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       # taz.de -- Einschüchterung von Asylbewerbern: Gefährliche Dolmetscher
       
       > Bei den Befragungen zum Asylantrag zählt jedes Wort. Eine Initiative
       > prüft den Verdacht, Eritreer würden von Übersetzern eingeschüchtert.
       
   IMG Bild: Aus Eritrea geflohene Menschen finden in Europa schwere Bedingungen vor (im Bild ein Protest im Juni in Paris).
       
       Frankfurt/M. taz | Wer in Deutschland Asyl beantragt, bekommt von Amts
       wegen einen Übersetzer für die Anhörung. Doch was, wenn die Dolmetscher die
       Aussagen der Geflüchteten verfälschen?
       
       Die Frankfurter Initiativen Teachers on the Road und United4 Eritrea weisen
       darauf hin, dass in Deutschland lebende eritreische Dolmetscher genau damit
       schon öfter aufgefallen sind. Eine Studie der Konferenzdolmetscherin Eden
       Mengis scheint diesen Verdacht nun zu erhärten.
       
       Die Lage von Eritreern in ihrem Heimatland ist prekär. Männer können nach
       ihrem 18. Lebensjahr unbefristet zum Militärdienst eingezogen werden,
       Frauen müssen bis zum 28. Geburtstag gegen niedrige Bezahlung für den Staat
       arbeiten. Präsident Isayas Afewerkis Regierung kontrolliere alle Ebenen der
       Macht, politisch, wirtschaftlich, sozial, journalistisch und religiös,
       kritisiert Human Rights Watch. Wahlen gab es in dem Land noch nie. Daher
       flüchten Monat für Monat Tausende aus dem Land. Laut Flüchtlingskommissar
       der Vereinten Nationen waren es im vergangenen Jahr über 300.000 Menschen.
       
       Gelingt die Ausreise, ist die Odyssee noch lange nicht vorbei. Auch
       außerhalb Eritreas gibt es Anhänger des Regimes. Sie arbeiten teilweise im
       Auftrag der Regierung, erklärt Irina Dannert, die sich bei Teachers on the
       Road, einer Frankfurter Flüchtlingsinitiative, engagiert. Erst vor wenigen
       Monaten hatte die italienische La Repubblica einen solchen Fall publik
       gemacht.
       
       ## Hochsensibler Moment
       
       Regierungstreue Eritreer arbeiten laut Teachers on the Road und
       United4Eritrea als Übersetzer im Asylanhörungsprozess. Genau an der
       hochsensiblen Stelle, an der sich entscheidet, ob die Fluchtgründe
       ausreichen, um Asyl zu erhalten. Im Zuge des Verfahrens haben die
       Dolmetscher außerdem Zugang zu den Daten der Flüchtlinge. Adresse und
       Familienzugehörigkeit sind heikle Daten, die in den falschen Händen viel
       Unheil anrichten können.
       
       „Immer wieder wird uns zugetragen, dass Aussagen von Flüchtlingen im
       Asylanhörungsverfahren nicht korrekt übersetzt wurden“, sagt Irina Dannert
       der Taz. Für den Verfahrensausgang kann ein falsch übersetze Aussage Folgen
       haben. Zwar werden zurzeit fast keine Flüchtlinge nach Eritrea abgeschoben,
       doch geht es darum, ob die Härtefallregelung für sie gilt. Das heißt, ob
       sie nur geduldet werden, ob sie in Deutschland ihren Antrag stellen dürfen,
       oder dauerhaftes Asyl erhalten.
       
       Bei einem solchen Verfahren war eine Aktivistin von United4Eritrea als
       Zuschauerin anwesend. „Da hat die Dolmetscherin einfach Teile nicht
       übersetzt. Beispielsweise, dass der Mann in Italien gefoltert wurde und im
       Gefängnis saß“, erklärt Seghen Gebreyosus von United4 Eritrea. Als die
       Aktivistin die Richterin darauf hingewiesen habe, habe die kein Interesse
       daran gezeigt. Die Dolmetscherin blieb im Amt, der Geflüchtete wurde
       abgeschoben.
       
       ## Bestätigte Verdachtsfälle
       
       Dass diese Fehlübersetzung publik wurde, war eher Zufall. Üblicherweise
       sind die Verfahren nicht öffentlich. „Außer dem Dolmetscher gibt es keinen
       anderen, der sowohl des Deutschen als auch der eritreischen Amstssprache,
       Tigrinya, mächtig ist und eingreifen könnte“, sagt Eden Mengis, die zu dem
       Thema ihre Masterarbeit schreibt. Sie hat Leitfadeninterviews mit
       Flüchtlingen und Dolmetschern geführt, und gefragt, inwiefern die
       Neutralität der Dolmetscher ein Auswahlkriterium für die Tätigkeit beim
       Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darstellt. Und ob bereits
       Fälle bekannt sind, in denen es wegen der politischen Haltung der
       Dolmetscher zu Problemen kam.
       
       In Mengis‘ Arbeit bestätigen sich die Verdachtsfälle der
       Flüchtlingsinitiativen, auch wenn ihre Stichprobe nichts über genaue Zahlen
       aussagt. „Sie haben null Chancen gegen diese Dolmetscher“, erklärt einer
       der anonym befragten Dolmetscher. „Ich habe schon mitgekriegt, dass es
       einen Mann gibt, der sagt: ‚Nein, sag das nicht.‘ Dann erschrecken sich die
       Flüchtlinge, weil sie wissen, dass er von der Regierung ist.“ Auch von
       Aussagen der Dolmetscher gegenüber Geflüchteten, sich nicht allzu kritisch
       über das Heimatland zu äußern, ist die Rede. Solche Anmerkungen kommen
       starken Drohungen gleich. Denn wer aus Eritrea flieht, macht sich strafbar,
       gefährdet oft noch zurück gebliebene Freunde, Familienmitglieder, Kollegen.
       
       Zwar sei es kein Automatismus, dass regimetreue Eritreer falsch übersetzen,
       so Mengis. Aber bei der Gefahr, für die Geflüchteten, die in so einem Fall
       bestünde, sei es durchaus überlegenswert, die Dolmetscher für die
       Asylverfahren genau zu überprüfen und denjenigen mit Kontakt zur Botschaft
       – sprich den regimetreuen – die Arbeit zu untersagen.
       
       Beim BAMF streitet man das Ganze ab. Es sei nur ein Einzelfall bekannt, in
       dem ein konkreter Dolmetscher beschuldigt wurde, nicht ordnungsgemäß zu
       übersetzen und mit der eritreischen Botschaft in Kontakt zu stehen. Als
       dieser Fall überprüft wurde, habe sich jedoch nichts ergeben. Auch würden
       mögliche Kontakte der Dolmetscher zu den Botschaften geprüft.
       
       Eine Frankfurter Initiative für Geflüchtete hat das Thema nun selbst in die
       Hand genommen. Der Verein Mekri überprüft zurzeit die öffentlich
       zugängliche Liste der eritreischen Dolmetscher. „Viel Arbeit, aber man
       bekommt doch recht schnell heraus, wo jemand steht“, sagt Seghen Gebreyosus
       der taz.
       
       Dieser Artikel wurde am 6. Juli um 19.13 Uhr geändert.
       
       5 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Leimbach
       
       ## TAGS
       
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