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       # taz.de -- EU-Parlament zur Panoramafreiheit: Das Öffentliche soll privat werden
       
       > Fotos von Gebäuden und öffentlichen Skulpturen darf man ins Internet
       > stellen. Das könnte vom EU-Parlament bald eingeschränkt werden.
       
   IMG Bild: Der Louvre ist schon gemeinfrei, die Pyramiden davor noch nicht
       
       Brüssel dpa | Können Urlauber ihre Fotos vom Eiffelturm, dem Riesenrad
       London Eye oder der ewig unfertigen Kirche Sagrada Familia in Barcelona
       künftig nicht mehr einfach so im Internet posten? Diese Sorge treibt die
       Piraten-Politikerin Julia Reda um. Die 28-Jährige sitzt im Europaparlament
       und ist dort für die Reform des Urheberrechts zuständig. Die EU will eine
       veraltete Richtlinie in die digitale Zeit holen, und ein Report von Reda
       ist die Grundlage für die gemeinsame Position der Parlamentarier.
       
       Die Ausgangslage ist klar. In Deutschland darf man Fotos von Gebäuden und
       öffentlichen Kunstwerken machen und sie frei verwenden, auch für
       kommerzielle Produkte wie Kalender oder Postkarten. Das nennt sich
       Panoramafreiheit. Aber nicht alle EU-Staaten halten es so. In Frankreich
       beispielsweise gibt es keine generelle Panoramafreiheit. Reda wollte das
       ändern und die Verwendung von Umgebungsfotos in allen Mitgliedsstaaten
       erlauben.
       
       Doch ihr Vorstoß ging nach hinten los. Ihr Parlamentskollege Jean-Marie
       Cavada von den Liberalen legte einen Gegenvorschlag vor. Die
       Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen im Rechtsausschuss
       stimmten seiner Version zu. Mit ihrer Mehrheit fordern sie: Wer Fotos oder
       Videos von fest installierter Kunst und öffentlichen Gebäuden gewerblich
       nutzen will, braucht dafür die Einwilligung der Urheber.
       
       Nun hagelt es Kritik. Für jedes Bild eine Genehmigung einzuholen sei „ein
       unmögliches Unterfangen“, [1][schreibt der Fotografenverband Freelens]
       alarmiert. „Das kann das Ende der professionellen Fotografie im
       öffentlichen Raum bedeuten.“ Der Verband fürchtet ebenso wie Piratin Reda,
       dass nicht nur Profi-Fotografen von einer solche Regelung betroffen wären.
       
       [2][Reda warnt], „dass du (...) für jedes deiner Urlaubsfotos prüfen
       müsstest, ob es ein Gebäude oder öffentliches Kunstwerk zeigt, ob dieses
       Werk urheberrechtlich geschützt ist“. Erst dann dürfte man die Fotos auf
       Plattformen wie Facebook hochladen. Denn diese Seiten sicherten sich die
       kommerzielle Verwendung der Nutzerbilder zu. Die Einschränkung „würde also
       Millionen von Europäerinnen und Europäerin in Konflikt mit dem Urheberrecht
       bringen“, sieht Reda voraus.
       
       Ganz so dramatisch ist es allerdings nicht. Denn die Facebook-Regeln dienen
       vor allem dem Zweck, dass das Netzwerk die Bilder selbst weiterverarbeiten
       kann, um sie anderen Nutzern anzuzeigen. „Wie die Plattformen darauf
       reagieren würden, wenn Bilder von öffentlichen Orten leichter Urheberrechte
       verletzen würden, bleibt offen“, [3][schreibt iRights.info].
       
       ## Niemand hat die Absicht, die User zur Kasse zu bitten
       
       Auch das Büro des Abgeordneten Cavada beteuert, es gehe nicht um die
       Verfolgung regulärer Internetnutzer. „Herr Cavada hatte nie das Ziel,
       Nutzer zur Kasse zu bitten oder ihre Freiheit im Internet einzuschränken.“
       Es gehe um eine faire Entlohnung für Künstler durch Plattformen wie
       Facebook, Instagram oder Flickr.
       
       Doch auch die Wikipedia fürchtet negative Auswirkungen. „Das würde die
       Freiheit, die seit 100 Jahren besteht, einschränken“, sagt Dimitar
       Dimitrov. Er ist zwei Jahren in Brüssel für die Stiftung Wikimedia
       unterwegs, die die Wikipedia und andere Projekte unterstützt. Die Wikipedia
       allein verfügt über tausende Fotos von öffentlichen Gebäuden und
       Kunstwerken. In einer Protestaktion schwärzten Wikipedia-Schreiber Fotos
       des Louvre oder der Elbphilharmonie. [4][Sie fordern] einen Erhalt der
       Panoramafreiheit.
       
       Denn selbst Einschränkungen, die nur für gewerbliche Nutzung gelten,
       „schaffen eine extrem große Rechtsunsicherheit“, sagt Wikimedianer
       Dimitrov. „Damit haben wir seit zehn Jahren Erfahrung.“ Was als gewerblich
       gilt, ist im Internet manchmal nicht leicht zu bestimmen. „Das sind nicht
       nur die großen Plattformen, sondern auch ein Blog, das nur Werbung
       schaltet, um seine Betriebskosten zu decken“, sagt er.
       
       ## Der DJV ist auch schon alarmiert
       
       Auch Michael Hirschler vom Deutschen Journalisten-Verband sieht die
       drohenden Streitigkeiten. „In Deutschland würde das wahrscheinlich sofort
       zu Problemen führen“, sagt er. Schließlich gebe es hier ein reges
       Abmahnwesen, bei dem Nutzer für Urheberrechtsverletzungen belangt werden.
       „Deswegen ist die Sorge davor auch besonders groß.“ Den Schaden für
       Fotografen „haben die Abgeordneten einfach nicht bedacht“.
       
       Hirschler hofft, dass die Passage noch einmal geändert oder ganz gestrichen
       wird. Dafür kämpfen auch die Fotografen und Wikipedianer. Tausende haben
       auf Wikipedia einen offenen Brief unterzeichnet, [5][eine Online-Petition]
       verzeichnet über 45.000 Unterschriften.
       
       Es ist aber ohnehin noch ein langer Weg, bis eine solche Regelung
       tatsächlich EU-Recht werden könnte. Das EU-Parlament will am 9. Juli über
       den Vorschlag abstimmen. Damit hätten zunächst nur die Abgeordneten ihre
       Position festgezurrt. Der eigentliche Vorschlag für ein neues Gesetz
       (EU-Richtlinie) kommt von der Kommission. Er wird im Herbst erwartet.
       Darüber verhandeln dann das Parlament und die EU-Staaten, am Ende müssen
       sich beide einigen.
       
       30 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.freelens.com/news/panoramafreiheit-in-gefahr/
   DIR [2] https://juliareda.eu/2015/06/panoramafreiheit-in-gefahr/
   DIR [3] http://irights.info/artikel/panoramafreiheit-fragen-und-antworten-zur-aktuellen-diskussion/25834
   DIR [4] https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Offener_Brief_an_die_Mitglieder_des_Europ%C3%A4ischen_Parlaments_zur_Erhaltung_der_Panoramafreiheit
   DIR [5] https://www.change.org/p/european-parliament-save-the-freedom-of-photography
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jessica Binsch
       
       ## TAGS
       
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