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       # taz.de -- Ex-Finanzminister Griechenlands: Der Minister und sein Plan B
       
       > Gianis Varoufakis ist nicht mehr im Amt, doch er steht noch immer im
       > Rampenlicht. Er wollte keinen Grexit, aber die Medien sind gut im
       > Fabulieren.
       
   IMG Bild: Er wollte nie einen Grexit vorantreiben – unterstellt bekommt er es aber gerne.
       
       berlin taz | Wenn die internationalen Gläubiger sich in Athen heute wieder
       zu Kredit-Verhandlungen mit der griechischen Regierung treffen, werden sie
       Gianis Varoufakis wohl nicht begegnen. Seit drei Wochen ist er nur noch ein
       einfacher Abgeordneter.
       
       Ein Medienereignis ist der 54-jährige Wirtschaftswissenschaftler allerdings
       auch nach dem Rücktritt als Finanzminister geblieben. Seine „Radical
       Chic“-Aura lässt deutsche Wochenmagazine um die Wette hetzen, wer schneller
       die große Homestory aus seinem Penthouse mit Blick auf die Akropolis
       bekommt. Gleichzeitig fabulieren Tageszeitungen über einen „Staatsstreich“,
       den Varoufakis angeblich vorbereitet haben soll.
       
       Hintergrund der jüngsten Berichte über den vermeintlichen „Drachmen-Putsch“
       ist eine Telefonkonferenz von Varoufakis mit internationalen
       Hedgefonds-Mitarbeitern am 16. Juli. Die konservative griechische
       Tageszeitung Kathimerini hat einen ihr zugespielten Mitschnitt
       veröffentlicht. In dem Gespräch erläutert Varoufakis, dass ihm der heutige
       Premier Alexis Tsipras vor dem Syriza-Wahlsieg im Januar grünes Licht
       gegeben habe, an einem „Plan B“ zu arbeiten – und zwar für den Fall der
       Fälle, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den griechischen Banken den
       Saft abdreht.
       
       Sein kleines fünfköpfiges Team im Finanzministerium habe an einem
       parallelen Zahlungssystem gefeilt, teilte Varoufakis den Hedgefondsmanagern
       mit. Dafür habe er sich klandestin mittels eines befreundeten
       amerikanischen IT-Professor Zugang zum System der obersten Steuerbehörde
       Griechenlands beschafft, weil die unter der Kontrolle der
       Gläubiger-Institutionen stand. Die Umstellung vom Euro auf die Drachme
       sollte, falls nötig, „über Nacht mit einem Knopfdruck“ erfolgen. Das hätte
       „uns eine Atempause nach der durch die EZB verursachten Bankschließung
       verschafft“.
       
       ## Ausdrücklich kein Grexit
       
       Laut Kathimerini wurde die Konferenz mit dem Wissen von Varoufakis
       mitgeschnitten. Der hat inzwischen die Authentizität bestätigt. Dass er
       einem geheimen Grexit-Plan gearbeitet habe, wies er allerdings vehement
       zurück.
       
       Tatsächlich lässt sich eine solche Interpretation nur schwer
       aufrechterhalten. In dem Gespräch betonte Varoufakis eindringlich, dass die
       Regierung kein Mandat der Bevölkerung gehabt habe, aus dem Euro
       auszutreten. Das sei vielmehr die Linie des deutschen Finanzministers
       Wolfgang Schäuble, der „auf Teufel komm raus“ nach wie vor einen Grexit
       wolle – wegen der disziplinierenden Wirkung auf andere Eurozonen-Staaten
       wie Frankreich. Der Auftrag für die griechische Regierung habe darin
       bestanden, mit der Eurogruppe hartnäckig um eine tragfähige Vereinbarung zu
       ringen.
       
       Auch wenn es jetzt erst Wellen schlägt: Dass Varoufakis einen „Plan B“ in
       der Tasche hatte, ist eigentlich keine Neuigkeit. Bereits im ersten
       Interview nach seinem Rücktritt, das am 13. Juli in der britischen
       Wochenzeitung New Statesman erschien, hatte er das Geheimnis gelüftet – und
       auch verraten, was aus seinen Planspielen geworden ist. Um die Bevölkerung
       auf eine solche Notfallplanung vorzubereiten, „müsste eine Entscheidung der
       Regierungsspitze getroffen werden – und diese wurde nie getroffen“. Denn
       Tsipras und eine Mehrheit des engsten Syriza-Regierungskreises waren
       dagegen: „Von sechs Leuten waren wir eine Minderheit von zwei.“
       
       Für Putschgerüchte geben die Äußerungen von Varoufakis wenig her. Dass sie
       trotzdem mit solcher Vehemenz in den Medien zu lesen sind, liegt an einer
       anderen Begebenheit, mit der Proeuropäer Varoufakis allerdings gar nichts
       zu tun hat: einem Treffen der „Linken Plattform“ von Syriza am 14. Juli.
       
       ## „Wahnsinnige“ entlassen
       
       Einen Tag, nachdem Tsipras mit ernüchterndem Ergebnis von dem Sondergipfel
       der Euro-Staats- und Regierungschefs zurückgekehrt war, traf sich der linke
       Parteiflügel im Drei-Sterne-Hotel Oscar in Athen zur Krisensitzung.
       Angeführt von dem damals noch amtierenden Energieminister Panagiotis
       Lafazanis schworen sich die Versammelten ein, sich dem EU-Diktat nicht
       beugen zu wollen. Jetzt käme nur noch ein „linker“ Grexit infrage, fanden
       sie. Was wenig überraschend ist, denn den propagiert der EU-Gegner
       Lafazanis schon seit Jahren.
       
       Doch Mehrheiten konnte das Mitglied des Zentralkomitees mit seinem Kurs
       innerhalb von Syriza bisher nicht gewinnen. Von den 149 Syriza-Abgeordneten
       werden weniger als 30 der Plattform zugerechnet. Zu den Überlegungen, die
       auf dem Treffen angestellt wurden, soll auch gehört haben, die griechische
       Notenbank unter stattliche Kontrolle zu stellen und deren Gouverneur
       Giannis Stournaras zu verhaften.
       
       Als Tsipras davon erfuhr, soll laut Handelsblatt nur gesagt haben: „Wir
       haben uns mit Wahnsinnigen eingelassen.“ Lafazanis dementiert, dass es
       solche Planspiele gegeben hat. Die Vorwürfe seien eine Mischung aus „Lügen,
       Fantasie, Angstmache, Spekulation und Antikommunismus“. Wenige Tage nach
       dem Treffen der „Linken Plattform“ und nachdem ihre Mitglieder im Parlament
       das erste Reformpaket abgelehnt hatten, wurden Lafazanis & Co. von Tsipras
       ihrer Ämter in der griechischen Regierung enthoben.
       
       27 Jul 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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