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       # taz.de -- Umweltgifte auf Spielplätzen: Altlasten im Spiel
       
       > Der Spielplatz am Stuttgarter Platz überschreitet die Richtwerte für
       > krebserregende Schadstoffe. Der Bezirk will nun handeln.
       
   IMG Bild: Spielen im Sand: nicht auf allen Berliner Spielplätzen empfehlenswert
       
       Blätter, Steinchen, Erde: In einem gewissen Alter essen Kleinkinder alles,
       was ihnen in die Fingerchen kommt. Auf dem Spielplatz am Stuttgarter Platz
       in Charlottenburg macht der Dreck nun allerdings nicht nur harmlose
       Bauchschmerzen – sondern ist auch potenziell krebserregend.
       
       Laut einer Stichprobenanalyse im Auftrag der Grünen weist die obere
       Bodenschicht auf dem Gelände eine erhöhte Belastung mit krebserregenden
       Kohlenwasserstoffen, kurz: EPA-PAK, auf. Diese Umweltschadstoffe entstehen
       etwa bei der Verbrennung von Heizöl oder Kraftstoff, auch in Teeröl sind
       sie enthalten. Der Spielplatz am Stuttgarter Platz liegt auf einem früheren
       Tankstellengelände.
       
       Silke Gebel, umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, hatte die
       Bodenanalyse Anfang Juli in Auftrag gegeben. Neben dem Charlottenburger
       Spielplatz wurde auch der Spielplatz am Weinbergspark in Mitte untersucht –
       dort wird der Richtwert von einem Milligramm EPA-PAK pro Kilogramm Boden
       eingehalten. Am Stuttgarter Platz hingegen, so die Laborergebnisse vom
       Wochenende, ist der Wert um 15 Prozent erhöht.
       
       „Das bestätigt unsere Forderung, dass es höchste Zeit wird, Berlins
       Spielplätze mal wieder genauer anzuschauen“, sagte Umweltexpertin Gebel am
       Sonntag der taz. Das letzte Mal wurden Berlins Spielplätze in den 1990er
       Jahren umfassend auf Schadstoffe untersucht.
       
       ## Veraltete Datenlage
       
       Genug zu tun gäbe es: Auf mindestens 40 Berliner Spielplätzen buddeln
       Kinder auf problematischer Grundlage – auf ehemaligen Tankstellen wie am
       Stuttgarter Platz, auf alten Trümmerschuttbergen oder aufgegebenen
       Industriestandorten. Das hatte eine Anfrage der Grünen an den Senat
       ergeben. Da nicht alle Bezirke Daten rückmeldeten, dürften es aber noch
       mehr als die erfassten Standorte sein.
       
       Die Antworten von Senatsseite machten indes auch deutlich: Trotz
       lückenhafter und veralteter Datenlage sieht man keinerlei Handlungsbedarf.
       Eine regelmäßige Untersuchung der Spielplätze finde „aufgrund fehlender
       Verdachtsgründe“ nicht statt. „Mögliche Gefährdungen für Kinder und
       Jugendliche“, schreibt das Amt für Stadtentwicklung und Umwelt, seien
       „ausgeschlossen“.
       
       Nun hat die Feldforschung der Grünen allerdings einen konkreten
       Verdachtsgrund geliefert. „Selbstverständlich müssen wir dem jetzt
       unverzüglich nachgehen“, so der zuständige Charlottenburger Bezirksstadtrat
       Marc Schulte (SPD) am Sonntag. „Wir werden die Ergebnisse in dieser Woche
       mit den Experten im Umweltamt diskutieren und auch selbst nochmal
       nachmessen.“ Man sei „nicht fahrlässig“, so Schulte.
       
       Grund zur Panikmache sieht Schulte aber nicht – zum einen, weil nicht
       direkt der Sandkastenbereich für die Kleinkinder betroffen sei, sondern die
       Rasenfläche nebenan. Auch müsse man nun erst mal abklären: „Sind es
       Altlasten im Boden oder ist der Straßenverkehr Schuld?“ PAK-Verbindungen
       sind auch in Autoabgasen enthalten.
       
       ## Gefahr fürs Grundwasser
       
       „Selbst wenn die Luftverschmutzung der Grund für die Bodenverunreinigung
       sein sollte: Das zeigt nur, wie dringend wir regelmäßige Untersuchungen
       brauchen“, sagt Umweltexpertin Gebel dazu. Die Stadt wachse bekanntlich in
       den nächsten Jahren beträchtlich – und mit ihr auch das Verkehrsaufkommen.
       
       Bezirksstadtrat Schulte sieht noch eine andere Gefahr, wenn man die
       Altlastenflächen sich selbst überlässt. „Verunreinigte Schichten sinken
       tiefer. Das wird über kurz oder lang auch ein Problem für das Berliner
       Grundwasser sein.“ Auch Schulte sagt deshalb: „Berlin braucht in den
       nächsten fünf Jahren dringend ein neues Bodenkataster.“
       
       19 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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