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       # taz.de -- Britischer Trainer des 1. FFC Frankfurt: „Die Flexibilität ist fast einzigartig“
       
       > Colin Bell erklärt, weshalb die Erfolge des englischen Teams ihn gar
       > nicht überraschen und warum auch Weltmeister Japan das Nachsehen haben
       > könnte.
       
   IMG Bild: Da ging was ins Auge: Die englische Spielerin Steph Houghton (r.) schaut im Viertelfinale gegen Kanada bei ihrer Teamkollegin Karen Bardsley nach
       
       taz: Herr Bell, das zweite Halbfinale dieser WM findet nun in Edmonton
       zwischen England und Weltmeister Japan statt. Die deutsche Bundestrainerin
       hatte ja schon acht Teams für den Titel auf dem Zettel, aber nicht die
       Engländerinnen. Können Sie erklären, was da passiert ist? 
       
       Colin Bell: In England hat im Frauenfußball auf jeden Fall eine Entwicklung
       stattgefunden. Der Verband leistet mehr Unterstützung und die Arbeit ist
       professioneller geworden. Für mich ist das keine Überraschung, dass sie so
       weit gekommen sind. Ich hatte ihre Gegner Norwegen und Kanada vorher
       gesehen – da hat Team England mehr zu bieten. Nationaltrainer Mark Sampson
       hat aus dem schlechten Spiel gegen Frankreich (0:1) die richtigen Schlüsse
       gezogen und danach viel rotiert. Er ist bei dieser Weltmeisterschaft für
       mich der Einzige, der einen ganz gezielten Matchplan umsetzt, indem er
       teils radikale Veränderungen an der Taktik und am Personal vornimmt. Das
       ist erstaunlich. Deswegen sehe ich sogar gute Chancen, auch gegen Japan zu
       gewinnen.
       
       Die „Three Lionesses“ waren bislang nie über das Viertelfinale
       hinausgekommen. Hinter diesem Erfolg steckt also ein kluger Coach? 
       
       Das sehe ich so. Mark Sampson ist genau wie ich noch nicht lange im
       Frauenfußball, er hat 2009 bei Bristol Academy angefangen, ist dort
       Vizemeister geworden und hat dann vor zwei Jahren die Chance bekommen, Hope
       Powell zu beerben. Er hat hier in Kanada viel variiert: ein oder zwei
       Spitzen, Mittelfeld mit Raute oder flacher Vier. Diese taktische
       Flexibilität vor allem während eines Spiels ist im Frauenfußball nicht
       alltäglich. Jill Scott, die groß gewachsene Mittelfeldspielerin, kam erst
       aus dem Zentrum, dann war sie auf einmal Rechtsaußen.
       
       Die Engländerinnen haben allerdings ein altbekanntes Problem: Torhüterin
       Karen Bardsley hat schon zwei schwere Fehler gemacht. 
       
       Ja, dem Mädel sind schon zwei Patzer unterlaufen. Als sie wegen
       Augenproblemen im Viertelfinale rausmusste, hat Siobhan Chamberlain ihre
       Sache gut gemacht. Ich bin gespannt, was der Trainerkollege jetzt fürs
       Halbfinale entscheidet.
       
       Auf dem Weg zum Titel in der Champions League trafen Sie mit Ihrem 1. FFC
       Frankfurt auf den britischen Vertreter Bristol Academy. Sie haben ihn mit
       insgesamt 12:0 Toren deklassiert. Ist die englische Liga nicht noch viel zu
       schwach? 
       
       Logisch, sie haben nicht das Niveau wie die Frauen-Bundesliga, bis vor
       kurzem haben viele Klubs dort nur zweimal die Woche trainiert. Aber wir
       müssen aufpassen: Die großen Vereine, FC Arsenal, Manchester City, FC
       Liverpool und vor allem FC Chelsea, investieren jetzt teils in größerem
       Umfang in die Frauen, teilweise sicher auch, um sich für das Financial Fair
       Play des Gesamtvereins besser aufzustellen. Da ist gerade was in Bewegung.
       
       Wie ist der Stellenwert des Frauenfußballs auf der Insel? 
       
       Alle WM-Spiele laufen im Fernsehen jetzt in der BBC, das passiert
       erstmalig. Das ist ein deutliches Signal, diese Marke zu pushen. Und jetzt
       findet das FA-Cup-Finale der Frauen im August im Wembleystadion statt. Zum
       ersten Mal. Für jede Fußballerin geht damit ein Traum in Erfüllung. Ich
       halte es für möglich, dass wie damals beim Frauen-Länderspiel gegen
       Deutschland mehr als 50.000 Zuschauer kommen.
       
       Heißt das, dass vor den Männern eher die Frauen Weltmeister werden? 
       
       Das ist eher wahrscheinlich. Durch die finanzielle Macht der Premier League
       können junge englische Spieler doch kaum noch den Sprung schaffen. Daher
       tippe ich eher auf die Frauen, aber trotz allem passiert das noch nicht in
       diesem Jahr.
       
       Wie bewerten Sie denn allgemein das Niveau dieser Frauen-WM? 
       
       Ich habe bislang wenig neue Trends entdecken können. Klar, die Athletik hat
       sich bei vielen Teilnehmern verbessert, aber die Spielkultur bleibt oft auf
       der Strecke. Beim Gastgeber Kanada wirkte vieles hausbacken. Vieles sah
       auch bei den USA bis zum Viertelfinale leicht ausrechenbar aus. Sie haben
       sich allerdings gegen China in der zweiten Halbzeit deutlich gesteigert. An
       Norwegen und vor allem Schweden scheint die Entwicklung völlig
       vorbeigezogen zu sein. Sie waren zu langsam, hatten kein Passspiel zu
       bieten – die schwedische Leistung gegen Deutschland war desolat.
       Deutschland, Frankreich, Japan, USA und nun auch England haben mit ihrem
       Stil bessere Lösungen vorzuweisen. Sie sind die Teams mit dem besten
       Fußball.
       
       Wer sind die Stars dieses Turniers? 
       
       Es sind bisher wenige Überflieger aufgetaucht. Natürlich ist Lady Andrade
       von Kolumbien eine Augenweide, aber sie müsste sich in einer europäischen
       Top-Liga erst einmal beweisen. Bei Nigeria sind mit Asisat Oshoala und
       Ngozi Okobi gleich zwei junge Spielerinnen aufgefallen, die aber dann
       leider früh ausgeschieden sind. Christine Sinclair, Abby Wambach oder Marta
       sind alle in ein gewisses Alter gekommen. Sie haben bisher hier keine oder
       kaum Akzente setzen können. Vielleicht präsentieren sich ja bis zum Finale
       noch weitere Gesichter.
       
       Was hat es eigentlich gebracht, diese WM auf Kunstrasen auszutragen? 
       
       Nichts. Die Organisatoren haben sich keinen Gefallen getan, diese WM auf
       Kunstrasen auszutragen. Wenn die Spielfläche ein limitierender Faktor ist,
       um sich 90 Minuten durchgehend auf Top-Niveau zu präsentieren, dann ist das
       einfach ein Handicap! Zumindest hätten alle Stadien das gleiche, das
       neueste Modell haben müssen.
       
       1 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Hellmann
       
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