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       # taz.de -- Kräftemessen in der Türkei: Erdogan kämpft sich zurück
       
       > In der Türkei zeichnet sich eine Koalition zwischen AKP und der
       > ultrarechten MHP ab. Das bedeutet schlechte Zeiten für die Kurden.
       
   IMG Bild: Kurden in Diyarbakir feiern ihren Wahlerfolg vom 7. Juni.
       
       Istanbul taz | Nach der Wahlschlappe vom 7. Juli hat die islamistische AKP
       eine wichtige Etappe auf dem Weg zurück an die Macht zurückgelegt. Bei der
       Wahl des Parlamentspräsidenten, protokollarisch das zweithöchste Amt im
       Staat, konnte die Exregierungspartei am Mittwoch im letzten Wahlgang ihren
       Kandidaten Ismet Yilmaz durchsetzen.
       
       Das ist ein großer Erfolg für den abgewählten Regierungschef und
       AKP-Vorsitzenden Ahmet Davutoglu und Präsident Tayyip Erdogan, der im
       Hintergrund die Fäden zieht.
       
       Möglich wurde dies, weil die drei Oppositionsparteien sich nicht auf einen
       Gegenkandidaten zu Yilmaz einigen konnten. Zwar stimmten im entscheidenden
       Wahlgang ein großer Teil der kurdisch-linken HDP-Abgeordneten für den
       sozialdemokratischen CHP-Kandidaten Deniz Baykal. Doch die ultrarechte MHP
       enthielt sich und sicherte so der AKP indirekt den Sieg.
       
       Statt einer Großen Koalition, die ein Schritt zur gesellschaftlichen
       Versöhnung sein könnte, ist nun die Rede von einer
       nationalistisch-islamischen Koalition von AKP und MHP. Sie würde sich vor
       allem gegen die Kurden richten. Das wichtigste Ziel der MHP ist die
       Beendigung der Friedensgespräche mit der PKK.
       
       ## Überraschende Wende
       
       Es gibt starke Kräfte in der AKP und ihrer Wählerschaft, die dem von
       Erdogan begonnenen Dialog mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan
       misstrauen. Um dieser Strömung entgegen zu kommen, hatte Erdogan im
       Wahlkampf in einer überraschenden Wende erklärt, es gäbe keine kurdische
       Frage in der Türkei. Die „Terroristen“ müssten nur ihre Waffen niederlegen.
       
       Die Entwicklung an der türkisch-syrischen Grenze sorgt nun für neuen
       Konfliktstoff. Der Vormarsch der mit der PKK verbündeten syrischen Kurden
       gegen den Islamischen Staat (IS) ist Erdogan suspekt. Erst vor wenigen
       Tagen sagte er, die Türkei werde niemals die Gründung eines kurdischen
       Staates an der Grenze in Syrien dulden.
       
       Im Nationalen Sicherheitsrat wurde ein Einmarsch der Armee in Syrien
       diskutiert. Dazu passt, dass wieder Kämpfe zwischen der Armee und der PKK
       entlang der türkisch-irakischen Grenze gemeldet werden. Dies könnte den
       Waffenstillstand zwischen PKK und Armee infrage stellen.
       
       ## Kurden sprechen von Kriegskoalition
       
       Daher verbinden sich mit der Koalitionsfrage weitreichende politische
       Entscheidungen. Die CHP hat klar gemacht, dass es bei einer
       Regierungsbeteiligung von ihrer Seite keine Militäreinsätze in Syrien geben
       wird und die Versöhnung mit den Kurden vorangetrieben werden soll. Die MHP
       will dagegen militärisch gegen die Kurden vorgehen.
       
       Der Co-Chef der kurdisch-linken HDP, Selahattin Demirtas, spricht deshalb
       schon von einer „Kriegskoalition von AKP und MHP“. Für Präsident Erdogan
       hätte eine AKP-MHP-Koalition einen zusätzlichen Reiz. Sie wäre ein
       Zweckbündnis, das mit Neuwahlen wieder beendet werden könnte.
       
       2 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Gottschlich
       
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