URI: 
       # taz.de -- Kanupolo auf dem Maschsee: Mehr Unkraut als Lorbeer
       
       > Bei Kanupolo-Duellen kollidieren ständig Boote, Kentern gehört dazu. Ein
       > Sport mit viel Action – nur die Zuschauer fehlen.
       
   IMG Bild: Bis die Carbon-Paddel brechen: Kanupolo-Spieler kämpfen um den Ball.
       
       Hannover taz | Seine Hände sehen geschunden aus. Schrammen und Prellungen
       an den Fingern sind für Malte Weymann alltäglich. Wenn er mit der Hand oder
       dem Paddel zum Torwurf ansetzt, wird es um ihn herum hektisch und laut.
       Beim Kanupolo darf mitten auf dem Wasser kräftig geschubst und gedrängelt
       werden.
       
       „Für die Zuschauer ist das gut. Wer bei uns den Ball hat, wird attackiert
       und geschubst“, sagt Weymann. Der 27-Jährige gehört dem Bundesligateam des
       [1][RSV Hannover] an. Eigentlich mag er seine Sportart so gern, dass deren
       Außenwirkung und die Zuschauerzahlen für ihn zweitrangig sind.
       
       Andererseits ist eine Randsportart wie Kanupolo auf Publikum, mediale
       Aufmerksamkeit, Sponsoren und bessere Rahmenbedingungen angewiesen, wenn
       sie im Wettstreit mit den etablierten Sportarten nicht dauerhaft absaufen
       will.
       
       ## Kanupolo ist wie Schach
       
       Wenn sich das RSV-Team zweimal pro Woche am Südufer des Maschsees auf
       Turniere und Bundesligaspieltage vorbereitet, wird viel gelacht und
       getüftelt. Kanupolo-Spieler taktieren wie Schachspieler. Sie sind ständig
       damit beschäftigt, ihre Einerkajaks so geschickt zu manövrieren, dass ihrem
       Kontrahenten möglichst wenig Raum zur Entfaltung bleibt. Selbst in einem
       simplen Trainingsspiel gibt es ständig Kollisionen.
       
       Die mehr als 300 Euro teuren Paddel aus Karbon brechen nicht selten. Beim
       Kanupolo duellieren sich die Teams ähnlich wie beim Handball – nur mit dem
       feinen Unterschied, dass ihre Tore in luftiger Höhe hängen und das
       Spielfeld in diesem Fall im trüben Maschsee liegt.
       
       An Land kämpfen in Sichtweite des Stadions von Hannover 96 Jogger,
       Inlineskater und Fahrradfahrer um ihre Ideallinie. Die Schwimmer ärgern
       sich über den Kot von Wildgänsen, den es im Wasser zu umkurven gilt. Wenn
       die Kanupolo-Könner erst mal in ihre wendigen Einerkajaks gestiegen sind
       und Helm und Schutzweste angelegt haben, stört sie nichts mehr.
       
       Manchmal sind Rufe von Ruderern, Drachenbootfahrern oder Seglern zu
       vernehmen. Die Spieler lassen sich nicht ablenken, sind auf den Ball
       fokussiert. Sie nehmen ihre Sportart ernst, haben aber kaum Zuschauer.
       
       Von Land aus sieht Kanupolo für Laien zwar ganz nett, aber irgendwie doch
       ziemlich exotisch aus. Die Elite des Kanusports hat sich in die Schlange
       jener Sportarten eingereiht, die auf bessere Zeiten hoffen. Sie alle
       bekämen vor allem dann Oberwasser, wenn es gelänge, bis in den elitären
       Kreis der olympischen Spiele vorzustoßen.
       
       „Wir schaffen die notwendigen Strukturen, um professioneller zu werden“,
       sagt Björn Wende. Der frühere Coach des RSV ist seit Herbst vergangenen
       Jahres Kanupolo-Bundestrainer. Er versucht auf ehrenamtlicher Basis, mit
       Hilfe von Laktat-Diagnostik, bei der die Leistungsfähigkeit von Sportlern
       getestet wird, und Physiotherapie möglichst gute Bedingungen für die
       Hauptdarsteller seiner Lieblingssportart zu schaffen.
       
