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       # taz.de -- Modellprojekt in Schwierigkeiten: Kein Geld für den Möckernkiez
       
       > Die Kreuzberger Genossenschaft findet auch beim erneuten Anlauf keine
       > Bank, die das Bauvorhaben finanziert. Jetzt werden Alternativen
       > diskutiert.
       
   IMG Bild: Beim Möckernkiez fehlt ganz schön viel davon: Die Gesamtkosten werden auf 120 Millionen Euro geschätzt.
       
       Schlechte Nachrichten vom Möckernkiez: Trotz eines neu eingesetzten
       Vorstands, trotz einer veränderten Strategie findet die Genossenschaft
       keine Geldgeber für ihr Projekt am Gleisdreieckpark. „Aufgrund der
       Bankenrückmeldungen müssen wir feststellen, dass der von uns bisher
       verfolgte Plan einer klassischen Fremdfinanzierung unter den bekannten
       Prämissen nicht aufgehen wird“, heißt es in einem Schreiben des Vorstands
       vom vergangenen Freitag. Das Ende des Modellprojekts bedeutet das noch
       nicht: Der Vorstand zeigt in dem Brief verschiedene Optionen auf, wie der
       Möckernkiez doch noch zu Geld kommen soll. Klar ist dabei vor allem: Für
       die Mitglieder wird es teurer.
       
       Der Möckernkiez an der Grenze zwischen Kreuzberg und Schöneberg war als
       Gegenmodell geplant: Statt privaten Investoren das Bauen zu überlassen,
       gründeten Engagierte 2007 eine Initiative und später eine Genossenschaft.
       Sie legten Geld zusammen und kauften das drei Hektar große Grundstück an
       der Yorckstraße. Dort soll eine „gemeinschaftliche und Generationen
       verbindende Wohnanlage, die ökologisch, nachhaltig und barrierefrei ist“,
       entstehen. Es wäre die Verwirklichung einer Utopie: ein autofreies
       Ökoviertel mit 464 Wohnungen mitten in der Innenstadt.
       
       Die Genossenschaft begann mit dem Bau aus eigenen Mitteln – obwohl noch
       kein Kreditvertrag abgeschlossen war. Die Banken sprangen ab. Weil das Geld
       auszugehen drohte, musste die Baustelle im vergangenen Herbst stillgelegt
       werden.
       
       Seitdem gab es einen kompletten Wechsel in der Leitung der Genossenschaft.
       An der Spitze des Aufsichtsrats steht inzwischen einer, der sich mit Zahlen
       auskennen sollte: Werner Landwehr ist auch der Chef der Berliner
       GLS-Bank-Niederlassung. Im März wurde auch der alte Vorstand abgesetzt, die
       Geschäfte führen nun ein Immobilienfachmann und eine Projektmanagerin.
       
       Statt wie ursprünglich mit 80 Millionen Euro rechnet der neue Vorstand
       inzwischen mit 120 Millionen Euro Gesamtkosten. Um dafür einen Kredit zu
       bekommen, ging die Genossenschaft auf die Banken zu: Der Aufsichtsrat wurde
       mit mehr Kontrollrechten ausgestattet. Die Leitung der Baustelle soll einem
       Generalunternehmer übertragen und so die Planungssicherheit erhöht werden.
       Ein „erfahrener Finanzierungsberater“ machte sich auf die Suche nach
       Geldgebern – bislang ohne Erfolg.
       
       In dem aktuellen Schreiben spielt der Vorstand nun verschiedene Szenarien
       durch. Bislang musste jedes Mitglied, das eine Wohnung im Möckernkiez
       beziehen will, 920 Euro pro Quadratmeter an Eigenkapital einzahlen. Um die
       Lücke in der Finanzierung zu schließen, müsste man diesen Wert um 420 Euro
       hoch setzen, heißt es. Das lehnt der Vorstand aber ab. Viele Mitglieder
       seien „inzwischen an ihre finanzielle Belastungsgrenze gestoßen“, heißt es.
       
       Für vertretbar hält er dagegen eine Erhöhung der Miete. Bislang rechneten
       die Mitglieder je nach Lage ihrer Wohnung mit einer Kaltmiete zwischen 7
       und 11 Euro pro Quadratmeter. Die könnte man um einen Euro erhöhen und so
       den Beleihungswert des Projektes verbessern, schreibt der Vorstand. Als
       weitere Möglichkeit bringt er Darlehen ins Spiel, die die Mitglieder und
       andere Interessierte der Genossenschaft geben könnten.
       
       Radikalere Einschnitte diskutiert der Vorstand in seinem Schreiben
       ebenfalls – vom Verkauf des Projekts, beispielsweise an eine städtische
       Wohnungsbaugesellschaft, bis hin zur teilweisen Umwandlung in
       Eigentumswohnungen. Das würde allerdings „die Philosophie des Möckernkiez
       mehr oder weniger verändern“, heißt es.
       
       Auch der „Liquidation der Genossenschaft“ ist ein Abschnitt gewidmet. Dabei
       müsste das Grundstück sowie Planung und Rohbauten verkauft und die Schulden
       beglichen werden. Was übrig bliebe, würde an die Genossen ausgezahlt – sie
       müssten sicherlich mit deutlichen Verlusten rechnen und stünden am Ende des
       jahrelangen Prozesses zudem ohne Wohnung da.
       
       Das Resümee des Vorstands: „Eine erfolgreiche Vollendung des
       Modellvorhabens wird ohne weitere Belastungen für alle Beteiligten nicht
       möglich sein.“ Auf einer Mitgliederversammlung am 11. August sollen nun die
       nächsten Schritte beschlossen werden.
       
       Die Mieterhöhung halte er für die beste Option, sagte am Montag ein junger
       Mann, der seit langem bei dem Projekt mitmacht. Selbst den
       Genossenschaftsgedanken wäre er persönlich inzwischen bereit zu opfern.
       „Hauptsache, es wird gebaut und wir kommen mit einem blauen Auge davon.“
       Wenn die Miete am Ende zu teuer sei, könne man immer noch ausziehen und
       bekäme zumindest sein Geld zurück. „Was nutzt mir das tollste Bauprojekt,
       wenn es nicht realisiert wird und wir alle Ersparnisse in den Sand gesetzt
       haben?“ Seine bittere Lehre aus dem Prozess: „Gut gemeint ist noch lange
       nicht gut gemacht.“
       
       20 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Antje Lang-Lendorff
       
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