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       # taz.de -- Misere der französischen Landwirtschaft: Deutsche Bauern sind unschuldig
       
       > Französische Landwirte machen Billigimporte aus Deutschland für ihre
       > schlechte Lage verantwortlich. Ihr größtes Problem: Dumping auf
       > Schlachthöfen.
       
   IMG Bild: Feuer unter Hollandes Hintern: Französische Bauern blockieren die Rheinbrücke zwischen Kehl und Straßburg.
       
       Gérard Lorber ist einer dieser französischen Bauern, vor denen man sich im
       Agrarministerium in Paris und sogar im Élysée-Palast fürchtet. Als die taz
       den Generalsekretär der Föderation der Bauerngewerkschaften (FDSEA) im zum
       Elsass gehördenden Département Bas-Rhin auf dem Handy erreicht, protestiert
       gerade er mit radikalen Mitteln gegen zu niedrige Agrarpreise: Seine
       Kollegen stoppten am Montag Lastwagen an der Grenze zu Deutschland. Wenn
       diese für Frankreich bestimmte Agrarprodukte geladen hatten, schickten sie
       sie zurück. „Wir wollen unsere Regierung darauf aufmerksam machen, dass
       etwas nicht mehr rund geht“, sagte der Milchbauer wütend.
       
       Die französischen Landwirte leiden Lorber zufolge an im europäischen
       Vergleich zu hohen Arbeitskosten und Umweltauflagen. Deshalb könnten sie
       nicht so günstig produzieren wie etwa die deutschen und verlören den
       Preiskampf gegen die Konkurrenz. Tatsächlich sind nach Regierungsangaben
       20.000 Viehhalter von der Pleite bedroht.
       
       Doch ob das wirklich vor allem an der angeblichen Billigkonkurrenz aus
       Deutschland liegt, ist umstritten. Josian Palach, Mitglied im Vorstand des
       ökologisch orientierten Bauernverbands [1][Confédération paysanne], etwa
       sagte der taz: „Dass die Milchbauern so wenig verdienen, ist nicht die
       Schuld der deutschen Landwirte, sondern der EU-Agrarpolitik.“ Die habe ein
       Überangebot an Milch zugelassen. Allerdings würde neuerdings mehr deutsche
       Ware wegen des russischen Importembargos gegen mehrere EU-Agrarprodukte auf
       den französischen Markt drängen und so die sowieso schon schlechte
       Situation verschlimmern. Auch auf anderen Exportmärkten wie China ist die
       Lage derzeit aus konjunkturellen Gründen schwierig.
       
       Laut Statistischem Bundesamt importiert Deutschland sogar etwas mehr
       Agrargüter und Lebensmittel – zum Beispiel Milchprodukte –, als es nach
       Frankreich exportiert: 5,9 versus 6,3 Milliarden Euro lauteten die Zahlen
       für 2014. Doch es gibt Ausnahmen. So verkauften die Deutschen dreimal so
       viel Schweinefleisch in das Nachbarland, als sie von dort bezogen.
       
       ## Deutsche haben höhere Kosten
       
       Doch das haben nicht die deutschen Bauern zu verantworten. Deren
       Produktionskosten sind je Kilogramm Schlachtgewicht nach einer Untersuchung
       des Expertennetzwerks InterPig aus dem Jahr 2013 höher als die der
       französischen Landwirte. Während hierzulande für ein Kilogramm
       Schlachtgewicht laut Deutschem Bauernverband derzeit 1,40 Euro gezahlt
       wird, sind es in Frankreich der FDSEA zufolge 1,30 Euro.
       
       Dennoch zahlen die Verbraucher für deutsches Schweinefleisch häufig
       weniger. Denn die Schlachthöfe in Deutschland entlohnen einen Großteil
       ihrer Mitarbeiter bedeutend schlechter. Selbst der erst kürzlich
       eingeführte Mindestlohn beträgt nur 8 Euro, in Frankreich 9,61 Euro.
       
       Unter dem Druck der Proteste von Bauernführer Lorber und seinen Kämpfern
       sagte nun sogar Frankreichs Präsident François Hollande zu, das
       Landwirtschaftsministerium werde Druck auf Lebensmittelketten und
       Schlachthöfe ausüben. Die Preise müssten angehoben werden. Außerdem solle
       das Thema Anfang September bei einem Treffen der EU-Agrarminister
       angesprochen werden. (mit dpa)
       
       27 Jul 2015
       
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