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       # taz.de -- Atomabkommen mit dem Iran: Hundert Seiten, fünf Anhänge
       
       > Über zwölf Jahre haben der Iran, die die fünf ständigen Mitglieder im
       > Weltsicherheitsrat und Deutschland verhandelt. Der Teufel steckt im
       > Detail.
       
   IMG Bild: Die Internationale Atomenergieorganisation IAEO wird die Atomanlagen überwachen.
       
       GENF taz | Durchbruch in Wien: Zwölf Jahre haben die fünf Vetomächte des
       UNO-Sicherheitsrats und Deutschland („5+1-Ländergruppe“) mit dem Iran über
       das iranische Atomprogramm verhandelt. Am Dienstag konnten sie sich
       schließlich auf ein Abkommen einigen. Das über 100-seitige Dokument mit
       fünf Anhängen unterwirft das zivile iranische Nuklearprogramm für eine
       Laufzeit von 10 bis 25 Jahren sehr weitreichenden Beschränkungen und
       internationalen Kontrollen. Damit soll eine geheime Entwicklung von
       Atomwaffen unmöglich gemacht werden.
       
       Zugleich sieht das Abkommen vor, das Waffenembargo und die
       Wirtschaftssanktionen schrittweise aufzuheben, die UNO, USA und EU seit
       2006 gegen den Iran verhängt haben. Eine gemeinsame Kommission aus der
       5+1-Gruppe und Iran überwacht und steuert die Umsetzung.
       
       Dies soll sicherstellen, dass Iran nicht mehr in der Lage ist,
       Spaltmaterial für Atomwaffen herzustellen – weder durch die
       Hochanreicherung von Uran auf 90 Prozent noch durch die Produktion von
       Plutonium. Die bisher in verschiedenen Nuklearanlagen des Landes
       installierten insgesamt 19.100 Zentrifugen zur Urananreicherung, von denen
       10.000 derzeit in Betrieb sind, müssen über zwei Drittel auf 6.104
       reduziert werden.
       
       Installiert bleiben dürfen nur noch Zentrifugen der ältesten, am wenigsten
       leistungsfähigen Generation vom Typ IR-1.
       
       Von den 6.104 verbliebenen Zentrifugen dürfen in den ersten zehn Jahren
       nach Inkrafttreten des endgültigen Abkommens lediglich 5.060 zur
       Urananreicherung betrieben werden – und dies nur in der Anlage Natanz.
       
       Für 15 Jahre darf Iran Uran maximal auf den Grad von 3,67 Prozent
       anreichern, der erforderlich ist zur Herstellung von Brennstäben für die
       Energieerzeugung in Atomkraftwerken.
       
       Alle Zentrifugen in der unterirdischen und durch dicke Bunkerwände gegen
       Luftangriffe geschützten Anlage Fordo müssen abgebaut und beseitigt werden.
       Fordo darf nur noch zu medizinischen Forschungszwecken genutzt werden.
       
       ## Überwachuing durch IAEO
       
       Alle abgebauten Zentrifugen müssen in versiegelten Depots eingelagert
       werden. Sie sollen rund um die Uhr durch Kameras und andere technische
       Überwachungsmittel sowie durch Inspektoren der Internationalen
       Atomenergieorganisation (IAEO) überwacht werden.
       
       Die IAEO kontrolliert 25 Jahre lang sämtliche Uranminen und Fabriken zur
       Verarbeitung von Natururan. 97,5 Prozent der im Iran bereits existierenden
       Vorräte von knapp 12.000 Tonnen auf den Grad von 5 bis 20 Prozent
       angereicherten Urans sollen entweder auf den Grad von 3,75 Prozent verdünnt
       oder nach Russland exportiert werden, wo sie zu Brennstäben für iranische
       Atomkraftwerke verarbeitet werden. Im Iran verbleiben 300 Kilo.
       
       Die Schwerwasseranlage in Arak wird so umgebaut, dass in ihr kein Plutonium
       erzeugt werden kann. Alle hierfür relevanten Teile der bisherigen Anlage
       werden unter Aufsicht der IAEO verschrottet. Der Iran darf keine neuen
       Schwerwasseranlagen bauen. Teheran verpflichtet sich, das bereits vor fünf
       Jahren unterzeichnete Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag
       umzusetzen, das den Inspektoren der IAEO jederzeit unangekündigte
       Verdachtskontrollen in sämtlichen Nuklearanlagen des Landes erlaubt. Alle
       diese Beschränkungen und Kontrollen des iranischen Nuklearprogramms waren
       bereits in einem Anfang April in Lausanne vereinbarten Eckpunktepapier
       enthalten.
       
       ## Zusätzliche Kompromisse
       
       In den seitdem geführten Verhandlungen, insbesondere in den letzten 17
       Tagen in Wien, einigten sich die Außenminister der sieben
       Verhandlungsstaaten dann noch auf folgende Kompromisse:
       
       Die IAEO kann jederzeit Zugang zu konventionellen Militäranlagen wie der
       Basis Parchin am Kaspischen Meer verlangen, in denen Iran in den Jahren von
       1986 bis 2003 möglicherweise atomwaffenrelevante Entwicklungen betrieben
       hat. Lehnt Teheran dies ab, entscheidet die gemeinsame
       Überwachungskommission.
       
       Zudem verpflichtete sich der Iran am Dienstag, der IAEO bis Ende 2015 alle
       noch offenen Fragen zu dem mutmaßlich zwischen 1986 und 2003 betriebenen
       militärischen Nuklearprogramm zu beantworten.
       
       Das Importembargo für konventionelle Waffen, mit dem der UNO-Sicherheitsrat
       Teheran 2006 zu Verhandlungen über das Nuklearprogramm zwingen wollte, wird
       fünf Jahre nach Inkrafttreten des Nuklearabkommens aufgehoben. Nach
       vorheriger Zustimmung des UN-Sicherheitsrats sind in Einzelfällen
       Waffenlieferungen möglich.
       
       Die ebenfalls vom Sicherheitsrat verhängten Restriktionen für die iranische
       Raketenrüstung laufen nach acht Jahren aus. Von diesen Regelungen unberührt
       bleiben bilaterale Rüstungssanktionen der USA.
       
       Die von der UNO, den USA und der EU seit 2006 verhängten
       Wirtschaftssanktionen werden schrittweise aufgehoben, sobald die IAEO
       überprüft und bestätigt hat, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem
       Abkommen erfüllt hat. Das wird nach Einschätzung aller Experten nicht vor
       Ende 2015 der Fall sein.
       
       ## Gemeinsame Kommission überwacht Umsetzung
       
       Die für die Bevölkerung besonders schmerzhaften Finanz- und
       Handelssanktionen sollen dann zuerst aufgehoben werden. Die Regierung
       Obamas darf auf Grund eines vom Kongress verabschiedeten Gesetzes ohnehin
       während der nächsten 60 bis 82 Tage weder bilaterale US-Sanktionen gegen
       den Iran aufheben noch einer Aufhebung im UNO-Sicherheitsrat zustimmen.
       
       Die Umsetzung des Nuklearabkommens wird durch eine gemeinsame Kommission
       aus Vertretern des Iran und der 5+1-Gruppe überwacht.
       
       Sollte der Iran nach einer Aufhebung von Wirtschaftssanktionen und
       Rüstungsrestriktionen gegen seine vertraglichen Verpflichtungen verstoßen,
       treten die UN-Sanktionen nach 30 Tagen automatisch wieder in Kraft – selbst
       wenn eines der fünf ständigen Ratsmitglieder sein Veto dagegen einlegen
       sollte.
       
       14 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Zumach
       
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