Vogel schoss der Mainzer Johannes
       Geis ab. Er führte eine Posse auf. Wochenlang war gemutmaßt worden, wohin
       es ihn ziehen wird. Nach Italien? Nach Schalke, wo mit André Breitenreiter
       ein neuer Trainer übernommen hat? Oder nach Dortmund, wo Thomas Tuchel
       trainieren wird, der Geis in Mainz zum Stammspieler machte.
       
       Geis saß in einer Pressekonferenz vor einem Spiel auf dem Podium – und
       wurde gefragt, wie es denn jetzt um seine Zukunft als Fußballer bestellt
       ist. Geis druckste herum. Er sagte, dass er sich damit nicht beschäftige.
       Das war, genau genommen, noch nicht einmal gelogen, denn Geis hatte die
       Entscheidung ja schon getroffen. Nicht einmal einen Tag später wurde
       offenbar, dass er zum FC Schalke 04 wechselt.
       
       Es ist eine bemerkenswerte Abgebrühtheit, die die jungen Spieler mit Anfang
       20 schon haben, zumindest einige. Und so zeigt dieses Turnier eben auch,
       dass es vielleicht ein Trugschluss ist, die jungen Spieler als Junioren zu
       betrachten: Die Gepflogenheiten der Branche haben aus ihnen längst Profis
       gemacht – mit all den Umgangsformen, mit all den Attitüden, die eben so
       dazugehören.
       
       27 Jun 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Osterhaus
       
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