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       # taz.de -- Das Cannabis-Geschäft brummt: Green New Deal
       
       > Seit der Legalisierung in Colorado verdient die US-Hanfbranche
       > Milliarden. Zubehör-Anbieter leiden unter der Konkurrenz aus China.
       
   IMG Bild: Chico Benjamin Suarez kontrolliert seine in Denver, Colorado, legal angebauten Hanfpflanzen.
       
       New York taz | In Colorado hat der Kapitalismus übernommen. 18 Monate nach
       der weltweit ersten Legalisierung von Cannabis für alle brummt das
       Geschäft: Der Kundenkreis wächst, der Umsatz steigt, das Sortiment wird
       größer, und immer neue UnternehmerInnen eröffnen Treibhäuser,
       „Dispensaries“, Werkstätten und Labors.
       
       Der Bundesstaat verdient mit. Nach Steuereinnahmen von 76 Millionen Dollar
       im ersten Jahr erwartet Colorado in diesem Jahr ein Vielfaches. Aber
       inmitten der Euphorie des Green Rush sind die Blasen und Träume von einigen
       frühen Pionieren von „Legalize it“ schon fast geplatzt.
       
       Allen Heath alias „Turtle“ ging davon aus, dass er sich beruflich keine
       Sorgen mehr machen müsste, als „Amendment 64“ in Kraft trat. Der Zusatz zur
       Verfassung des Bundesstaates erlaubt Personen über 21 Jahren den Besitz von
       einer Unze (28,3 Gramm) Cannabis. „Turtle“, von Beruf Glasbläser, war
       mehrere Jahre zuvor aus Kansas nach Colorado umgesiedelt, weil er von
       Anfang dabei sein wollte.
       
       Im Referendum von 2012 stimmte er für die Legalisierung. Seit 1. Januar
       2014 verkauft er seine geblasenen Wasserpfeifen – hauptsächlich „Bongs“ –
       die er zuvor landesweit in Rauchläden als „Tabakzubehör“ verkaufte oder
       durch private Kanäle, erstmals offen als Kifferwerkzeug.
       
       Die Wandlung von Cannabis von „dirty“ zu „fancy“ – von verpönt zu schick –
       ging rasant. Doch das Leben von „Turtle“ und seiner Glasbläserei „Cocksmith
       Glass“ komplizierte sich unerwartet. Die Preise für seine „Bongs“ fielen in
       den Keller. Nach 26 Jahren im Glasgeschäft muss „Turtle“ sie heute bis zu
       40 Prozent billiger verkaufen als vor 18 Monaten. Für seine bunten und
       stark dekorierten Glaspfeifen bekommt er jetzt allenfalls noch 150 Dollar.
       
       ## Steigende Nachfrage
       
       Die Nachfrage nach Rauchgeräten in Colorado hat sich in den vergangenen
       Monaten vervielfacht. Aber zugleich ist das Angebot in die Höhe geschnellt.
       „Glasblasen“, sagt „Turtle“, „war ein Geheimnis und ein aussterbendes
       Handwerk. Aber in den zurückliegenden Monaten ist es populär geworden.“ Die
       neuen Glasbläser sitzen nicht nur in Colorado, wo die Legalisierung
       Tausende Zuwanderer angelockt hat, sondern auch in China, das den
       Wasserpfeifenmarkt mit Billigkopien überschwemmt.
       
       Neben den Gebrauchsgeräteglasbläsern sind zunehmend Glaskünstler mit großen
       Namen im Geschäft. Ihre Einzelstücke kosten in den Glasgalerien von Denver
       zwischen 2.000 und mehreren Zehntausend Dollar. Zwischen dem Importramsch
       und den exklusiven Sammlerstücken bleibt kaum Platz für Leute wie „Turtle“.
       
       ## Cannabis-Priese gehen in den Keller
       
       Der Preisverfall trifft nicht nur Glasprodukte. Auch anderes Zubehör für
       das Cannabisgeschäft ist billig geworden. Darunter die
       Spezialbeleuchtungen, die zum Anbau von Cannabis in geschlossenen Räumen
       nötig sind. Gesunken sind auch die Preise für Schokoriegel, Gummibärchen
       und fertig gedrehte Joints. Und es trifft auch das Kernprodukt der Branche.
       
       Die Cannabispreise in Colorado sind in den letzten 18 Monaten um 40 Prozent
       gesunken. Nach extrem hohen Einstiegspreisen der ersten Wochen und Monate,
       als das legale Gras in den Dispensaries von Colorado teurer war als das auf
       dem Schwarzmarkt in den Nachbarstaaten, haben sich die Preise für
       Spitzenqualität bei 300 Dollar pro Unze (28 Gramm) eingependelt. Und das
       anfänglich knappe Angebot von legal angebautem Cannabis hat sich
       vervielfacht.
       
       Die Wachstumserwartungen der Branche insgesamt werden durch den
       Preisverfall nicht gedämpft. Investmentberater betrachten Cannabis als das
       Geschäft mit den zurzeit größten Wachstumsraten. Von 1,5 Milliarden Dollar
       im Jahr 2013 (als nur medizinisches Marihuan nur in einigen Bundesstaaten
       legal war) ist der Verkaufswert für legales Marihuana im Jahr 2014 bereits
       auf 2 Milliarden Dollar gestiegen.
       
       Für das Jahr 2018 erwarten die Investmentberater der auf die
       Cannabisbranche spezialisierten New Yorker Investmentberater Viridian ein
       Verkaufsvolumen von 10 Milliarden Dollar. In ihr Kalkül fließt ein, dass
       sie in absehbarer Zeit die Legalisierung von Cannabis für alle in immer
       mehr Bundesstaaten erwarten.
       
       ## Sinkende Einnahmen
       
       „Turtle“, heute 45, ist seit 26 Jahren Glasbläser. Rückblickend sagt er
       bedauernd: „Wenn ich besser vorbereitet gewesen wäre, hätte ich Anfang 2014
       in Denver ein Glasgeschäft eröffnet.“ Stattdessen schaut er zu, wie seine
       Einnahmen sinken und überlegt sich „jeden Tag“, ob er aufgeben soll. Weil
       er mit „Bongs“ wenig einnimmt, stützt er sich verstärkt auf seine andere
       Spezialität: ebenso bunte Sexspielzeuge aus Glas.
       
       In seinem Geschäft „Secret Stashh“ mach Paul Gunter eine ganz andere
       Erfahrung. Der 32-jährige ehemalige Autohändler aus Florida verkauft seit
       Mai vergangenen Jahres in Denver Pfeifen – von Shishas bis zu Vaporizern.
       
       Besonders gut läuft sein Geschäft mit „Rigs“, die mit hoch konzentriertem
       Öl statt mit Gras funktionieren. Allerdings sind auch bei Gunter die
       meisten Kunden knapp bei Kasse und kaufen eher die importierten
       „Generika“-Versionen für 100 Dollar aus China als die in Colorado
       hergestellten Originalversionen zu bis zu 900 Dollar.
       
       In seinem Sortiment hat er auch einige Pfeifen von lokalen Künstlern, die
       er für Tausende Dollar verkauft. Der Händler sagt über seine Künstler: „Sie
       machen mehr Geld als je zuvor.“
       
       22 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dorothea Hahn
       
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