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       # taz.de -- Massaker durch Deutschland in Namibia: Bundesregierung erkennt Genozid an
       
       > Nach langer Verweigerung erkennt Deutschland den Völkermord an Herero und
       > Nama an. Ob es eine Entschuldigung geben wird, ist offen.
       
   IMG Bild: Schädel eines Ermordeten aus Namibia, der in Deutschland für „Rassenforschung“ verwendet wurde.
       
       Berlin dpa/taz | Die Bundesregierung will die Massaker deutscher Truppen
       vor mehr als 100 Jahren im heutigen Namibia künftig als „Völkermord“
       bezeichnen. Dazu soll es nach Angaben des Auswärtigen Amts vom Freitag auch
       eine gemeinsame Erklärung mit Namibia geben, dem [1][ehemaligen
       Deutsch-Südwestafrika]. Dort wurden zwischen 1904 und 1908, als Deutschland
       noch Kolonialmacht war, mehr als 85.000 Herero und Nama von kaiserlichen
       Truppen ermordet. Die Kolonialherrschaft ging am 9. Juli 1915 zu Ende.
       
       Nach Angaben des Auswärtigen Amts gilt für die Bundesregierung nun als
       „politische Leitlinie“ der Satz: „Der Vernichtungskrieg in Namibia von 1904
       bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord.“ Diese Formulierung
       stammt aus einem Antrag, den Außenminister Frank-Walter Steinmeier 2012 als
       SPD-Fraktionschef mit in den Bundestag eingebracht hatte. Der Sprecher des
       Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, sagte, dies sei auch Grundlage für die
       laufenden Gespräche mit Namibia.
       
       Der Hamburger Historiker und Kolonialforscher Jürgen Zimmerer, der am
       Donnerstag in der taz [2][den unzulänglichen Umgang Deutschlands mit seiner
       Kolonialgeschichte gerügt hatte], warnte vor überzogener Euphorie. Er
       sagte, Gespräche zwischen den deutschen und namibischen Regierungen
       reichten zur Bewältigung des Völkermordes nicht aus. Es müssten die
       Gesellschaft und die Betroffenen einbezogen werden. „Jetzt kommt es auf die
       breite zivilgesellschaftliche und gesamtgesellschaftliche Umsetzung an“,
       sagte Zimmerer zur taz. „Man braucht eine Verankerung in der
       Erinnerungskultur.“
       
       Das [3][Bündnis „Völkermord verjährt nicht“] begrüßte den Schritt der
       Bundesregierung, kritisierte allerdings, dass offenbar keine formelle
       Entschuldigung geplant sei. „Schlimmer noch: Als direkt vom Völkermord
       betroffene und damals enteignete Gesellschaften sollen wir offenbar von den
       laufenden Verhandlungen zwischen der deutschen und der namibischen
       Regierung ausgeschlossen bleiben“, sagte Israel Kaunatjike der taz. „Das
       werden wir niemals hinnehmen!“
       
       ## Entschuldigung gefordert
       
       In dieser Woche hatte eine Delegation von Vertretern der Herero und Nama in
       Berlin angekündigt, gegen Deutschland vor Gericht zu ziehen, sollte die
       Bundesregierung den Völkermord nicht anerkennen, sich für ihn förmlich
       entschuldigen und den Dialog mit den Überlebenden suchen. Die erste dieser
       Forderungen wäre mit der geplanten neuen „Leitlinie“ erfüllt.
       
       Der Ministeriumssprecher ließ offen, ob es auch eine förmliche deutsche
       Entschuldigung geben wird. Die Bundesregierung bekenne sich aber
       ausdrücklich zur „besonderen historischen Verantwortung Deutschlands
       gegenüber Namibia und seinen Bürgern“. Zum Stand der Verhandlungen sagte
       er: „Die Gespräche laufen sehr konstruktiv und sind gut vorangekommen, aber
       noch nicht abgeschlossen.“ Darin geht es neben der Frage der Anerkennung
       auch um finanzielle Entschädigung.
       
       Die Debatte über das Verhalten der Deutschen in Namibia war durch den 100.
       Jahrestag des Genozids an den Armeniern im Osmanischen Reich neu entfacht
       worden, der im April begangen wurde. Bundestagspräsident Norbert Lammert
       (CDU) hatte diese Woche bereits in der Wochenzeitung Die Zeit geschrieben:
       „An den heutigen Maßstäben des Völkerrechts gemessen war die
       Niederschlagung des Herero-Aufstands ein Völkermord.“
       
       10 Jul 2015
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] http://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/aussenpolitik/suedwest/
   DIR [2] /!5211171/
   DIR [3] http://www.berlin-postkolonial.de/cms/index.php?option=com_content&view=article&id=70%3Avoelkermord&catid=5%3Ainterventionen&Itemid=11
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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