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       # taz.de -- Energiewende in Frankreich: Atomland setzt auf Ökostrom
       
       > Frankreichs Gesetz zur Energiewende setzt ehrgeizige Ziele – und kratzt
       > sogar an der Allmacht der Atomkraft in der Stromversorgung.
       
   IMG Bild: Eins von 19 Kraftwerken in Frankreich: das AKW Fessenheim
       
       PARIS dpa | Wer als Tourist mit dem Auto an die französische
       Mittelmeerküste fährt, kommt im Rhône-Tal unweigerlich an den typischen
       Umrissen von Atommeilern vorbei. Mangels großer Kohle- und Ölreserven
       stützte das Land seine Stromversorgung in den 1970er Jahren auf einen der
       größten Atomparks der Welt: 58 Reaktoren in 19 Kraftwerken liefern drei
       Viertel des französischen Stroms. Die Anti-Atom-Bewegung war dort nie so
       stark wie in Deutschland.
       
       Doch nun legt das Land der Branche nach langem Hin und Her Zügel an: Das
       französische Energiewende-Gesetz sieht vor, den Anteil am Strommix auf 50
       Prozent zu senken. Ein Wahlversprechen von Präsident François Hollande –
       und nur ein Punkt im ehrgeizigen Projekt der Energiewende à la française,
       die am Mittwoch nach langem Streit in der Nationalversammlung endgültig zur
       Abstimmung stand.
       
       Es bedeutet in vielerlei Hinsicht eine echte Kehrtwende: Das Land will
       seinen Rückstand bei der Öko-Strom-Produktion aufholen, weniger
       Treibhausgase ausstoßen und insgesamt viel weniger Energie verbrauchen. Auf
       dem Papier liegen Frankreich und Deutschland damit nun auf einer Linie: Es
       sei „frappierend, wie ähnlich sich die Ziele beider Länder beim Thema
       Energiewende sind“, heißt es in einer [1][Analyse des Gesetzentwurfs von
       der Friedrich Ebert Stiftung].
       
       So will Paris wie Berlin bis 2050 nur noch halb so viel Energie verbrauchen
       und knapp ein Drittel des Energiebedarfs aus Wind, Sonne und anderen
       erneuerbaren Quellen decken. Konkret schießt Paris beispielsweise bis zu
       8.000 Euro bei energiesparenden Umbauten zu; wer einen alten Diesel gegen
       ein Elektroauto eintauscht, bekommt 10. 000 Euro vom Staat. Genehmigungen
       für Windanlagen sollen leichter werden, Bürger und Gemeinden können künftig
       Öko-Energie-Projekte finanzieren.
       
       ## Streit um Abschalten der Atommeiler
       
       An anderer Stelle fehlt es dagegen an Details: So legt das Gesetz nicht
       explizit fest, ob Atommeiler abgeschaltet werden müssen – und erst recht
       nicht, welche und wann. Der WWF und andere Umweltorganisationen nannten das
       in einer Analyse „le grand flou“ – „die große Unschärfe“.
       
       Während die grüne Ex-Umweltministerin Cécile Duflot im Herbst noch
       beteuerte, mit der 50-Prozent-Vorgabe müssten um die 20 Reaktoren vom Netz,
       hält Stromerzeuger EDF sich bedeckt. Es gibt auch Vermutungen, dass bei
       wachsender Bevölkerung ein höherer Stromverbrauch zu erwarten sei und der
       Atom-Anteil deshalb automatisch fallen könnte.
       
       Eine klare Grenze enthält das Gesetz allerdings: Die Höchstleistung aller
       französischen Atommeiler wird auf das derzeitige Maß begrenzt. Damit deutet
       sich an, dass wohl zwei Meiler abgeschaltet werden müssen, wenn der neue
       EPR-Reaktor in Flamanville in der Normandie ans Netz geht, dessen
       Fertigstellung sich allerdings schon mehrfach verspätete.
       
       Diese Diskussion dürfte auf deutscher Seite gerade in der Nähe des
       grenznahen Kernkraftwerks Fessenheim aufmerksam verfolgt werden – dessen
       Schließung hatte Hollande im Wahlkampf zugesagt, ist das Versprechen aber
       bislang schuldig geblieben.
       
       Die konservative Opposition befeuerte während des monatelangen Gezerres um
       das Gesetz die Furcht vor höheren Energiepreisen für Haushalte und die
       ohnehin angeschlagene Industrie. Die Atomlobby SFEN warnt auch, ohne ihre
       Kraftwerke sei das geplante Ziel von der Verringerung der Treibhausgase
       (minus 40 Prozent bis 2030) nicht zu erreichen: „Die deutsche Erfahrung
       zeigt, dass eine überstürzte Wende zugleich zu einer Steigerung des
       Strompreises und einer Erhöhung der CO2-Emissionen (plus 2,3 Prozent
       zwischen 2011 und 2013) führen kann.“
       
       Die sozialistische Regierung betonte im Gegenzug immer wieder, dass
       zusätzliche Investitionen in neue Energieträger und die Renovierung alter
       Gebäude auch das Wachstum ankurbelten. Das Gesetz hat für Frankreich auch
       eine große Symbolwirkung: Wenige Monate vor der Weltklimakonferenz in Paris
       will der Gastgeber mit gutem Beispiel vorangehen.
       
       22 Jul 2015
       
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   DIR [1] http://library.fes.de/pdf-files/id/10960.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sebastian Kunigkeit
       
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