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       # taz.de -- Die Wahrheit: Begatten per Klick
       
       > Das Familienministerium kämpft ab sofort mit einer digitalen Offensive
       > zur Bundesbürgervermehrung gegen die demografische Delle.
       
   IMG Bild: Die Regierungspläne umfassen ausdrücklich auch den Bereich der Kurzzeitbeschlafung.
       
       Gute Nachrichten für die deutsche demografische Entwicklung: Wie vorab
       bekannt wurde, stellt das Bundesfamilienministerium demnächst seine
       digitale Offensive zur Steigerung der Geburtenrate vor. Die Partnersuche im
       Internet wird zwar bereits privat im großen Maße genutzt, die amtlich
       ermittelte BTK-Quote (Begattungsakte per tausend Klicks) ist aber bislang
       zu niedrig, um den Rentenkassen genügend neue Einzahler zuzuführen. Für die
       dringend benötigte Effizienzsteigerung der Online-Kontaktanbahnung hat das
       Ministerium ein Paket mit überaus erfolgversprechenden Maßnahmen geschnürt.
       
       Eine Flirtbörsen-Zwangsmitgliedschaft gilt als wichtigster Teil des
       Programms und stellt nach Ansicht der Bundestags-Juristen keine unbillige
       Härte dar, denn dem ohnehin bestehenden sozialen Druck durch
       Arbeitskollegen und Freunde würde lediglich ein wenig gesetzliche
       Aufmunterung beigesellt.
       
       Im Rahmen einer ergebnisorientierten Umstrukturierung der Partnerbörsen
       wird sich bei der Beschreibung von Charakter und Aussehen nicht mehr auf
       die meist geschönte Selbsteinschätzung der Nutzer verlassen. Die Zuordnung
       des Attraktionswertes erledigt automatisch ein „Leider-wahr-Algorithmus“,
       der per Webcam sowie aufgezeichnetem Surfverhalten und geposteten
       Kommentaren ein objektives Profil erstellt. Frauen mit einer Vorliebe für
       unsportliche Dummschwätzer kommen also schneller zum Traumpartner.
       
       Ebenfalls in der Planung: eine umfassende Soziale-Medien-Pflicht
       ausschließlich für die notorisch gebärunwilligen Akademikerinnen. Durch das
       zeitintensive Smartphone-Gedaddel bleibt ihnen keine Zeit mehr, in der
       Freizeit konzentriert hochgeistige Literatur zu lesen – und alles Weitere,
       so die Hoffnung, findet sich. Besonders auf Facebook stehen die Chancen
       dafür gut, denn der Dienst wird bei allen unverheirateten Nutzern proaktiv
       tätig. Nach dem zehnten Besuch eines gegengeschlechtlichen
       Facebook-Single-Profils wird unaufgefordert eine Verlobung in die Wege
       geleitet, vorsorglich das Aufgebot bestellt, anhand der Google-Suchanfragen
       ein Amazon-Hochzeitstisch zusammengestellt und alle Facebook-Freunde werden
       schon mal zur Trauung eingeladen.
       
       Die Regierungspläne umfassen ausdrücklich auch den Bereich der
       Kurzzeitbeschlafung. So soll die Dating-App Tinder derart verändert werden,
       dass der ablehnende Wisch nach links unterdrückt wird und die Zahl
       potenzieller Sexualkontakte steigt. Besonders interessant sind Ideen, die
       die Möglichkeiten von Big Data in den analogen Alltag transportieren – wie
       die Fertility-App, die standardmäßig auf der Damenversion der Apple Watch
       installiert wird. Die pfiffige Applikation misst die Körpertemperatur ihrer
       Trägerin und errechnet ihren Monatszyklus nach der Knaus-Ogino-Methode. An
       den fruchtbaren Tagen emittiert die Uhr ein sanftes Schnurren und blinkt
       leuchtend rosa, so dass sie auch in heller beleuchteten Bars nicht zu
       übersehen ist.
       
       Noch unbestätigt sind Meldungen, die eine fragwürdige Seite der digitalen
       Offensive nahelegen. Demnach haben Geheimdienste im Auftrag des
       Familienministeriums den Stuxnet-Computervirus weiterentwickelt. Dieses Mal
       soll er keine iranischen Urananreicherungs-Zentrifugen sabotieren, sondern
       die Dosierautomaten der Antibabypillen-Hersteller. Enthalten die Pillen
       eine zu geringe Dosis der hormonellen Wirkstoffe, werde sich das, so der
       Plan, sehr positiv auf die Geburtenrate auswirken. Gerüchten zufolge gab es
       allerdings kleinere finanzielle Zuschüsse zu diesem Projekt – von der
       katholischen Kirche sowie von Schnackselfürstin Gloria von Thurn und Taxis.
       
       Aufkommende Kritik, die Zwangsmaßnahmen beträfen vor allem das weibliche
       Geschlecht, halten Regierungsvertreter für ungerechtfertigt. Schließlich
       gelte für Männer künftig die Forderung, regelmäßig das Video-Tanz-Game
       „Just dance“ zu spielen. Ihre Körperbewegungen werden dabei vom
       Kinect-Sensor eingefangen und analysiert. Herren mit besonders elastischem
       Beckenschwung werden sämtlichen Frauen Deutschlands per E-Mail als
       „kontaktfreudiger Traumtyp mit gewissen Vorzügen“ angedient. Und das sei ja
       auch mit anspruchsvollen Pflichten verbunden.
       
       1 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Czech
   DIR Daniel Schmidtmann
       
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