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       # taz.de -- Interview mit grüner Fraktionschefin: „Wir werden nichts ausschließen“
       
       > Für Ramona Pop ist die CDU trotz des Neins zur Homo-Ehe ein möglicher
       > Koalitionspartner. Denn sich nur an die SPD zu ketten, sei nicht
       > zielführend.
       
   IMG Bild: „Wir haben als Berliner Grüne nach der Wahl 2011 einen Generationswechsel vollzogen“: Ramona Pop, grüne Fraktionschefin
       
       taz: Frau Pop, Michael Müller, der Regierende Bürgermeister, erwartet Sie
       als Spitzenkandidatin bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl. Hat er da
       Recht? 
       
       Ramona Pop: Das Personal bei den Grünen bestimmen die Grünen, nicht der
       Regierende Bürgermeister. Die Partei wird im nächsten Frühjahr die Liste
       aufstellen.
       
       So ganz ins Blaue wird Müller da aber kaum geredet haben – Sie selbst haben
       doch kürzlich noch von einem guten Kontakt zum Regierenden Bürgermeister
       gesprochen. 
       
       Sie wissen doch wie das ist: Jede Partei versucht auch bei den anderen
       Einfluss zu nehmen. Was stimmt ist, dass das Verhältnis zur SPD tatsächlich
       besser geworden ist. Das liegt sicherlich auch daran, dass SPD und CDU nur
       noch formal Koalitionspartner sind und nicht mehr viel miteinander anfangen
       können.
       
       Dass Ihre Partei über die Spitzenkandidatenfrage offiziell erst bei einem
       Parteitag entscheidet, ist ja unbestritten. Und doch ist seit einigen
       Monaten immer öfter zu hören, die Grünen würden mit einem Spitzenquartett
       aus den beiden Doppelspitzen von Fraktion und Landesverband antreten
       wollen. 
       
       Wir haben als Berliner Grüne nach der Wahl 2011 einen Generationswechsel
       vollzogen, wir haben eine junge Führungsspitze in Partei und Fraktion und
       wir arbeiten darin gut zusammen. Das war bei den Grünen nicht immer so. Nun
       wollen wir auch den Wahlkampf als Team gemeinsam gut hinbekommen und die
       Partei gemeinsam in die Regierung führen.
       
       Bei den vergangenen Wahlen war es ja nicht das Problem, dass die Grünen
       nicht regieren wollten, sondern dass sich die SPD drei Mal für einen
       anderen Partner entschied, erst zwei Mal für die Linkspartei, dann für die
       CDU. Ist das nun alles anders, weil Klaus Wowereit, dem die Grünen zu
       unzuverlässig waren, nicht mehr der entscheidende Mann ist? 
       
       Das ist ja eine richtige Mär, die sich da festgesetzt hat: dass wir
       Wowereit nicht zuverlässig genug waren. Richtig ist etwas anderes: Wowereit
       wusste, dass SPD-Abgeordnete bei seiner Wahl im Parlament gegen ihn stimmen
       würden. Mit uns und nur zwei Stimmen Mehrheit hätte er das nicht
       ausgleichen können. Und tatsächlich haben ihm dann ja bei der Abstimmung
       vier Stimmen aus den eigenen Reihen gefehlt.
       
       Das ist ja eine steile These: Sie sagen, Wowereit hat die CDU ins Boot
       geholt, um sich als Regierender Bürgermeister retten zu können und nicht
       etwa wegen mangelnden Vertrauens in die Grünen? 
       
       Klaus Wowereit wusste, dass es wacklige Kandidaten in seiner Fraktion gibt.
       Und darauf wollte er vorbereitet sein.
       
       Sein Nachfolger Michael Müller hat sich aber auch noch nicht auf die Grünen
       als künftigen Partner festgelegt. Ihm scheint auch der Gedanke zu gefallen,
       Rot-Rot wiederzubeleben und wie von 2002 bis 2011 mit der Linkspartei zu
       koalieren. 
       
       Jede Partei hat gern mehrere Optionen. Das sehen wir ja auch bei uns. Nach
       der Bundestagswahl haben wir festgestellt, dass es nicht zielführend war,
       sich nur an die SPD zu ketten.
       
       Was sind denn die Optionen der Berliner Grünen jenseits der
       Sozialdemokraten? 
       
       Wir werden uns das nach der Wahl anschauen, ich bin da ganz entspannt. Wir
       werden keinen Koalitionswahlkampf führen und auch nichts ausschließen.
       
       Schwarz-Grün bleibt eine Option, auch nachdem die Berliner CDU-Mitglieder
       klar gegen die Homo-Ehe gestimmt haben? 
       
       Die CDU muss selbst schauen, wie sie mit diesem Ergebnis umgeht. Das wird
       eine Rolle spielen, egal mit wem sie auch immer Koalitionsgespräche führen
       will.
       
       CDU-Generalsekretär Kai Wegner ist der, der am lautesten für Schwarz-Grün
       wirbt. Er hat im taz-Interview gesagt: „Koalitionen scheitern nie an
       Inhalten, nur an Personen.“ 
       
       Es ist sicherlich richtig, dass die Chemie zwischen den Personen stimmen
       muss. Aber wenn die Inhalte diametral entgegengesetzt sind, wird es
       schwierig, zueinander zu finden. Man sollte als Regierung schon etwas
       zusammen vorhaben. Und nochmal zu der CDU-Mitgliederbefragung zur Öffnung
       der Ehe: Da reicht es nicht, wenn Frank Henkel als Landesvorsitzender im
       Nachhinein sagt, dass er dafür gestimmt hat. Das hätte er vorher machen und
       seine Partei auf diesem Weg mitnehmen können.
       
