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       # taz.de -- Die Wahrheit: Keine neuen Helden
       
       > Die Reste der Trümmertruppe „Bärgida“ ziehen allmontaglich durch die
       > Hauptstadt. Ein Bericht aus dem Berliner Bodensatz.
       
   IMG Bild: Alle Bärgadisten dürfen sich nach der Demonstration auf Freibier freuen
       
       Von der breiten Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, finden auch in Berlin nach
       wie vor wöchentliche Demonstrationen des lokalen Pegida-Ablegers mit dem
       sinnfreien Akronym „Bärgida“ statt – wobei die fehlende öffentliche
       Wahrnehmung den Teilnehmerinnen und Teilnehmern nicht unbedingt zum Schaden
       gereichen dürfte.
       
       Denn was sich dort allmontäglich auf dem Moabiter Vorplatz des Berliner
       Hauptbahnhofs versammelt, ist eine Trümmertruppe sondergleichen: eine
       handvoll alkoholgeschädigter Hooligans, ein paar ihrer Schrankwandwelt
       entkommene biedere alte Paare, dazu die übliche Melange aus Reichsbürgern,
       Verschwörungsgläubigen und sonstigen Irren, wie man sie auch auf den
       friedensbewegten Montagsmahnwachen findet. Kurz: Es ist das letzte Aufgebot
       des Patriotismus, das sich hier Montag für Montag ein Stelldichein gibt.
       
       Besonders eindrucksvoll war dies zu erleben, als man kürzlich beschloss,
       anstelle einer Demonstration eine Kundgebung mit offenem Mikrofon
       abzuhalten, sodass all der Irrsinn, der sich sonst heimlich, still und
       leise im Hohlraum zwischen den Ohren bewegt, von den Teilnehmern öffentlich
       kundgetan werden durfte.
       
       Zunächst eröffnete Organisator Karl Schmitt die Veranstaltung mit dem
       längst bekannten Hinweis, dass die antifaschistischen Gegendemonstranten
       hinter den polizeilichen Absperrgittern mit 25 Euro pro Stunde vom
       deutschen Staat entlohnt würden; dies habe ihm eine Bekannte bestätigt, die
       jemanden in der autonomen Szene kenne (womöglich war es aber auch nur die
       Bekannte einer Bekannten, die jemanden kannte, der wiederum jemanden kennt,
       in jedem Fall schien die Aussage so gut wie verifiziert) – um direkt danach
       die eigenen Teilnehmer zu Freibier einzuladen, das man von Spendengeldern
       gekauft habe. Natürlich nicht, um sich zu besaufen, wie der Redner
       erklärte, denn dies sei schließlich – Zitat: „nicht der Hauptgrund unseres
       Zusammentreffens“.
       
       Es folgte die Spontan-Ansprache einer Christin, die ihre Rede mit den
       Worten „Lasst uns beten“ begann, sowie die leicht ins Hysterische kippende
       und mit „Mohammed muss weg!“-Sprechchören bejubelte Koran-Exegese eines
       Hobby-Theologen, bevor sich ein Vertreter des – tatsächlich – „Bündnis
       deutscher Hooligans“ an alle „Patrioten, Hooligans, Rocker oder
       Normalbürger“ richtete: „Es ist egal, ob du Deutscher, ob du dick oder
       dünn, ob du alt, behindert oder sonst was bist: Komm mit uns zusammen auf
       die Straße, wenn du Deutschland liebst und etwas veränderst möchtest.“
       Womit er die Bärgida-Zielgruppe ziemlich akkurat umrissen hatte – nur
       muslimisch, empathisch oder allzu intelligent sollte man eben nicht sein.
       
       ## Erholsames Deutschlandlied
       
       Auf dem Podium neben dem Sportsfreund versammelte sich ein Dutzend seiner
       angetrunkenen Kameraden als Chor, die die Rede immer wieder mit
       rhythmischen „Ahu!“-Rufen unterbrachen – dem affenartigen Schlachtruf der
       Hooligans aus dem Sandalenschinken „300“.
       
       Last but not least erklomm schließlich Heribert Eisenhardt,
       Vorstandsmitglied der Lichtenberger AfD, die Bühne, der statt einer Rede
       seine Gitarre mitgebracht hatte, um dem geistig entrückten Publikum eine
       deutsche Interpretation von Tina Turners Klassiker „We don’t need another
       hero“ darzubringen. Leider konnte er weder Gitarre spielen noch singen,
       sodass die abschließend gemeinschaftlich intonierten drei Strophen des
       Deutschlandlieds geradezu erholsam wirkten.
       
       Und so geht von den wöchentlichen Berliner Bärgida-Kundgebungen vor allem
       eine entscheidende Botschaft aus: Wenn dies die Rettung des Abendlandes
       sein soll, dann brauchen wir uns um den Untergang Deutschlands keine Sorgen
       zu machen. Darauf ein Freibier, bitte!
       
       21 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Philip Meinhold
       
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