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       # taz.de -- Rekordverdächtige Arbeitsbelastung: Notruf von der Polizei
       
       > Bei der Bremer Polizei häufen sich die Überstunden: 30.000 mehr als im
       > letzten Jahr haben sich laut Gewerkschaft bereits angehäuft.
       
   IMG Bild: Für Überstunden bei der Polizei sorgt vor allem die Bundesligasaison.
       
       BREMEN taz | Die Zahl der Überstunden bei der Bremer Polizei ist auf ein
       Rekordhoch geklettert: Laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) sind in diesem
       Jahr bereits 30.000 Überstunden mehr aufgelaufen als 2014 – und das noch
       vor der arbeitsintensiven Bundesligasaison.
       
       In den Koalitionsverhandlungen hatten sich SPD und Grüne auf eine
       Personalaufstockung der Polizei geeinigt. Was sich gut anhörte, bezeichnete
       Kristina Vogt, Vorsitzende der Linksfraktion, damals freilich als
       „Gegenteil von dem, was objektiv nötig wäre“. Überstunden, Überlastung und
       Personalnot würden mit dem Verhandlungsergebnis „in die nächste Runde
       gehen“. Denn: Bremen hat bereits 2.500 PolizistInnen – aufgestockt werden
       soll auf 2.540.
       
       Jochen Kopelke, Vorsitzender der Bremer GdP, sagt: „De facto bekommen wir
       keinen einzigen Polizisten mehr.“ Lediglich der bereits vorhandene
       Personalstand sei nun gesichert sowie eine Erhöhung der Neueinstellungen:
       „Dafür gehen aber auch mehr Kollegen in Rente und Pension.“
       
       Während im vergangenen Jahr 300.000 Überstunden nicht überschritten worden
       seien, schöbe die Polizei nun „einen Berg von über 330.000 Überstunden vor
       sich her“ – und die Ursachen dafür kann Kopelke genau benennen: „Einsätze
       bei salafistischen Demos, bei Pegida-Demos in Dresden, Leipzig und
       Magdeburg, bei Hogesa in Hannover und beim Bremer Anti-Terror-Einsatz.“
       
       Mehr Polizei sei bei den Fußballspielen eingesetzt worden, „und die dritte
       Liga hat begonnen – direkt mit rechten, gewaltbereiten Fans aus Cottbus“.
       Vor Beginn der Bundesligasaison habe die Polizei normalerweise eine kleine
       Ruhephase, „aber durch den G7-Gipfel ist auch das in diesem Jahr
       weggefallen“, sagt Kopelke.
       
       Seine Prognose für das restliche Jahr: „Der Innensenator wird im September
       beschließen, wie viel Geld wir für die Vergütung von Überstunden bekommen,
       vielleicht wird es damit bis Jahresende bei den 330.000 bleiben.“
       
       Im Schnitt würde das bedeuten, dass jeder Bremer Polizist 130 Überstunden
       ins nächste Jahr „mitnimmt“, konkret verfügen laut GdP rund 400 BeamtInnen
       über mehr als 200 Überstunden, manche bis zu 800 – die abzufeiern, würde
       ein halbes Jahr dauern. An Abfeiern, sagt Kopelke, sei freilich nicht zu
       denken: „Aber die Kollegen brauchen dringend frei, denn die Mehrarbeit geht
       richtig auf die Knochen.“ Betroffen seien auch viele ältere PolizistInnen.
       
       Dabei sollte doch eigentlich alles besser werden, denn seit einem Jahr
       stellt Bremen der Deutschen Fußball-Liga (DFL) die Mehrkosten für
       sogenannte „Risikospiele“ in Rechnung, also jene Bundesligaspiele, bei
       denen Ausschreitungen zu erwarten sind und der Polizei-Einsatz höher als
       bei normalen Partien. Durch die Einnahmen, sagte vor einem Jahr der
       Innensenator, sollten Überstunden der Polizei bezahlt werden.
       
       „Mittlerweile heißt es nur noch, unsere personelle Ausstattung soll
       insgesamt damit finanziert werden. Ich habe sogar schon gehört, dass das
       Geld allgemein in den Haushalt fließen soll“, sagt Kopelke. Außerdem wisse
       niemand, ob die DFL tatsächlich bezahlen wird. Während im Koalitionsvertrag
       der Abbau von Überstunden bei der Feuerwehr festgeschrieben sei, würden die
       Überstunden der Polizei dort nicht erwähnt.
       
       Unterstützung erhält die GdP auch von der CDU-Fraktion. Ihr
       innenpolitischer Sprecher Wilhelm Hinners fordert den Senat auf, das
       Problem anzugehen und als Sofortmaßnahme 300.000 Euro im Jahr 2015 für die
       Abgeltung der Überstunden bereitzustellen.
       
       „Eine Million Euro wären nötig, um die Überstunden wenigstens auf ein
       handzuhabendes Maß herunterzubekommen“, sagt Kopelke. Das Gesamtvolumen
       aller geleisteten Überstunden liege bei rund sechs Millionen Euro.
       
       Der Innensenator zeigt sich verständnisvoll: „Nach der Sommerpause wollen
       wir Lösungen entwickeln, wie wir hoffentlich mehr Überstunden als bisher
       auszahlen können“, heißt es aus der Behörde auf Nachfrage der taz.
       Wichtiger sei es aber, die Entstehung von Überstunden zu vermeiden. Und
       dafür verweist man einfach wieder auf die angebliche Stellenerhöhung: Die
       „beschlossene erhöhte Zielzahl von 2.540 Stellen bei der Polizei“ werde
       „vermutlich mittelfristig zur Entspannung beitragen können“.
       
       5 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schnase
       
       ## TAGS
       
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