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       # taz.de -- Bankenschließung in Griechenland: Schon vor der Pleite ist das Geld weg
       
       > Rentner erhalten keinen Cent Bargeld, die Buchhalterin kann keine
       > Gehälter überweisen: Es herrscht Stillstand in Athen.
       
   IMG Bild: Was jetzt? Rentner warten vor einer geschlossenen Filiale der Griechischen Nationalbank in Athen.
       
       ATHEN taz | Höchstens 60 Euro pro Tag darf jeder Grieche seit Montag noch
       vom Konto abheben. Der freie Kapitalverkehr ist eingeschränkt,
       Auslandsüberweisungen sind tabu, Exporte ins EU-Ausland sind eingefroren.
       Wer dringend Geld außer Landes schaffen muss, etwa weil eine
       Gesundheitsbehandlung im Ausland bevorsteht oder weil seine Kinder in einem
       anderen EU-Land studieren, muss sein Anliegen bei einer staatlichen
       Kommission vortragen. Der eine oder andere hat allerdings bereits
       vorgesorgt: Allein im vergangenen Mai haben die Griechen mehr als 3,5
       Milliarden Euro von ihren Bankkonten abgehoben.
       
       Ganz schwierig wird es für ältere oder einkommensschwache Menschen. Sie
       haben derzeit überhaupt keinen Zugang zu ihren Ersparnissen und Renten,
       nicht einmal zu den erlaubten 60 Euro pro Tag. „Ich bin froh, dass ich
       gestern noch Geld geholt habe“, sagt Frosso Avgeropoulou. Die Rentnerin
       sitzt auf einer Bank auf dem Syntagmaplatz vor dem griechischen
       Parlamentsgebäude.
       
       Seit Montagmorgen sind die Banken bis mindestens Ende der Woche
       geschlossen. Nur einige Geldautomaten sind noch in Betrieb. Den meisten der
       Alten hier, so Avgeropoulou, bringe das allerdings nichts, denn sie
       besitzen keine Bankkarte. Sie habe nur ein Bankkonto, von dem sie zu Anfang
       des Monats ihr Geld direkt am Schalter abholen, seufzt die Rentnerin. Doch
       das ist jetzt ja nicht möglich.
       
       Zum Glück habe sie gestern noch ihr letztes Geld der Rente des letzten
       Monats abgeholt. Viel sei es nicht, da ihre Bezüge stark gekürzt worden
       seien. Aber wenigstens könne sie davon ihre Tabletten für diesen Monat noch
       kaufen.
       
       ## „Wir dürfen jetzt nicht panisch werden“
       
       Wie es mit Griechenland weitergehen soll – darauf weiß Frosso Avgeropoulou
       keine Antwort. Aber sie habe den Zweiten Weltkrieg und danach den
       Bürgerkrieg in Griechenland erlebt. „Das haben wir ausgehalten – dann
       bringt uns das alles jetzt auch nicht um“, sagt sie. „Wir dürfen jetzt
       nicht panisch werden und müssen zusammenhalten“.
       
       Nun versprechen die großen Kreditinstitute, in den nächsten Tagen allein
       für Rentner einige Bankfilialen aufzumachen. Es fragt sich dabei nur, ob
       die Banken ihre Kunden auch aussortieren, um zu verhindern, dass
       aufgebrachte Menschen die Filialen stürmen. Bereits am Montag ist es
       vereinzelt zu Rangeleien vor Geldautomaten gekommen. Um Unvorhersehbares zu
       verhindern, fährt die griechische Polizei verstärkt Streifen in der Athener
       Innenstadt. Viele Beamten wurden sogar vom Urlaub zurückgeholt.
       
       In einem Büro am Syntagmaplatz sitzt Maria Markopoulou an ihrem
       Schreibtisch. Sie greift zum Telefon. Bereits den ganzen Morgen muss sie
       ArbeitnehmerInnen anrufen und darüber informieren, dass Onlinebanking nicht
       mehr möglich ist. Daher könne sie die anstehenden Löhne nicht überweisen.
       Eine Sekretärin sitzt ihr gegenüber, ist verzweifelt. Markopoulou findet
       beruhigende Worte.
       