       Angenommen, Grüne und CDU näherten sich auf anderen Feldern an, selbst in
       der Flüchtlings- und Innenpolitik – würde eine Koalition an der Frage der
       Homo-Ehe scheitern? Die Ehe für alle als neue A 100, dem Zankapfel aus dem
       Jahr 2011? 
       
       Das ist ja ein schräger Vergleich. Wie gesagt, die CDU muss selber
       entscheiden, wie sie sich aufstellt. Grundsätzlich ist festzustellen: Die
       grüne Spannbreite ist größer geworden in der Bundesrepublik, von
       Schwarz-Grün in Hessen bis hin zu Rot-Rot-Grün in Thüringen. Es ist doch
       nicht gesetzt, dass SPD und CDU in dieser Stadt dauerhaft regieren, wie es
       in den 90ern schon galt. Dabei funktioniert vieles nicht, und man hat jetzt
       wieder den Eindruck wie damals, dass diese Koalition nicht zur Stadt passt.
       
       In den Umfragen aber schneidet die SPD mit 29 Prozent gut ab, größeren
       Rückhalt hatte sie zuletzt 2012, vor der BER-Krise. Die Grünen hingegen
       stagnieren bei 17 Prozent. 
       
       Der Wechsel von Wowereit zu Müller hat der SPD natürlich Aufwind verschafft
       …
       
       … aber der liegt nun auch schon acht Monate zurück. Warum können die Grünen
       nicht davon profitieren, dass es beim BER erneut hakt und das
       Flüchtlings-Management eher suboptimal ist?
       
       Ich bin nicht traurig, dass wir gerade keine hohen und unrealistischen
       Umfrageergebnisse haben, dass man sich eben nicht in einer Blase befindet
       und meint, man könnte vor Kraft kaum laufen. Wir sind stabil in den
       Umfragen. Es gibt ein grünes Potenzial von 17, 18, 19 Prozent, vielleicht
       auch mit einer Zwei vorne. Nun starten wir von einem ganz guten Stand aus
       in die letzten zwölf Monate vor der Abgeordnetenhauswahl.
       
       Im Wahlkampf werden alle Parteien mehr Wohnungen in der wachsenden Stadt
       versprechen, die möglichst auch bezahlbar sein sollen? Wie wollen die
       Grünen sich da abgrenzen? 
       
       Ich will das gar nicht abgrenzen nennen, sondern die Frage um unseren
       grünen Blick erweitern. Die SPD regiert ja nun schon sehr lange, ohne in
       der Wohnungspolitik bislang gezeigt zu haben, dass sie es kann. Und mit
       Wohnungen allein ist es ja nicht getan, wenn die Stadt weiter wächst.
       
       Was genau meinen Sie? 
       
       Da muss man auch im Kopf haben, dass die Kinder in diesen künftigen
       Wohnungen Kitas und Schulen brauchen oder dass die Anbindung an den
       öffentlichen Nahverkehr stimmen muss. Berlin ist auf dem Weg zu einer
       internationalen Metropole, und das bringt Verteilungskonflikte mit sich.
       Wir brauchen statt Rot-Schwarz eine Koalition, die diese Konflikte auch
       bewältigen kann und Berlin als offene vielfältige Stadt auch in den
       nächsten 10, 15 Jahren bewahrt.
       
       Wenn Sie nun so weit voraus schauen – 15 Jahre werden sie 2016 auch schon
       Abgeordnete sein und davon keinen einzigen Tag als Mitglied einer
       Regierungspartei. Die nächste Wahl ist da doch schon eigentlich Ihre letzte
       Chance – wer kann sich schon für 20 Jahre Opposition motivieren? 
       
       Na ja, ich bin jetzt Mitte 30 …
       
       … weil Sie zum Start erst 24 waren. Es bleibt also eine ziemlich lange Zeit
       ohne direkte Einflussmöglichkeit.
       
       Aber Sie machen das hier auch schon ziemlich lange, die taz ist ja auch ein
       bisschen Opposition.
       
       Das ist ja so gewollt und ich will ja, anders als Sie, auch nicht in die
       Regierung. 
       
       Spaß beiseite: Die nächste Wahl ist für mich natürlich von besonderer
       Bedeutung, weil ich als Fraktionsvorsitzende sehr entscheidend in
       Verantwortung bin. Opposition heißt für mich, nicht nur zu motzen und zu
       meckern, sondern konkrete Alternativen zur Regierung anzubieten. Wenn ich
       beispielsweise sehe, dass wir vor zwei Jahren belächelt wurden, als wir
       einen Investitionstopf vorschlugen und sich die SPD jetzt dafür rühmt, dann
       ist das auch aus der Opposition heraus ein Erfolg. Aber dabei soll es eben
       nicht bleiben: Wir wollen regieren, und das ist unser ganz klarer Fokus für
       das nächste Jahr.
       
       19 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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