# taz.de -- Krise in der Ukraine: „Rechter Sektor“ im Aufstand
> In Mukatschewo in den Karpaten gab es Tote bei einer Schießerei. Jetzt
> machen die nationalistischen Verbände gegen die Regierung mobil.
IMG Bild: Demonstranten des „Rechten Sektors“ vor einer Polizeisperre am Präsidentensitz in Kiew am Samstag.
In der Ukraine spitzt sich der Machtkampf zwischen der Regierung und dem
rechtsnationalistischen „Rechten Sektor“ zu. Nach Auseinandersetzungen in
der 100.000 Einwohner zählenden Stadt Mukatschewo in den Karpaten unweit
der ungarischen Grenze droht die Lage damit in der bisher ruhigen
Westukraine außer Kontrolle zu geraten.
Am Samstag kamen nach amtlichen Angaben der Staatsanwaltschaft bei einer
Schießerei in Mukatschewo drei Menschen ums Leben, elf weitere wurden
verletzt. Schwerbewaffnet hätten sich am Samstag 20 Männer ides „Rechten
Sektors“ in einem Café mit einer anderen Gruppe getroffen, um die
Aufteilung ihrer Interessensgebiete zu besprechen, zitiert die Tageszeitung
Segodnja die Staatsanwaltschaft. Die Kämpfer des „Rechten Sektors“ hätten
auf ihre Gesprächspartner geschossen.
Als dann die Polizei das Café einkesselte, eröffneten sie auch auf sie das
Feuer und sollen dabei auch Panzerfäuste, Maschinengewehre und Granaten
eingesetzt haben. Anschließend habe sich die Gruppe in einer
Datschensiedlung vor der Stadt verschanzt. Die Generalstaatsanwaltschaft
ermittelt nun wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Beim „Rechten Sektor“ widerspricht man. Man sei dabei gewesen, eine Bande,
die im Grenzgebiet zum EU-Mitglied Ungarn einen großangelegten Schmuggel
mit Zigaretten organisiere, unschädlich zu machen. Außerdem, so der Chef
des „Rechten Sektors“ der Karpaten, Alexander Skitschko, habe die Polizei
zuerst geschossen.
## Ungarn könnte Truppen schicken
Der Konflikt in Mukatschewo droht nun zu eskalieren. Die eingekesselten
Kämpfer des „Rechten Sektors“ denken nicht daran, ihre Waffen
niederzulegen. In den Karpaten mobilisiert der „Rechte Sektor“ seine
Mitglieder, den bedrängten Kameraden zur Hilfe zu eilen.
Der ukrainische Inlandsgeheimdiens organisiert Verstärkung für die
Sicherheiskräfte in Mukatschewo . Gleichzeitig wurde mit der Evakuierung
der Bevölkerung der Karpaten-Stadt begonnen. Gegenüber der ukrainischen
Tageszeitung „Vesti“ äußert eine Bewohnerin von Mukatschewo die
Befürchtung, bei einer weiteren Eskalation könnte Ungarn Truppen in die
Karpaten zum angeblichen Schutz der ungarischen Minderheit entsenden - zehn
Prozent der Bevölkerung von Mukatschewo sind ethnische Ungarn.
## Proteste in Kiew
In Kiew gingen Angehörige des „Rechten Sektors“ am Sonntag vor dem Amtssitz
von Präsident Poroschenko in Kiew auf die Straße, forderten ein Ende der
„Verfolgung von Patrioten“ und forderten den Rücktritt von Innenminister
Awakow. Der Präsident Poroschenko will mit aller Härte gegen sie vorgehen.
Sergej Leschenko, Abgeordneter des „Blockes von Petro Poroschenko“, sieht
nach den Vorfällen von Mukatschewo die lange ersehnte Visafreiheit mit der
EU wieder in weiter Ferne. Was in den Karpaten geschehe, so der
Abgeordnete, erinnere ihn eher an Kolumbien als an Europa.
Der Konflikt von Mukatschewo zeigt, wie angespannt inzwischen das
Verhältnis zwischen den nationalistischen Freiwilligen und der
Staatsführung ist. Ende vergangener Woche hatten sich Vertreter mehrerer
rechtsradikaler Freiwilligenverbände in der ostukrainischen Hafenstadt
Mariupol offen gegen die Regierung gestellt. Wenn diese eine
Demilitarisierung in der Ostukraine plane, werde man den Befehl verweigern,
so die Freiwilligenkämpfer. Keinen Zentimeter ukrainischen Bodens wolle man
dem Feind überlassen.
## Ermittlungen laufen
Die ukrainische Regierung würde die Freiwilligen am liebsten loswerden,
kann aber angesichts der geringen Bereitschaft von Wehrpflichtigen, ihrer
Einberufung in die Regierungsarmee Folge zu leisten, auf sie an der Front
gegen die prorussischen Separatisten im Osten nicht verzichten.
Seit Anfang Mai sind die Freiwilligenverbände formell in die militärischen
Strukturen integriert, um sie unter Kontrolle zu bringen. Seit Juni laufen
Ermittlungen gegen Angehörige der Freiwilligeneinheit „Tornado“ wegen
Folter an Kriegsgefangenen. Am Donnerstag leitete die
Militärstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen Tornado-Kommandeur wegen
Pädophilie ein.
Im Gegenzug versuchen die rechten Kräfte, sich zu konsolidieren. Anfang
Juli meldete der „Rechte Sektor“ die Gründung von drei weiteren
Bataillonen. Mit ihrer Ablehnung jeglichen Kompromisses gegenüber den
Separatisten haben die Freiwilligenverbände einen Nerv getroffen.
13 Jul 2015
## AUTOREN
DIR Bernhard Clasen
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