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       # taz.de -- Nachruf auf Nicholas Winton: Der Retter der Kinder
       
       > Er bewahrte 669 jüdische Kinder vor der Ermordung durch die Nazis. Nun
       > ist Nicholas Winton im Alter von 106 Jahren verstorben.
       
   IMG Bild: Nicholas Winton am 20. Januar 2011.
       
       „Wenn es nicht unmöglich ist, dann gibt es einen Weg.“ Dieser Satz
       verkörperte das Lebensmotto von Sir Nicholas Winton, der am Mittwoch im
       biblischen Alter von 106 Jahren in London verstorben ist. Winton hat als
       29-Jähriger das Unmögliche gewagt –ihm gelang es, 669 jüdische Kinder vor
       ihrer drohenden Ermordung durch die Nationalsozialisten aus der
       Tschechoslowakei zu retten.
       
       Weihnachten 1938 war es, da bat ein Freund den jungen Börsenmakler, doch
       statt zum Skifahren in die Schweiz nach Prag zu kommen. Winton, selbst aus
       einer nach Großbritannien eingewanderten deutsch-jüdischen Familie
       stammend, wurde in der tschechoslowakischen Hauptstadt mit all den
       Schikanen und Diskriminierungen konfrontiert, denen die Juden seit dem
       Einmarsch der Wehrmacht unterlagen. Er befand, wenigstens den Jüngsten zu
       helfen. Sein Plan: So viele Kinder wie möglich sollten mit der Eisenbahn
       nach London gebracht werden.
       
       Winton gründete ein britisches Hilfskomitee, sammelte Geld und suchte nach
       Gastfamilien. Die Behörden in London spielten nicht mit. Winton fälschte
       britische Einreisevisa. Er bestach den Prager Chef der Gestapo Karl
       Bömelburg, damit die Kinder ausreisen durften.
       
       So gelang es ihm tatsächlich, die Kinder in sieben Zügen quer durch
       Deutschland und die Niederlande und weiter mit dem Schiff nach
       Großbritannien zu bringen. Ein achter Transport, geplant für den 1.
       September 1939, aber scheiterte. Der Überfall der Wehrmacht auf Polen hatte
       begonnen und alle Grenzen waren gesperrt.
       
       ## Mit Ehrungen überschüttet
       
       Nicholas Winton hat nie viel Aufheben um seine Rettungstat gemacht. Erst
       1988 entdeckte seine Frau einen alten Koffer voller vergilbter Papiere,
       darunter die Namenslisten der Kinder. Historiker wurden auf ihn aufmerksam,
       das Fernsehen berichtete. Der alte Mann wurde über 50 Jahre nach seiner
       großartigen Aktion mit Ehrungen überschüttet.
       
       Winton blieb ein bescheidener Mann. Er sei „nur am richtigen Ort zur
       richtigen Zeit gewesen“, erklärte er seine gefährliche Aktion. Noch im
       letzten Jahr konnte er sich in Prag mit einigen seiner „Winton-Kinder“
       treffen, wie die Geretteten genannt werden. Die Kinder von einst sind
       längst selbst in den Achtzigern. Fast alle von ihnen sind als Vollwaisen
       aufgewachsen, weil ihre Eltern in den Vernichtungslagern der Nazis ermordet
       wurden. Die einstigen Kinder leben heute in der ganzen Welt verstreut.
       
       „Die Welt hat einen großen Menschen verloren“, sagte der britische Premier
       David Cameron zum Tode von Nicholas Winton. Der tschechische
       Ministerpräsident Bohuslav Sobotka erklärte, Winton sei für ihn „ein
       Vorbild wirklicher Menschlichkeit, grenzenloser Bescheidenheit und
       bürgerlicher Tapferkeit“ gewesen.
       
       3 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus Hillenbrand
       
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