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       # taz.de -- Pädophilie in Kreuzberg: Was keiner wissen durfte
       
       > Im Kreuzberg von heute sieht man es kaum. In den 80er Jahren wurden hier
       > Kinder missbraucht. Die Täter kamen oft aus dem alternativ-grünen Milieu.
       
   IMG Bild: Die Falckensteinstraße im Jahr 2012
       
       Als die Berliner Grünen am 20. Mai die Presse in ihre Landesgeschäftsstelle
       luden, war der Saal voll. Und die Spannung fast mit Händen zu greifen. Was
       würde in dem lang erwarteten Bericht zu pädophilenfreundlichen Positionen
       in der grünen Frühphase stehen? Neue Enthüllungen über
       (Schreibtisch)-Täter? Erstmals konkrete Opferzahlen?
       
       Nein, Sensationen lieferte die 90 Seiten starke Broschüre nicht. Die
       wesentlichen Namen und „einschlägigen“ Parteigremien kannte man bereits.
       Trotzdem war der Bericht erschütternd. Und er wirkte nach. Denn er ließ ein
       Kreuzberg auferstehen, von dem heutige Bewohner nichts wissen können. Und
       frühere Bewohner nichts mehr wissen wollen.
       
       Der Falckensteinkeller, ein von Pädophilen betriebener Kinderfreizeittreff
       im Souterrain: Hier wurden über Jahre hinweg Kinder missbraucht. Von einem
       Grünen, der sich im „Schwulenbereich“ der Partei wortgewaltig für die
       Rechte Pädosexueller einsetzte – wenn er nicht gerade im Knast saß.
       
       Nur eine Straße weiter, auch das steht im Bericht, hatten Pädosexuelle
       Wohnungen zum Zweck des Missbrauchs angemietet. Sozialarbeiterinnen, die
       Opfer zu Prozessen begleiteten, fiel irgendwann auf, dass die Täter immer
       bei der selben Adresse gemeldet waren.
       
       ## Pädosexualität war ein Nischenthema
       
       Lange habe ich mitten im ehemaligen „Pädo-Kiez“ gewohnt, ohne es zu wissen.
       Wrangel- Ecke Falckensteinstraße. Heute ein lebendiges Viertel in
       Spree-Nähe mit unzähligen Bars, Restaurants, Galerien. Ich lebte gegenüber
       des Stadtteilladens, der zeitweise als „Kinderbörse“ gedient haben soll.
       Spazierte über den Kinderbauernhof, wo ein halbnackter Pädosexueller sich
       so offensiv an Kinder rangemacht hatte, dass er zum Problem fürs Kollektiv
       wurde. Und ich schrieb Radiobeiträge über die Eberhard-Klein-Oberschule,
       ohne je den „Hausaufgabenbus“ auf der anderen Straßenseite gesehen zu
       haben, in den Täter nachmittags Kinder gelockt hatten.
       
       Wie kann es sein, dass sich Menschen, die Kinder missbraucht haben, als
       Pädagogen ausgeben? Dass sich hartgesottene Pädokriminelle in
       Parteistrukturen einnisten und unverhohlen für „einvernehmlichen Sex“
       zwischen Erwachsenen und Kindern werben? Was war da bloß los in Kreuzberg?
       Und wo war eigentlich die Polizei?
       
       Vielleicht muss man dabei gewesen sein, damals, um Antworten zu finden.
       Muss die von Kohlenstaub und Ostindustrie verseuchte Luft geatmet, das
       Elend der Hinterhöfe gesehen, den Aufbruch in den besetzten Häusern gespürt
       haben. Vielleicht aber hilft auch das nicht. Selbst in den Achtzigerjahren
       waren Kindesmissbrauch und Pädosexualität Nischenthemen, für die sich nur
       ein sehr kleiner Kreis interessierte. An den anderen ging das, was in
       Kinderfreizeiteinrichtungen, Wohnungen oder Gruppen der Alternativen Liste
       passierte, vorbei.
       
       Es braucht deshalb jemanden wie Christian Spoden, um die Schattentopografie
       des „Pädo-Bezirks“ Kreuzberg zu deuten. Der Sozialpädagoge kam Mitte der
       Achtzigerjahre aus den USA nach Kreuzberg. Im Auftrag des Bezirksamts
       sollte er an einer Schule missbrauchten Kindern zur Seite stehen. Im
       Interview mit der taz.am wochenende vom 8./9. August erzählt Spoden
       Geschichten, die entsetzen. Von skrupellosen Tätern, verrohten Kindern,
       naiven Pädo-Propagandisten. Aber auch von Zwängen und Verstrickungen, die
       bis heute die Aufklärung behindern. Spoden wünscht sich, dass die Kinder
       von damals reden. Er fühlt sich immer noch als ihr Anwalt. Sie sollen
       erzählen, was damals keiner wissen durfte. Und bis heute viel zu wenige
       wissen.
       
       Was meinen Sie? Ist ein Gespräch in der Zeitung der richtige Weg,
       Gewaltbetroffene anzusprechen? Sollte man das Stochern in der Vergangenheit
       lieber einstellen und es den Kindern von damals überlassen, ob sie weitere
       Aufklärung wünschen? 
       
       Diskutieren Sie mit!
       
       Die Titelgeschichte „Kreuzberg war ein Jagdrevier“ lesen Sie in der taz. am
       wochenende vom 8./9. August 2015.
       
       7 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nina Apin
       
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