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       # taz.de -- Theologe über islamische Bank: „Dialog durch die Hintertür“
       
       > Die KT Bank will in Deutschland schariakonform arbeiten. Für die
       > Wahrnehmung des Islam kann das positiv sein, sagt der Theologe Heinemann.
       
   IMG Bild: Arbeitet ohne Zinsen: Eine Filiale der Kuveyt Türk Bank in Mannheim.
       
       taz: Herr Heinemann, was unterscheidet eine islamische Bank von der
       Deutschen Bank? 
       
       Stefan Heinemann: Eine [1][islamische Bank] betreibt Finanzgeschäfte ohne
       Zinsen. Wenn Sie ganz normal zu einer Bank gehen, um sich ein Häuschen zu
       finanzieren, kriegen Sie einen Kredit und zahlen Zinsen. In einem
       islamkonformen Modell kauft die Bank das Haus und verkauft es dann wieder
       an Sie weiter. Mit einem gewissen Aufschlag. Dabei kommt im Endeffekt
       dasselbe heraus. Doch für die Scharia als Grundordnung der islamischen
       Lebensauffassung ist es wichtig, dass der Gewinn nicht auf Zins basiert,
       sondern auf einem Handelsgeschäft und in die Gemeinschaft reinvestiert
       wird.
       
       Kredit und Zins werden lediglich durch Kauf und Verkauf ersetzt? Das ist
       doch scheinheilig. 
       
       Das Zinsverbot ist nicht allein im Islam stark verankert. Schon Aristoteles
       schreibt in seiner „Politeia“, dass Geld keine Kinder bekommen kann.
       Zinsnahme ist letztlich kein normales Geschäft. Anders als der Handel. Sie
       können nämlich nur mit etwas handeln, was ein Gut ist. Der zentrale Gedanke
       der islamischen Ökonomie ist, dass Geld als soziales Tauschmittel erhalten
       bleibt, aber nicht identifiziert wird mit dem realen Gut. Beim Zins handeln
       sie dagegen mit Geld. Die Finanzkrise hat deutlich gemacht, wie gefährlich
       es werden kann, wenn Geld und Gut gleichgesetzt werden.
       
       Eine islamische Bank verzichtet also nicht auf Profit, aber sie orientiert
       sich stärker an der Realwirtschaft? 
       
       Genau. Im Prinzip kommt es dabei darauf an, dass Kunde und Bank in einem
       Boot sitzen. Das Risiko wird geteilt. Islamisches Banking setzt sehr stark
       auf Gemeinschaftserhalt. Das ist die große Leitidee des Korans.
       
       Was ist mit Spekulationen? 
       
       Spekulation ist nicht Investition, sondern Glücksspiel – also verboten.
       Islamische Wirtschaft an sich ist mit der Marktwirtschaft absolut
       vereinbar. Aber extreme Ungleichheiten sollen vermieden werden. Exzessive
       Spekulation gefährdet das Gleichheitsgebot, hat aber etwas Verführerisches.
       Wir sollen uns aber in der Wirtschaft auf das konzentrieren, was für die
       Gemeinschaft sinnvoll ist, beispielsweise auf den fairen Handel von
       sinnvollen Gütern.
       
       Wie kann da ein Staatsfonds aus Kuwait am Rüstungskonzern Daimler beteiligt
       sein und die Arbeit auf den Baustellen für die WM 2022 in Katar so wenig
       fair? 
       
       Eine Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit bleibt auch dem Islam-Banking
       nicht erspart. Oft ist der Begriff „schariakonform“ nur Ethno-Marketing.
       Ich bin selbst Christ, Theologe und glaube an Gott, und ich verstehe, dass
       es für viele ernsthafte Muslime aus meinem Umfeld wirklich schwierig ist,
       schariakonform ihren Hausbau oder ihre Unternehmen zu finanzieren.
       
       Wie will man den Verzicht auf Geschäfte mit Alkohol, Pornografie und Waffen
       bei Beteiligungen an Multis einhalten? 
       
       Es gibt Unternehmen, die solche Bedingungen erfüllen. Aber aufgrund der
       gegenseitigen Verkettung der Wirtschaft sind sie schwer zu finden. Wir
       kennen die Problematik auch aus der christlichen, nachhaltigen Geldanlage.
       
       Aktien sind erlaubt? 
       
       Es müssen die richtigen sein. Der Dow Jones Islamic GCC Index etwa basiert
       auf einer schariakonformen Konzeption, er besteht aus knapp über 100
       Werten.
       
       Die KT Bank gehört zu einem der größten Finanzkonzerne in der Türkei. Das
       ist vielen Menschen schon unheimlich. 
       
       Dennoch finde ich die Neugründung erst einmal gut: dass ein Marktteilnehmer
       auf Islam-Banking setzt, dass wir Erfahrungen sammeln können. Das Thema
       schariakonformes Bankgeschäft ist zudem eine Möglichkeit für den Dialog mit
       dem Islam. Anhand konkreter Finanzprodukte könnten wir über den Islam als
       Religion von Frieden und Gemeinschaft diskutieren. Das ist die Chance für
       einen Dialog durch die Hintertür.
       
       29 Jun 2015
       
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