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       # taz.de -- Die Wahrheit: Barschels Bächlein
       
       > Deutsche Ehrenstätten: Wo es am schönsten ist, Politikern zu gedenken.
       > Zum Beispiel am Gustl-Lang-Felsen im Oberpfälzer Wald.
       
   IMG Bild: Tief im Oberpfälzer Wald wird der große bayerische Politiker Gustl Lang felsenfest gewürdigt.
       
       Idyllisch schlängelt sich der Zottbach durch den Oberpfälzer Wald. Die
       Gegend ist wie von der Welt vergessen, die Menschen sind ursprünglich und
       schweigsam, sie interessieren sich nicht für irgendwelche Krisenherde und
       sind stolz auf ihre Heimat. In der Nähe des Zottbachs liegt das berühmte
       Zottbachhaus, eine Gaststätte mit einladenden Fremdenzimmern und einem
       Reiterhof. In dieses Wirtshaus hatte einst der große bayerische Politiker
       Gustl Lang eingeheiratet, und der Ort wurde zu einer Art oberpfälzischem
       Wildbad Kreuth.
       
       Nicht-Bayern dürfte der Name Gustl Lang (sprich: „Gustllang“ oder auch
       „Langgustl“) kaum mehr etwas sagen, im Freistaat aber ist der Mann eine
       Ikone erfolgreicher weiß-blauer Politik. Während der Zeit seines Wirkens
       hatte er nahezu jedes Amt inne, das von der CSU an ihre Parteisoldaten
       verliehen wird: Er war Innenminister, Justizminister, Wirtschafts- und
       Verkehrsminister, daneben auch noch Fraktionsvorsitzender der CSU im
       Bayerischen Landtag. Er war bedingungsloser Verfechter des seinerzeit
       geplanten Baus der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf und Befürworter
       der A 93, die heute durch das bayerisch-tschechische Grenzland führt. Aus
       jener Zeit stammt auch eine seiner Dalai-Lama-Weisheiten, die er auf
       Bürgerversammlungen den Autobahngegnern zurief: „Was nützt einem die
       schönste Natur, wenn man nicht mit dem Auto hinfahren kann?“ Kein Wunder,
       dass im nahe gelegenen Weiden in der Oberpfalz im hypermodernen
       Kongresszentrum ein Saal nach Gustl Lang benannt ist.
       
       ## Denkmal für Allround-Ehrenmann
       
       Aber damit nicht genug. Denn die Einheimischen erinnern nicht nur mit einer
       Räumlichkeit an diesen Allround-Ehrenmann, sie haben ihm ein weiteres, ein
       wahrhaft schwerwiegendes Denkmal gesetzt. An den Ufern des Zottbachs wurde
       dem bayerischen Rekordminister ein Felsen gewidmet. Der Gustl-Lang-Felsen.
       
       Im ersten Moment könnte man meinen: Unfassbar! Unglaublich! Und auch
       irgendwie ungerecht! Denn wenn nach Gustl Lang ein Felsen benannt ist, was
       sollte man dann nach Franz Josef Strauß, dem ewigen Landesvater, benennen?
       Blieben, um die Größenordnung zu wahren, denn der nach ihm benannte
       Flughafen München „Franz Josef Strauß“ ist nicht groß genug für ihn,
       letztlich nur die Alpen – die Franz-Josef-Strauß-Alpen. Und wenn FJS die
       Alpen kriegt, was machen wir dann eines Tages mit Helmut Kohl? Deutschland,
       ach was, ganz Europa müsste umbenannt werden – in Kohlland oder Kohltinent.
       Für Gerhard Schröder hingegen dürften bereits Teile der kasachischen Steppe
       reserviert sein.
       
       Doch mit etwas Distanz betrachtet, ist dieses granitene Erinnerungsstück
       inmitten des Oberpfälzer Walds vielleicht gar nicht so einzigartig, wie es
       zunächst scheint. Womöglich gibt es ähnliche Denkmäler in vielen Regionen
       unseres Landes – im Taunus genauso wie im Harz oder im Sauerland.
       Vielleicht liegt in irgendeiner vergessenen Einöde ein Acker, der nach
       einem ehemaligen Bürgermeister benannt ist, der sich für Heimat und Partei
       aufgeackert hat? Mag sein, dass es in dem einen oder anderen Wäldchen ein
       sanft murmelndes Bächlein gibt, das an einen verstorbenen Gemeinderat
       erinnert, der für seine politische Gewandtheit, sein kluges Mäandern
       berüchtigt war. Warum nicht?
       
       ## In Vergessenheit geratenes Politgenie
       
       Und wer weiß, vielleicht gibt es irgendwo im Hessischen einen verkarsteten,
       zackigen Manfred-Kanther-Steinbruch? Denkbar wäre allerdings auch ein
       pittoresker Fischweiher hoch droben im Norden – benannt nach Uwe Barschel.
       Vielleicht schwimmen kleine Entchen darauf herum, und ein Schild am Rande
       des Weihers erinnert an die Leistungen eines Politgenies, das allzu schnell
       in Vergessenheit versank.
       
       Gerüchten zufolge soll es irgendwo in Nordrhein-Westfalen sogar eine
       Blumenwiese geben, die Jürgen W. Möllemann gewidmet ist. Kein Schild
       erinnert hier an den Politiker, friedlich und unschuldig liegt der Flecken
       deutscher Erde da im Sonnenlicht. Nur für den, der mit einer Cessna
       darüberfliegt und hinuntersieht, bilden sich zwei Ziffern im Gras: 1 und 8.
       
       Wer der treue Gärtner ist, der sich hier sorgt, dass ein eifriger
       Querdenker samt seinem Projekt nicht völlig vergessen wird, wissen wir
       nicht. Vielleicht weiß es Gustl Lang.
       
       17 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Wirner
       
       ## TAGS
       
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   DIR Politiker
   DIR Theresa May
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