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       # taz.de -- Kommentar Türkei und PKK: Erdogans zynisches Kalkül
       
       > Der Präsident nimmt einen Zweifrontenkrieg gegen die PKK und den IS in
       > Kauf. Damit könnte er Neuwahlen erzwingen. Die Opposition muss handeln.
       
   IMG Bild: Erdogan verweigert jede auch nur indirekte Zusammenarbeit mit den Kurden gegen den IS und macht so eine Friedenslösung innerhalb der Türkei nahezu unmöglich.
       
       Mit dem [1][Bombardement auf mehrere Lager der kurdischen PKK-Guerilla] im
       Nordirak hat die türkische Regierung den seit 2013 andauernden prekären
       Waffenstillstand mit den Kurden endgültig beendet.
       
       Wirklich überraschend kam das nicht. Spätestens seit dem Kampf um Kobani im
       letzten Oktober machte vor allem Staatspräsident Tayyip Erdogan klar, dass
       er an einem echten Friedensprozess nicht mehr interessiert ist. Schon
       damals sprach er davon, dass er die PKK mindestens für eine gleich große
       Gefahr hält wie die islamistischen Schlächter des Islamischen Staates (IS).
       De facto war es sogar so, dass Erdogan und sein Regierungschef Ahmet
       Davutoglu den IS lange indirekt unterstützten in der Hoffnung, die
       Islamisten würden die Kurden in Syrien erfolgreich bekämpfen ohne eine
       Gefahr für die Türkei dazustellen.
       
       Das hat sich als schwerer Fehler herausgestellt. Nicht nur der
       [2][Terroranschlag in Suruc] bei dem 32 junge Leute starben, auch die
       zunehmende Dreistigkeit mit der der IS die Türkei als sein Hinterland
       nutzte, haben Erdogan und Davutoglu gezeigt, dass sie auf dem besten Weg
       waren, den Südosten des Landes in eine Zone zu verwandeln, die eher dem
       pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ähnelt als einer türkischen Provinz.
       
       Dem soll nun, auch mithilfe der USA, ein Ende gemacht werden. Die türkische
       Armee soll mit amerikanischer Luftunterstützung die Grenzregion von
       IS-Militanten säubern, sowohl auf der türkischen wie auch auf der syrischen
       Seite.
       
       ## Nirgendwo mehr einen Staat im Staat dulden
       
       Doch um diese 180-Grad-Wende ihren Anhängern verkaufen zu können, lautet
       die neue Formel von Erdogan und Davutoglu, man werde gegen jede bewaffnete
       Formation im Land vorgehen und nirgendwo mehr einen Staat im Staat dulden.
       Nicht in den kurdischen Gebieten der Türkei und nicht entlang der syrischen
       Grenze. Damit die syrischen Kurden der PYD nicht von den Angriffen auf den
       IS profitieren, wird die PKK, der wichtigste Verbündete der PYD, ebenfalls
       angegriffen. Getreu nach Erdogans Motto, die einen seien so schlimm wie die
       anderen. Wie schon im Kampf um Kobani verweigern Erdogan/Davutoglu erneut
       eine auch nur indirekte Zusammenarbeit mit den Kurden gegen den IS und
       machen so eine Friedenslösung innerhalb der Türkei nahezu unmöglich.
       
       Die türkische Übergangsregierung – immerhin hat Davutoglu seit den Wahlen
       vom Juni keine Mehrheit mehr im Parlament – nimmt damit einen
       Zweifrontenkrieg sowohl gegen die PKK wie den IS in Kauf. Man redet sich
       ein, mit Razzien im Land sowohl die Terrorzellen des IS ausheben wie auch
       weitere Racheaktionen der PKK verhindern zu können. Alle Erfahrung spricht
       dagegen, dass das möglich ist. Weitere Terroranschläge in der Türkei werden
       dadurch wahrscheinlicher. Dahinter könnte ein zynisches Kalkül stehen:
       Neuwahlen im Herbst mit dem Ziel, eine Alleinregierung der AKP
       wiederherzustellen.
       
       Davutoglu regiert nur noch als geschäftsführender Ministerpräsident. Er
       hatte 45 Tage Zeit, eine Koalition zu bilden. Diese Frist endet am 23.
       August. Kommt keine Regierung zustande, kann Erdogan als Präsident
       Neuwahlen anordnen. Aus Sicht vieler türkischer Wähler herrscht plötzlich
       Chaos, seit die AKP ihre Mehrheit verloren hat. Diese Atmosphäre soll dafür
       sorgen, dass die AKP bei Neuwahlen im Herbst mit der Parole antreten kann,
       nur eine erneute absolute Mehrheit für Davutoglu und Erdogan könne dieses
       Chaos wieder beseitigen.
       
       Jetzt ist die türkische Opposition, vor allem die kurdisch-linke HDP am
       Zug. Wollen sie nicht untergehen, müssen sie dem Kalkül der Regierung etwas
       entgegensetzen.
       
       25 Jul 2015
       
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