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       # taz.de -- Die Wahrheit: Pott fürs Glück
       
       > Kaffetassen und -becher können Leidenschaft entfachen, ein Trennungsgrund
       > und ein Fall für die Haftpflichtversicherung sein.
       
   IMG Bild: Wasserbetten gehen immer erst so ab Nachmittag.
       
       Jeder Mensch hat so seinen Tick. Ich sammle Kaffeetassen oder vielmehr
       Kaffeebecher. Jeden Morgen bereitet es mir einen Riesenspaß, zu überlegen,
       aus welcher Tasse ich heute trinken will. Eine ist sogar von einem
       Künstler: Günter Rückert. Mit dem Dortmunder „U“! Andere Pötte erinnern
       mich an Orte, die ich besucht habe. Drei Regalreihen stehen voll.
       
       Ich habe sogar ein Porzellanexemplar, das aussieht wie ein zerdrückter
       Plastikbecher. Ich find das großartig. Sie findet, das sei ein
       Trennungsgrund. Ich besitze scheinbar viele Trennungsgründe.
       
       Ich habe Mumin-Tassen aus Finnland. Die sind dort richtig was wert.
       Sammlerstücke, die nur in kleinen Auflagen hergestellt werden. Ich behandle
       sie entsprechend vorsichtig. Vor allem die in Orange, die mit den
       Hatifnatten! „Ja, in Finnland!“, sagt sie dann. „Hier sind es Kaffeetassen!
       Mit sehr kindlichen Motiven!“ Aber doch nicht die mit dem Snork-Fräulein!
       Für mich ist allerdings auch „Räuber Hotzenplotz“ Literatur, und „Urmel aus
       dem Eis“ halte ich für wichtiger als „Die Ästhetik des Widerstands“. Sie
       sagt: „Wir reden über Tassen, nicht über Kindergeschichten!“
       
       Den Pott mit dem Aufdruck „Äktschen“ findet sie besonders albern. Ich nehme
       den an ganz faulen Tagen zur Aufmunterung. Das hält sie nicht mehr für
       „kindlich“, sondern für „kindisch“! Ich frage, ob es ihr lieber sei, wenn
       ich eine Märklin-Eisenbahn im Wohnzimmer aufbaute. Sie sagt, wenn man
       daraus Kaffee trinken könne, hätte ich das sicher längst getan.
       
       An Tagen, wo sie mich verstehen möchte, fragt sie schon mal: „Schmeckt der
       Kaffee anders aus anderen Tassen?“ Äh, darauf habe ich noch nie geachtet.
       Sie versucht, verständnisvoll zu sein, aber ich spüre, es ist eine Falle!
       Kaffee schmeckt immer wie Kaffee, doch sage ich das nicht!
       
       „So wie bei Rotwein- und Weißwein-Gläsern“, stichelt sie nach. Sie weiß
       genau, dass es bei meinen Weinen völlig egal ist, ob ich den Weißen oder
       den Roten aus Weingläsern trinke. Ein Freund von mir hat sogar
       „mundgeblasene“ Weingläser, ganz feiner Rand, die holt er für einige Gäste
       überhaupt nicht raus. Mir hat er sie auch nur gezeigt. Die Zeit reichte
       trotzdem, einen Kelch vom Stil zu trennen. Ich soll jetzt meine
       Hausratsversicherung bemühen. Bei einem Kaffeepott hätte ich das
       verstanden. Na ja, es war halt keine Freundschaft für die Ewigkeit.
       
       Das gilt vielleicht auch für meine Beziehung. Wir sind jetzt auf einen
       Polterabend eingeladen. Sie will, dass ich mich dort von einigen Tassen
       trenne. Sonst würde sie sich von mir trennen. Ich hätte ohnehin zu viel von
       allem, ich solle das ganze Zeug endlich mal abstoßen.
       
       Was sie genau meine, frage ich nach. Die vielen schwarzen T-Shirts. Vor
       allem die in M. Nicht mal in die Größe L würde ich irgendwann wieder
       hineinpassen. Woher sie das so genau wisse? Sie kenne mich nun lange genug.
       Dann schaut sie mich an, lächelt plötzlich und öffnet die Hand. Die mit dem
       Kaffeepott. Die mit dem Aufdruck „Heiß und wild!“ Hoffentlich hat sie eine
       Hausratsversicherung!
       
       14 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Gieseking
       
       ## TAGS
       
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