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       # taz.de -- Dokudrama über Franz Josef Srauß: Heimatabend mit anderen Mitteln
       
       > „Der Primus – Franz Josef Strauß“ strickt abgrundtief höflich säuselnd an
       > einem Mythos. Ihm fehlt komplett die objektive Distanz.
       
   IMG Bild: Der Mythos und seine Frau.
       
       Als Rezensent ist man gut beraten, beim Betrachten eines Films den Stift in
       der Hand zu halten. Damit kann man Sätze notieren, Szenen, Dialoge. Beim
       Film „Der Primus – Franz Josef Strauß“ vom Bayerischen Rundfunk sollte man
       das nicht tun, man verletzt sich sonst, weil man sich ständig gegen den
       Kopf schlägt. Es scheint, als habe der BR mit dem Bayernkurier fusioniert,
       eine Art Heimatabend mit anderen Mitteln ist dabei herausgekommen – ein so
       abgrundtief höflich säuselnder Streifen, dass vielleicht sogar dem
       Altsprachler Franz Josef Strauß bei dieser Hagiografie ein wenig schummrig
       zumute würde.
       
       Vielleicht aber braucht es das in Zeiten, da die CSU zumindest außerhalb
       von Bayern als lächerlicher Haufen dasteht: Die Herdprämie scheiterte am
       Grundgesetz, die „Ausländermaut“ scheitert am europäischen Gedanken, am
       Modegeschmack des dazugehörigen Bundesministers Dobrindt scheitert der
       Versuch, ihn ernst zu nehmen. Allein die Bierzelthoheit des „größten
       politischen Irrlichtes“ (FAS), Horst Seehofers, das besinnungslose
       Eindreschen auf die „Zuwanderung in die Sozialsysteme“ funktioniert – auch
       wenn der Bayerische Rechnungshof statistisch derlei gar nicht feststellen
       kann.
       
       Und damit wären wir bei Franz Josef Strauß, Metzgersohn, dann Oberleutnant
       und Referent für NS-Ideologie, zeitgenössisch „Offizier für wehrgeistige
       Führung“. In derlei Feinheiten aber begibt sich „Der Primus“ nicht,
       überhaupt erfahren wir nichts davon, wie Strauß in den NS hinein-, recht
       viel aber, wie er wieder hinauskam: Als Widerständler und Samariter in
       Uniform. „1945 war der Albtraum vorbei, auch für Franz Josef Strauß“, barmt
       die Erzählerstimme. Wirklich.
       
       Regisseurin Erica von Moeller und der Drehbuchautor, Strauß-Biograf Werner
       Biermann, stricken an einem Mythos. Von Moeller lässt ihn mit dem gar nicht
       ironisch gemeinten Satz „Millionär werden, se sunny side of se striet“
       durch die Entnazifizierung rutschen und sanft auf dem Assistentenstuhl des
       Landrats landen. Man brauchte einen, der Englisch sprach. Von hier ist der
       Aufstieg unaufhaltsam. Gegen die Erzählung des Films könnte man Straußens
       Karriere im Aufbau-Deutschland salopp so zusammenfassen: Was macht in
       Bayern ein Schwarzmarktkrimineller mit handfester NS-Vergangenheit?
       Richtig, er geht zur CSU.
       
       Dass Strauß sich bald zu einem der „fleißigsten Entnazifizierer“ im
       Schongau aufschwang, wo sowieso Ankläger und Verteidiger im Prozess
       „besonders eng zusammenarbeiteten, wenn Mitglieder der CSU vor der
       Spruchkammer standen“, erfährt man nicht vom BR. Sondern aus den
       Beschwerden eines Spruchkammervorsitzenden. Und über den schönen
       Strauß-Spruch von 1969, nachdem „ein Volk, das diese wirtschaftlichen
       Leistungen erbracht hat,“ auch ein Recht darauf habe, „von Auschwitz nichts
       mehr hören zu wollen“, deckt der BR seinen gütigen Mantel des Schweigens.
       
       Überhaupt Ironie – immer wieder möchte der Erzähler den Landesvater und
       Kanzlerkandidaten als witzig verkaufen. Leider sieht man davon nichts, in
       den denkbar überflüssigen Dokufiction-Teilen gerät dem
       Bierwerbungsdarsteller Bernhard Ulrich der Großredner Strauß zum Hampelmann
       im Fatsuit. Er kann sich kaum bewegen, muss deshalb ständig empört auf die
       Fußspitzen wippen. Ulrich bemüht sich um ein dumpfes Tremolo und spricht
       dabei einen derart schlechten Dialekt, dass man sofort einen Preis für die
       lustigste Persiflage eines Bayern auf das heimische Idiom ausloben möchte.
       Aus allen Poren quillt hervor, wie wenig Distanz Drehbuch und Regie zur
       Strauß-Figur haben und wie wenig analytisches Interesse sie aufbringen.
       
       Nebenbei wollen sie aber schon den alten Gegnern Rücksichtslosigkeit
       beweisen: Spiegel und SPD, Augstein, Brandt und Schmidt – wie konnten sie
       Strauß nur derart missverstehen, einen „Politiker, der scharf analysiert
       und eine klare Meinung vertritt“? Während der Film endet, ohne in seiner
       Harmonie von Nachforschungen zu seltsamen Einkünften und politischen Deals
       gestört zu werden, kann man über eines der wenigen Strauß-Worte nachdenken,
       das vielleicht wahr bleibt: „Von Bayern gehen die meisten politischen
       Dummheiten aus.“
       
       27 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Lennart Laberenz
       
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