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       # taz.de -- Rauchverbot in Australiens Knästen: Rumpfbeugen statt Zigaretten
       
       > Ein Rauchverbot gilt ab Montag in allen Gefängnissen auf dem Fünften
       > Kontinent. Das grenzt für viele Insassen an Folter.
       
   IMG Bild: Abschreckung auch mit enormen Preisen für die Packung Zigaretten.
       
       Sydney taz | Es dauert noch ein paar Tage bis zur Stunde null. Aber bei der
       Polizei im australischen Bundesstaat New South Wales bereitet man sich aufs
       Schlimmste vor. Eingreiftruppen stehen bereit, um jedes Zeichen von Aufruhr
       in den Strafanstalten niederzuschlagen. Am kommenden Montag soll in allen
       Gefängnissen ein totales Rauchverbot eingeführt werden. 11.000 Häftlinge
       müssen von einem Tag auf den andern auf ihre Kippe verzichten.
       
       Wer will, kann eine Kur mit Nikotinpflastern beginnen – acht Wochen lang
       auf Rechnung der Steuerzahler. Danach müssen die Gefangenen nikotinhaltigen
       Kaugummi kaufen. Zudem hat das Gefängnisdepartement unter dem
       deutschstämmigen Kommandanten Peter Severin eine Liste erstellt, mit
       möglichen Ablenkungen, wenn die Lust auf das Gift zu groß wird: meditieren
       könne helfen, beten, Rumpfbeugen. Auch „das Schreiben an einen Liebsten“,
       sei hilfreich, oder das Lösen von Kreuzworträtseln. Wem das nicht als
       Ablenkung genüge, kann „von der Zukunft träumen“, so das Departement.
       
       Das Nein zur Kippe gilt auch für Gefängniswärter. Die können sich
       allerdings zum Rauchen außerhalb der Anstalt begeben, „etwa in ein Auto
       oder sonst wo“, so Severin. Drei Viertel aller Gefangenen in New South
       Wales rauchen, so das Gesundheitsministerium. Viele Insassen sind schon
       seit ihrer Jugend süchtig.
       
       „Folter“ nennt Brett Collins von der Organisation Justice Action das
       Rauchverbot für Sträflinge. Der Bankräuber saß selbst zehn Jahre hinter
       Gittern. Heute setzt er sich für die Belange von Gefangenen ein. Rauchen
       sei nicht nur ein „Ventil zum Stressabbau“, sagt er. Es sei eine der
       wenigen Freiheiten, die man hinter Gittern noch habe. Zigaretten seien auch
       eine wichtige Währung im Knast, sagt Collins. Man kaufe sich damit
       Gefälligkeiten, Respekt, ja sogar Sicherheit.
       
       ## Keinerlei Werbung für Zigaretten
       
       Doch dafür haben die Behörden wenig Verständnis. Sie setzen das Verbot mit
       eiserner Hand durch. Als der Bundesstaat Victoria Anfang Juli das
       Rauchverbot einführte, gab es in einem Gefängnis in Melbourne eine Revolte.
       300 Insassen stürmten mit selbst gemachten Schlagstöcken auf das Personal
       los und setzten Inventar in Brand.
       
       Erst Antiterrorpolizisten gelang es, nach 15 Stunden die Lage wieder unter
       Kontrolle zu bringen. In New South Wales sei man für alle Eventualitäten
       gerüstet, heißt es von der Gefängnisverwaltung. Kompromisse gebe es nicht,
       was auch immer geschehe, „das Rauchverbot wird nicht zurückgenommen“, so
       Severin.
       
       Mit einem totalen Rauchverbot in Haftanstalten festigt Australien den Ruf,
       Vorreiterin im Kampf gegen den Tabakkonsum zu sein. Das Land machte 2012
       Geschichte, als es die restriktivsten Gesetze für den Verkauf von
       Zigaretten einführte. Seither können nur noch generische Verpackungen in
       grauer Farbe ohne Firmenlogo verkauft werden.
       
       ## Abschreckung als Maxime
       
       Dafür blickt der Raucher auf das Foto einer krebsbefallenen Lunge und eine
       Todeswarnung. Auch der Preis für Tabakwaren wurde drastisch erhöht. Eine
       Packung Zigaretten kostet bis zu 18 Euro. Seit der Einführung der Maßnahmen
       sei die Zahl der Raucher zurückgegangen, sagen Forscher.
       
       Die Tabakindustrie hatte genau eine solche Situation verhindern wollen.
       Jahrelang gingen Unternehmen wie Philip Morris und British American Tobacco
       gerichtlich gegen die Pläne der Regierung vor. Die Hersteller meinten, mit
       dem Verbot von Markenzeichen wie dem Dromedar von Camel Filter und
       Markenlogos wie der Schrift von Marlboro eigne sich die australische
       Regierung ohne Kompensation die Markennamen der Firmen an. Doch die
       Industrie scheiterte mit diesem Argument vor allen Gerichten.
       
       9 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Urs Wälterlin
       
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