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       # taz.de -- Auschwitz-Prozess in Lüneburg: Verteidigung fordert Freispruch
       
       > Im Plädoyer argumentieren Grönings Anwälte, der 94-Jährige habe keinen
       > „offensiven Beitrag“ zum Holocaust geleistet. Am Mittwoch folgt das
       > Urteil.
       
   IMG Bild: Oskar Gröning mit seinen Verteidigern Susanne Frangenberg und Hans Holtermann.
       
       Lüneburg taz | „Ich bereue zutiefst“, sagte Oskar Gröning. Am
       Dienstagmittag hatte der frühere SS-Offizier als Angeklagter im
       Auschwitz-Prozess vor dem Lüneburger Landgericht das letzte Wort. „Ich war
       an einem Ort, an dem man nicht sein darf“, schob der 94-Jährige mit
       gebrochener Stimme nach. „Freispruch“ forderten dennoch sein Verteidiger
       Hans Holtermann und seine Verteidigerin Susanne Frangenberg.
       
       Sie betonten, ihr Mandant habe weder durch seine Anwesenheit an der
       Bahnrampe von Auschwitz-Birkenau noch durch das Zählen der Devisen „einen
       Beitrag geleistet, der offensiv den Holocaust gefördert hat“.
       
       Seit dem 21. April muss sich der ehemalige Bankkaufmann in dem
       provisorischen Gericht in der Ritterakademie wegen Beihilfe zum Mord in
       300.000 Fällen verantworten. Das Verfahren macht ihm zu schaffen. Die
       Aussagen von Zeugen, die Auschwitz nur überlebten weil sie ein falsches
       Alter angaben, berührten ihn, ließ er in einer Einlassung unlängst von
       Frangenberg vortragen. Auch sei ihm vor den Aussagen der Überlebenden nicht
       bewusst gewesen, dass deren ganzes Leben von Auschwitz bestimmt sei.
       
       Moralische Schuld und strafrechtliche Verantwortung? Die Verteidigung wurde
       deutlich. Ihr Mandat, der in der Häftlingsgeldverwaltung tätig war, hatte
       eingeräumt, in Auschwitz Dienst getan zu haben. Er habe aber nur an der
       Rampe aufgepasst, dass von dem Gepäck der dorthin verschleppten Menschen
       nichts geklaut würde, an der Selektion zum Arbeitsdienst oder ins Gas wäre
       er nicht beteiligt gewesen.
       
       [1][In der vergangenen Woche hatte Staatsanwalt Jens Lehmann dem
       widersprochen und eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert.]
       Gröning hätte im Frühjahr 1944 die Spuren der Massentötung an ungarischen
       Juden verwischt, indem er geholfen habe, an der Rampe Gepäck der dorthin
       verschleppten Menschen wegzuschaffen. Dadurch sollten nachfolgende
       Gefangene darüber getäuscht werden, was sie in Auschwitz erwartete. Lehmann
       schlug vor, das dass Gericht bis zu 22 Monate wegen Verfahrensverzögerungen
       als verbüßt anrechnen könnte. Denn schon 1978 war der Beschuldigte als
       Beschuldigter vernommen wurden – ohne juristische Konsequenzen.
       
       Am Dienstag griffen Nebenkläger diesen Vorschlag der Staatsanwaltschaft an.
       Nebenklagevertreter Markus Goldbach sprach wegen des juristischen Umgangs
       mit Gröning von einen doppelten Vorteil: Erst sei er nicht belangt worden,
       und nun, wo er verurteilt werden soll, soll ihm die Nichtfolgung
       wohlwollend angerechnet werden.
       
       Für Frangenberg nicht hinnehmbar. Die Verteidigerin legte dar, dass selbst
       wenn das Gericht eine Verurteilung ausspreche, zu berücksichtigen sei, dass
       ihr Mandant mit zur Aufklärung beigetragen habe und nur die „Mindeststrafe
       von drei Jahren“ angemessen wäre. Diese sollte jedoch wegen
       Verfahrensverzögerung als verbüßt angerechnet werden. Am Mittwoch spricht
       das Landgericht das Urteil.
       
       14 Jul 2015
       
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