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       # taz.de -- Die Wahrheit: Der liquide Papst
       
       > Der Vatikan stürmt an die Börse und wird jetzt voll kreativ. Die Losung
       > heißt: Anteilsschein statt Heiligenschein.
       
   IMG Bild: Papst Franziskus: Immer im Bilde beim allerneuesten Pitch für die Kirche.
       
       Mitten im Sommerloch der himmlische Paukenschlag – die Kirche geht in Bälde
       an die Börse! Dies teilte Vatikansprecher Pater Federico Lombardi
       überraschten Journalisten am Rande eines kurzen Papstbesuches in Turin mit.
       „Wenn wir die sündige Welt nicht mit guten Vorsätzen retten können, dann
       müssen wir sie und die Konkurrenz eben mit frischem Kapital aufkaufen“,
       sagt Lombardi fröhlich und erläutert, was genau man vorhabe.
       
       Die auf Anweisung von Papst Franziskus neu strukturierte und in „Jesus In
       Da House AG“ (kurz JIDHAG) umbenannte Katholische Kirche soll Ende des
       Jahres an die Börse gehen. Nur derart könne man die vom Kirchenchef
       geforderte Neuausrichtung richtig umsetzen, so Lombardi. Schließlich wolle
       Franziskus die Kirche entrümpeln, modernisieren und näher ans gemeine Volk
       bringen. Dafür brauche es vor allem neue Ideen und eine Menge Kapital.
       
       Der christliche Glaube sei schon immer ein Produkt gewesen, das man an den
       Mann und die Frau habe bringen müssen. Als die Kirche noch als Monopolist
       am Markt tätig war, sei dies kein Problem gewesen. Heute indes konkurriere
       man global mit anderen Glaubensangeboten wie Fußball, Youporn und World of
       Warcraft.
       
       Der Börsenwert der Kirche wird von Experten auf mehrere Billionen Euro
       geschätzt. Genug Geld, um im kommenden Jahr die neu gegründeten „Vatikan
       Warriors“ in Italiens Serie A um den Titel mitspielen zu lassen. Spätestens
       2018 soll der Fußballklub zum ersten mal die Champions League gewinnen und
       in der Fanbeliebtheit Vereine wie Real Madrid oder Bayern München überholt
       haben.
       
       ## Bernd Schuster für die „Vatikan Warriors“
       
       Eigens dafür wurde Exnationalspieler Bernd Schuster, Spitzname: „Blonder
       Engel“, als Trainer engagiert. Spielerische Neuverpflichtungen indes
       stünden noch aus, da der Papst sich bislang gegen tätowierte Kicker
       ausspreche, so Lombardi. „Die Warriors sind vor allem ein Marketingtool, um
       die Kirche auch bei den einfachen und armen Schäfchen sexy zu machen“,
       gesteht Lombardi, der sich dadurch eine neue Strahlkraft der Kirche über
       die Stadien hinaus erhofft.
       
       Die Menschen sollten statt in die Shoppingmall endlich wieder in die
       Gotteshäuser gehen. Dafür brauche es natürlich gewisse Anreize wie zum
       Beispiel Massagesessel statt der gewöhnlichen und viel zu harten Holzbänke.
       Das sei ihm durchaus bewusst, so der geschäftstüchtige Gottesmann. Auch
       deshalb werde der angsteinflößende Beichtstuhl in Zukunft zum aufregenden,
       interaktiven Sündensimulator umfunktioniert, in dem man mit dem eigenen
       Avatar und 3D-Brille alle möglichen Sünden durchspielen und ihre Folgen
       hautnah und mit Gänsehaut erleben könne.
       
       Wichtig sei zudem ein einheitliches Design. „Ob in Chemnitz oder Mailand,
       wir wollen, dass die Menschen ihre Kirche immer und überall sofort wieder
       erkennen“, fordert Lombardi. Deshalb werde man die Häuser von außen in
       einem knalligen Pink streichen. Mit dieser Farbwahl habe die FDP in
       Deutschland sich schließlich auch erfolgreich neu erfunden. Doch das
       Redesign macht auch vor den Abbildungen der Heiligenfiguren nicht Halt.
       
       ## Facelifting für Maria
       
       „Es kann nicht sein, dass Jesus in der einen Kirche so ausschaut wie ein
       leidender Hund und in der anderen wie ein melancholischer Lyriker“, betont
       Lombardi ernst. Deshalb soll der Sohn Gottes fortan
       generationenüberfreifend attraktiv aussehen. Auch die heilige Jungfrau
       Maria solle ein Facelifting bekommen. Favorit sei derzeit eine Mischung aus
       Scarlett Johansson und Lady Gaga. Der Pitch sei noch nicht endgütlig
       entschieden. Vor allem in Sachen Hautfarbe gäbe es noch
       Meinungsunterschiede. Denkbar sei bei Jesus zum Beispiel ein schwarzer
       George-Clooney-Verschnitt mit Latino-Zügen.
       
       Selbstverständlich werde in den JIDHAG-Filialen auch für das leibliche Wohl
       gesorgt. In angeschlossenen Bethlehem Bucks könne man zwischen Gebet und
       Gesang ab sofort vom „Grande Heaven Latte“ bis hin zum sündig-schokoladigen
       „Judas-Muffin“ alles verzehren, was das Christenherz begehrt. Natürlich
       stets zu 100 Prozent ökologisch und bio.
       
       Die Ökoschiene sei ein integraler Bestandteil der Neuausrichtung, verrät
       Lombardi und verweist auf die erst kürzlich vom Papst veröffentlichte
       Öko-Enzyklika. „Mit dem frischen Kapital machen wir aus den maroden,
       energiefressenden Gotteshäusern moderne, einladende und energieeffiziente
       Filialen des Glaubens und des himmlischen Konsums“, so der Sprecher der
       Kurie. Man setze auf Ökostrom, Fair Trade Bio-Messwein und glutenfreie
       Hostien.
       
       Summa summarum sei der erfolgreiche Sprung an die Börse schon jetzt sicher,
       versichert Pater Federico Lombardi. Man werde nicht wie einst die
       Telekom-Aktien ins Bodenlose abstürzen, glaubt er. „Auf unsere
       Anteilseigner wartet der Himmel, nicht die Hölle.“ Ab sofort sei die Kirche
       ein modernes, markt- und wettbewerbfähiges Unternehmen.
       
       Ein saftiger und göttlicher Bonus auf seinem Praypal-Konto dürfte ihm, dem
       kreativen Unternehmenssprecher der JIDHAG, damit wohl sicher sein.
       
       11 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Stickling
       
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