# taz.de -- Kommentar Flüchtlinge im Mittelmeer: Der mörderische Weg über Libyen
> Statt Sicherheit und Hilfe: Die Politik der EU setzt auf Abschreckung von
> Flüchtlingen. Auch deswegen sterben so viele im Mittelmeer.
IMG Bild: Geschafft: Blick zurück über das Mittelmeer vom italienischen Ventimiglia aus.
Es ist wieder passiert. Und es wird weiter geschehen. Solange der Weg nach
Europa versperrt bleibt, werden sich Katastrophen mit 230 Toten wie am
Mittwoch vor der libyschen Küste fortsetzen.
Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr sind Hunderte Flüchtlinge ertrunken,
weil ihr Boot während eines Rettungseinsatzes kenterte. Doch anders als
früher oft geschehen, wurden die Migranten in Seenot nicht einfach ihrem
Schicksal überlassen – sie starben aber trotzdem. Die Umstände, unter denen
Flüchtlinge die Überfahrt über das Mittelmeer wagen, bleiben
lebensgefährlich. Auch wenn heute mehr Retter vor Ort sind denn je.
Es sind die Italiener, die unvermindert ihre Bemühungen fortsetzen, obwohl
das Land mit all den geretteten Menschen sich selbst überlassen bleibt.
Denn dass die EU-Staaten kürzlich versprochen haben, Italien irgendwann bis
2017 auf freiwilliger Basis 24.000 Flüchtlinge abzunehmen, ist angesichts
der Lage nur eine dürre, pflichtschuldige Geste.
Öffentlicher Druck und Aufmerksamkeit zwingen zivile Schiffe, Seerettung zu
leisten. Und sie zwangen auch die EU-Staaten, nach jahrelangem Nichtstun im
Mai endlich Schiffe zu schicken. Die vollbesetzten Boote gehen nicht mehr
so unbemerkt unter. Trotzdem ertrinkt heute etwa einer von 50 Menschen, die
versuchen, über das zentrale Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Eine
monströse Todesrate, ein unannehmbarer Zustand – aber im Verhältnis sterben
weniger als letztes Jahr. Das zeigt: Hilfe wirkt. Aber es braucht mehr
davon.
Es wirft aber auch die Frage auf, wie lange die EU noch an ihrer
Libyen-Politik festhalten will. Der Bürgerkrieg und das Erstarken des
„Islamischen Staats“ dort haben nicht ansatzweise so viel Geschäftigkeit
ausgelöst wie die Aktivitäten der Schlepper. Ihnen soll militärisch zu
Leibe gerückt werden, das war die Antwort der EU auf die
Schiffskatastrophen im April.
Daraus geworden ist bislang zwar nichts – zu unausgegoren war das Vorhaben.
Doch die diplomatischen Bemühungen laufen, die Mission „EuNavforMed“
formiert sich. Statt einem im Chaos versinkenden Land zu helfen, soll es
zusätzlich mit Gewalt überzogen werden, auf dass es als Transitroute
ausfällt. Die Leidtragenden werden die Flüchtlinge sein. Denn so mörderisch
der Weg über Libyen ist: Einen anderen gibt es für viele nicht.
6 Aug 2015
## AUTOREN
DIR Christian Jakob
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