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       # taz.de -- Jarina Kajafa über das Aus des deutschen Ukrainistik-Lehrstuhls: Deutschland braucht Expertise
       
       Seit einem Jahr tobt mitten in Europa ein Krieg. Jeden Tag sterben in der
       Ukraine Menschen. Auch die Sprachlosigkeit des Westens ist dafür
       verantwortlich. Dabei ist die deutsche Expertise heute nötiger denn je.
       Dass gerade zu diesem Zeitpunkt der landesweit einzige Lehrstuhl für
       Ukrainistik vor dem Aus steht, ist ein Skandal!
       
       Und es ist paradox. Kaum einen anderen Staat unterstützt Deutschland so
       sehr wie die Ukraine. Bei der internationalen Anerkennung des Staates
       zwischen 1989 und 1991 war Deutschland Vorreiter und ist nach wie vor einer
       der wichtigsten Geldgeber. Die Aktivitäten der deutschen Botschaft, des
       Goethe-Instituts, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, kommunaler,
       kirchlicher und wissenschaftlicher deutscher Organisationen vor Ort sind
       unzählig. Trotzdem bleibt die Ukraine — auch nach den blutigen Ereignissen
       der letzten anderthalb Jahre — für die meisten Deutschen ein großer weißer
       Fleck. Es fehlt schlicht an Wissen. Ausgenommen sind einige wenige
       Ukraine-Fachleute, die auf spezialisierten Tagungen unter sich bleiben.
       Obwohl Ukrainisch 37 Millionen Sprecher zählt, bleibt die Ukrainistik
       hierzulande ein Exotikum. Wie ist diese an Ignoranz grenzende
       Gleichgültigkeit gegenüber der Ukraine in der Wahrnehmung der deutschen
       Öffentlichkeit zu erklären?
       
       Das hat historische Gründe. Lange Zeit war die Ukraine auf der mentalen
       Karte Europas nicht existent. Alles, was östlich der Oder lag, gehörte in
       der Wahrnehmung der Deutschen zu Russland. Auch heute noch, nach 24 Jahren
       Unabhängigkeit und zwei Majdan-Revolutionen, wird die
       Ukraine-Berichterstattung oft von Moskauer oder Warschauer Korrespondenten
       geliefert und die Talkshows kommen ohne Ukraine-Experten aus.
       
       Wir wissen nicht, wie lange dieser Krieg andauert. Wir wissen nicht,
       welchen Weg die Ukraine geht. Aber wir können mit Gewissheit sagen, was wir
       brauchen: klare Worte, wissenschaftliche Analyse, fachliche Kompetenz.
       
       Inland
       
       24 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jarina Kajafa
       
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