       Zusammenhalt, Solidarität – das habe doch schon in den letzten Monate gut
       funktioniert. Die Sekretärin schaut kurz auf. Beruhigt wirkt sie nicht.
       „Dass die Löhne nicht ausgezahlt werden können, dass das Onlinebanking
       nicht möglich ist und dass die Bankautomaten nur noch wenig Geld
       herausgeben – das ist doch alles kontraproduktiv für die Wirtschaft des
       Landes. Die Leute können kaum noch etwas kaufen.“ Sie schüttelt
       verständnislos den Kopf.
       
       ## Umsonst mit den Öffis
       
       [1][Dafür soll ab Dienstag der öffentliche Nahverkehr in ganz Athen bis auf
       Weiteres kostenlos zu benutzen sein]. Wohl als Reaktion auf den Ansturm auf
       die Tankstellen kündigt die Regierung diesen Schritt an. Sie betreffe
       U-Bahnen, Busse und die Straßenbahnen in der Hauptstadt.
       
       Keine Bargeld-Einschränkungen soll es für Touristen geben. In einer
       Pressemitteilung erklärt das Finanzministerium am Montag ausdrücklich,
       Kapitalkontrollen würden keine Transaktionen erfassen, die in Griechenland
       mit einer im Ausland erlassenen Kredit- oder Debitkarte getätigt werden.
       Umso mehr Sorgen machen sich die Griechen selbst – obwohl Regierungschef
       Alexis Tsipras wiederholt erklärt hat, dass Löhne, Renten und Bankeinlagen
       sicher seien. Um nur ein Beispiel zu nennen.
       
       Griechenlands Regierungspolitiker halten sich derweil bedeckt: Nach einer
       langen Krisensitzung in der Nacht zum Montag verließen alle Minister den
       Amtssitz des Regierungschefs durch die Hintertür, um unliebsamen
       Reporterfragen aus dem Weg zu gehen.
       
       In einer außerordentlichen Sitzung seiner Parlamentsfraktion rief der
       konservative Oppositionschef Antonis Samaras die Regierung auf, das
       Referendum abzusagen. Noch gebe es Zeit für eine Einigung, mahnte Samaras,
       der schon längst die Bildung einer neuen „Regierung der nationalen Einheit“
       ins Gespräch bringt – allerdings ohne Beteiligung von Tsipras. Auch Fofi
       Genimata, neue Chefin der sozialistischen Pasok, wirft der Regierung vor,
       mit dem bevorstehenden Referendum Zwietracht zu stiften.
       
       ## Kritik aus den eigenen Reihen
       
       Für Aufsehen sorgt in der Linkspartei zudem eine kritische Stimme aus den
       eigenen Reihen: In einem Schreiben an den Ministerpräsidenten, das auf den
       19. März datiert ist, aber erst am Montag bekannt wurde, warnt der
       Syriza-Europaabgeordnete Kostas Chrysogonos eindringlich vor einem
       Euro-Austritt Griechenlands. Die Regierung hätte einen Auftrag der Wähler,
       mit den Geldgebern härter zu verhandeln, mahnt der Linkspolitiker. Ein
       Austritt Griechenland aus der Eurozone oder gar aus der EU sei von diesem
       Wählerauftrag nicht abgedeckt, erklärte Chrysogonos.
       
       Am Syntagmaplatz schiebt am Montag eine alte Frau einen Einkaufswagen
       voller Lebensmittel mit schweren Schritten die Straße entlang. Auf der
       Heckscheibe eines vorbeifahrenden Taxis steht: „Ich nehme auch Drachmen“.
       
       29 Jun 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kostenloser-Nahverkehr-in-Athen/!5207710/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Papadimitriou
   DIR Theodora Mavropoulos
       
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