       Dass Deutschlands beste Kanupolo-Spieler, zu denen auch drei Akteure des
       RSV Hannover gehören, nicht nur ihre Flüge zu Weltmeisterschaften, sondern
       auch ihre Trainingsanzüge selbst bezahlen müssen, ist ein Nachteil, den sie
       mit vielen Randsportarten teilen.
       
       Man kann das bejammern und verfluchen – oder einfach weitertrainieren. „Für
       mich ist Kanupolo trotz des hohen Aufwands ein Hobby. Aber es ist eben auch
       Leistungssport“, findet RSV-Stammspieler Weymann.
       
       Auf die Frage, was ein Kanupolospieler können muss, gibt er eine praktische
       Antwort: Weymann taucht seitlich ins Wasser ein und dreht sich mit seinem
       Kajak um die eigene Achse. Der Maschsee ist dafür bekannt, relativ warm,
       ziemlich schlammig und von stattlichen Karpfen bewohnt zu sein. Macht
       nichts.
       
       Weymann führt trotzdem aus dem Stand heraus vor, wie man sich beim Kanupolo
       entweder aus einer brenzligen Lage befreit oder aber auf einen deftigen
       Schubser im Rahmen eines Zweikampfes reagiert. Man taucht ab.
       
       ## Training trotz Blaualgen
       
       Die Rolle mit Boot beherrscht er längst so sicher wie das Schalten beim
       Autofahren. Wasser und Schlamm stören ihn kaum noch. Wenn die Badegäste im
       benachbarten Strandbad wegen einer Blaualgen-Warnung das Wasser meiden,
       gehen die Kanupolo-Spieler trotzdem rein.
       
       Ein bisschen Galgenhumor ist dabei: Den Hinweis, dass man ihre schöne
       Sportart auch im Regen betreiben kann, weil man ohnehin ständig nass ist,
       können sie sich nicht verkneifen.
       
       Man dürfe eben nur nicht am Nischendasein verzweifeln, finden sie. In
       Deutschland gehört der RSV Hannover zur Elite. Die deutsche
       Nationalmannschaft zählt als Vize-Weltmeister und Europameister zur
       Weltspitze. Der Lohn dafür sind kaum sichtbare Lorbeeren, aber jede Menge
       Unkraut an Boot und Paddel.
       
       6 Jul 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.rsv-kanu.de/kanupolo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Otto
       
       ## TAGS
       
   DIR Wassersport
   DIR Hannover
   DIR Hipster
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Radeln mit Schläger und Tunnelblick: „Wir nennen es Hipster-Hockey“
       
       Einst olympische Disziplin, heute rauer Straßensport: Bikepolo erobert die
       Metropolen. In Hamburg trainieren die Spieler mit Bier.
       
   DIR Rollerderby in Hamburg: Schubsen auf Rädern
       
       Tutus, Kriegsbemalung und laute Musik: Doch die Hamburger Harbour Girls
       zeigen, dass aus der Show ein Leistungssport geworden ist.
       
   DIR Kanupolo im Selbstversuch: Rugby im Wasser
       
       Es wird gerammt, geschubst und geworfen: Die Sportart Kanupolo ist nichts
       für sensible Gemüter. Der Bundesligist BSC Schwalbe Hamburg ist auf dem
       Fluss Bille beheimatet und lässt auch mal Neulinge mitspielen. Ein
       Selbstversuch.
       
   DIR Wassersport: Viele Boote und ein Ball
       
       Paddeln, foulen, Tore machen: Auf der Alster in Hamburg, in einer der
       Hochburgen der exotischen Sportart, hat das Tradition. Seit 1905 bereits
       trainieren dort die Kanupolo-Spieler des Alster-Canoe-Clubs.
       
   DIR Trendsport Kanupolo: Wasserball in Kajakbooten
       
       Man braucht Kajak, Paddel, Ball und Wasser - fertig ist die Sportart
       Kanupolo. Beim Köpenicker Kanusport Club treffen sich die Spieler
       regelmäßig.