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       # taz.de -- Die Wahrheit: Neues zur schwäbischen Hausfrau
       
       > Bei der technokratisch geprägten Treibjagd auf Hellas fehlt die Urmutter
       > des ausgeglichenen Haushalts. Ein archetypisches Interview.
       
   IMG Bild: Die schwäbische Hausfrau ist in Hellas wie in Schwaben draußen wie drinnen immer in ihrem Element.
       
       Das gegenwärtig recht turbulent agierende Griechenland wird nur noch selten
       als Hotspot weltweit anerkannter Premiumwissenschaft wie vor gut
       zweitausend Jahren wahrgenommen. Dabei gibt es sie, die universitäre
       S-Klasse – zum Beispiel im Institut für vergleichende Unbekanntheitsstudien
       in Piräus. Ihm steht Anastasios Paraboulidis vor, der der Wahrheit hier
       einen Forschungseinblick gewährt. Im Mittelpunkt steht bei Paraboulidis
       überraschenderweise die so oft bemühte „schwäbische Hausfrau“. 
       
       taz: Professor Paraboulidis, was ist los in Ihrem Institut? Wie kommt die
       schwäbische Hausfrau da hin? 
       
       Anastasios Paraboulidis: Wir kümmern uns grundsätzlich um den Werdegang all
       jener begrifflichen Phänomene, deren teils weltweite Verbreitung gerade
       durch ihre Unschärfe, ja Unbekanntheit ermöglicht wurde.
       
       Ein Beispiel? 
       
       Na, der Unbekannte Soldat etwa. Keinem Menschen werden von den Mächtigen
       dieser Welt und zudem an zumeist herausragender monumentaler Stelle so
       viele Kränze zu Füßen gelegt, und kein Unbekannter wurde durch die Betonung
       seiner Unbekanntheit paradoxerweise so bekannt.
       
       Aber wer in Griechenland kennt dagegen schon die schwäbische Hausfrau? 
       
       Vorsicht! Im Zuge der Schuldendebatte und den Belehrungen durch den
       deutschen Finanzminister ist diese Gestalt Teil auch unseres Weltbildes
       geworden. Sie steht mittlerweile für Strafe, Granteln und Bescheidenheit.
       
       Ja und? 
       
       Interessant ist da der hellenistische Eigendiskurs. Alles, worauf wir stolz
       sind, hat sich wesentlich bereits in der Antike abgespielt. Und wenn wir
       die Uhr zurückdrehen, tauchte da plötzlich mit Sokrates ein Athener auf,
       ohne den es keinen Platon, keinen Aristoteles und die ganzen Folgen gegeben
       hätte – Euro, Tsipras und Varoufakis inklusive.
       
       Aber Sokrates war doch keine schwäbische Hausfrau! 
       
       Er nicht, aber quasi seine Ehefrau Xanthippe! Denn sie wurde schon zu
       Lebzeiten von den Anhängern des Sokrates als das unerträglichste Weib der
       Weltgeschichte bezeichnet und von einem Deutschen – nämlich Friedrich
       Nietzsche, dem alles Schwäbische suspekt war – verantwortlich für die
       gesamte klassische Philosophie gemacht!
       
       Wie bitte, Xanthippe soll Philosophie betrieben haben? 
       
       Ja, indirekt und auf ihre Weise schon. Darin ist sich die Fachwelt einig.
       Sie hat ihren Mann fast täglich aus dem Haus geworfen, weil der dort zu gar
       nichts nütze war. Er hat ja nicht einmal zur Auffüllung der Haushaltskasse
       beigetragen. Das musste alles seine Gattin organisieren. Sehen Sie also die
       Parallelen?
       
       Welche jetzt? 
       
       Na, zur schwäbischen Hausfrau! Frau Schäuble ist zwar mit einem Badener
       verheiratet und selbst Badenerin, aber das macht auf die Entfernung den
       Kohl nicht fett. Sie will ihren Mann genauso wenig zu Hause haben, sodass
       der fast täglich nach Berlin und Brüssel abhaut, um die Welt zu belehren.
       Das ist seine Agora, sein Forum. Er mag zwar viel reden, aber Geld bringt
       ihm das nicht ein, höchstens Steuern, die er von anderen nimmt und die ihm
       immer wieder unter der Hand versickern.
       
       Sie meinen also, in Xanthippe das Pendant und Eigengewächs, die
       Personifizierung der schwäbischen Hausfrau, die archetypische Urmutter der
       Aufklärung wie auch des ausgeglichenen Haushalts gefunden zu haben? 
       
       Genau! Denn diese historischen Übersprungphänomene sind typisch für Europa.
       Den „kleinen Mann auf der Straße“ – auch so eine mythische Figur – haben
       wir sogar schon gefunden! Er lebt in Saloniki, heißt Stavros, ist 1,49 groß
       und Bettler – und manchmal hat er sogar etwas an!
       
       Das will man doch wohl hoffen, oder?! 
       
       Natürlich! Aber unsere Materialanalysen haben ergeben, dass es sich bei dem
       verfilzt-vergilbten Flokatimantel über seinen Schultern um das verschollene
       Goldene Vlies handelt!
       
       Hinter dem ganz Hellas her war? 
       
       Sie sagen es! Und so ist nun der scheinbar ohnmächtigste Mann der Welt
       letztlich der mächtigste, denn gegen das Vlies ist der ESM-Rettungsschirm
       geradezu ein Auslaufmodell!
       
       Weiß Stavros das? 
       
       Nein, das bleibt geheim. Mir wäre lieb, wenn Sie das auch nicht drucken
       würden. Oder wollen Sie, dass der kleine Mann auf der Straße die Politik
       bestimmt?
       
       Na ja, dann doch lieber als die schwäbische Hausfrau oder der Unbekannte
       Soldat! 
       
       Na, sehen Sie!
       
       Professor Paraboulidis, wir danken Ihnen für das Gespräch. Und grüßen Sie
       Stavros von uns!
       
       7 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reinhard Umbach
       
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