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       # taz.de -- Repression in Russland: Rote Karte für NGOs
       
       > Das Oberhaus präsentiert eine „Patriotische Stop-Liste“. Ausländischen
       > Organisationen, die darauf vermerkt sind, droht das Aus.
       
   IMG Bild: Von Feinden umzingelt: Russlands Präsident Wladimir Putin.
       
       Moskau taz | Der Name ist etwas verwirrend: „Patriotische Stop-Liste“.
       Damit macht der russische Föderationsrat, das Oberhaus der Duma, kurz vor
       den Sommerferien noch einmal auf sich aufmerksam. Angesichts des
       überbordenden Patriotismus‘, der Russland seit der Annexion der Krim
       heimsuchte, ließe sich hinter der Liste auch eine zur Mäßigung gemahnende
       Stimme der Vernunft vermuten.
       
       Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Die patriotische Liste enthält
       ausländische Organisationen – Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – die
       der Föderationsrat für die verfassungsrechtliche Ordnung Russlands als
       gefährlich einstuft. Wer in diesem Verzeichnis auftaucht, soll demnächst
       unter das im Mai verabschiedete Gesetz über „unerwünschte“ ausländische
       Organisationen fallen und wird die Arbeit in Russland wohl einstellen
       müssen.
       
       Die Drangsalierung der Zivilgesellschaft ist bereits seit Amtsantritt von
       Präsident Wladimir Putin vor 15 Jahren ein Steckenpferd des Staatsapparats.
       Mit Beginn von Putins dritter Amtsperiode 2012 erreichte die
       Einschüchterung der Bürgergesellschaft jedoch eine neue Dimension. Es geht
       nicht mehr darum, nur deren Arbeit zu erschweren. Inzwischen sollen die
       NGOs zum Aufgeben gezwungen werden.
       
       Seit 2012 müssen sich Organisationen mit ausländischer Finanzierung schon
       als „ausländische Agenten“ bezeichnen und im Namenszug darauf verweisen.
       Das Gesetz über „unerwünschte Organisationen“ droht darüberhinaus mit noch
       drakonischeren Strafen.
       
       ## Angst vor selbstbewussten Bürgern
       
       Anlass die Schrauben noch weiter anzuziehen, waren die Proteste auf dem
       Maidan in Kiew im vergangenen Jahr. Obwohl es immer weniger davon gibt,
       jagt auch der letzte selbstbewusste Bürger dem Kreml noch Angst ein.
       
       Am Mittwoch stellte der Föderationsrat die Liste zusammen und reichte sie
       an die Generalstaatsanwaltschaft, das Außen- und Justizministerium weiter –
       mit der Bitte, die Organisationen auf Verfassungsverträglichkeit zu prüfen.
       12 NGOs enthält das Verzeichnis, darunter sieben US-Institutionen, zwei
       polnische sowie zwei ukrainische Einrichtungen. Die bekanntesten
       US-Organisationen sind die Open Society des Soros Fonds, Freedom House und
       die McArthur Stiftung, die neben der Moskauer Carnegie Niederlassung noch
       20 weitere NGOs mit finanziert.
       
       Der Weltweite Ukrainische Koordinationsrat, der sich mit Fragen der
       ukrainischen Diaspora befasst, ist genau so betroffen wie die Feldmission
       für Menschenrechte der Krim. Ihr Vorsitzender Andrei Jurow sitzt auch im
       Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten. „Natürlich ist es angenehm,
       wenn man uns für so mächtig hält wie amerikanische Strukturen mit riesigen
       Budgets“. Gleichzeitig entbehre es auch nicht der Komik, meinte Jurow. Ob
       die Listung auch für ihn als Mitglied des Menschenrechtsrates Folgen haben
       könnte, wusste er noch nicht.
       
       Initiator der Liste ist der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des
       Föderationsrates Konstantin Kosatschew. Ursprünglich hatte er Ende Juni
       dazu geraten, die Zusammenstellung der Liste „im Interesse der Transparenz“
       nicht unter Zeitdruck anzugehen. Zwei Wochen später stellt er die Lage
       anders dar: angesichts der „offensichtlichen Bedrohungen“ wurde
       beschlossen,“ mit einer ersten, nicht breiten, aber zielführenden Liste“ zu
       beginnen. Worin die akuten Bedrohungen bestehen, sagte der Senator
       gleichwohl nicht.
       
       Sein Kollege Wiktor Oserow war unterdessen überzeugt, dass der Kommission
       bei der Auswahl keine Fehler unterlaufen seien. Alle aufgeführten
       Organisationen würden auch mit dem Stempel „unerwünscht“ im Verbotsregister
       landen.
       
       Kosatschew hatte schon im Vorfeld verraten, dass die Duma einige Dutzend
       Organisationen für eine Fortsetzung der Liste vorsortiert hätte. „Die
       geopolitischen Gegner Russlands machen nicht erst seit einem Jahrzehnt mit
       Hilfe der NGOs Politik“, sagte der Senator. In Zeitungsberichten hatte es
       zunächst geheißen, auch Human Rights Watch, Amnesty International, Memorial
       International und die deutsche Bosch-Stiftung seien schon aufs Korn
       genommen worden.
       
       9 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Klaus-Helge Donath
       
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