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       # taz.de -- Album „Compton“ von Dr. Dre: Im Westen nichts Neues
       
       > Dr. Dre erfand den G-Funk, dann verdiente er sein Geld lieber mit
       > Kopfhörern. Jetzt ist sein drittes Studioalbum erschienen.
       
   IMG Bild: Unter dem PR-Deckmantel der „vom Film inspirierten Musik“ traut sich Dre wieder an ein Album.
       
       Die unermüdliche Ankündigung einer Platte namens „Detox“ war einer der
       großen Treppenwitze der Rap-Geschichte. „Chinese Democracy“ des HipHop
       wurde Dr. Dres drittes Soloalbum genannt, und er wusste, warum er es unter
       Verschluss hielt. Offen gab er vor Kurzem zu, dass er die Arbeit an „Detox“
       schon vor Jahren eingestellt habe, weil das Material nicht gut genug
       gewesen sei.
       
       Dass Dr. Dre, mit bürgerlichem Namen Andre Young, einen hohen
       Qualitätsanspruch an seine Alben stellt, davon legen zwei Klassiker in
       seiner Diskografie beeindruckend Zeugnis ab: einmal „The Chronic“, die
       Platte, mit der Young vor 23 Jahren den G-Funk erfand. Geschickt griff er
       George Clintons kosmische P-Funk-Tradition der 1970er Jahre auf und führte
       sie im Los Angeles der Crack- und Reagan-Ära fort.
       
       Der Nachfolger, „2001“, erschien 1999 und stellt mit seinen Gassenhauern
       bis heute das Notinventar jedes HipHop-DJs. Ja, Dre war Mitbegründer der
       Gangsta-Rap-Pioniere N.W.A. und Entdecker von Eminem. Dass er seit Jahren
       keine spannende Musik mehr veröffentlicht, sondern seinen Legendenstatus
       zur Vermarktung schicker Kopfhörer genutzt hat, möchten manche Fans nicht
       wahrhaben.
       
       ## Musik zum Film
       
       Nun also der halb offizielle Soundtrack zum hoch offiziellen
       Hollywood-Drama „Straight Outta Compton“. Unter dem PR-Deckmantel der „vom
       Film inspirierten Musik“ und somit ohne „Detox“-Erwartungsdruck traut sich
       Dre wieder an ein Album. Um seinem Status gerecht zu werden, hat der Mann,
       der dieses Album sicher nicht des Geldes wegen macht, namhafte Gäste auf
       die Songs geladen: Ice Cube, Snoop Dogg, Xzibit, The Game und Eminem sind
       dabei, außerdem der umjubelte Erbe des Westküsten-Rap, Kendrick Lamar, und
       ein paar junge Talente wie Anderson Paak oder King Mez. Die Dre-Verse auf
       „Compton“ kann man an zwei Händen abzählen.
       
       Was gar nicht weiter schlimm ist. Ein herausragender Rapper war Dre nie,
       auch wenn sich sein überlegener Bariton perfekt dafür eignete, die smarten
       Reime guter Ghostwriter glaubwürdig vorzutragen. Ein herausragender
       Beat-Produzent war Dre vielleicht in den 1990er Jahren, später überließ er
       diese niederen musikalischen Dienste eher Nerds wie Scott Storch oder DJ
       Khalil, die er als Zöglinge in seinen Studios beschäftigte. Auf „Compton“
       erledigte ein Produzent namens Focus einen Großteil der Studioarbeit.
       Immerhin als Mix-Engineer taugt Dre eine Menge. Auch „Compton“ klingt
       irrsinnig knusprig, manchmal jedoch zu aufgeräumt und poliert, beinahe
       klinisch sauber.
       
       Den Schulterschluss mit der heutigen HipHop-Welt herzustellen versucht der
       50-jährige Milliardär, indem er 808-Drums und die Percussion-Figuren des
       Trap einsetzt. Allerdings reproduzieren viele Tracks bloß Klischees. Das
       grandiose türkische Prog-Rock-Sample, auf dem der Song „Issues“ basiert,
       hat Mos Def schon vor sechs Jahren ausgegraben. Weder wird „Compton“ die
       ewiggestrigen Dre-Fans zufriedenstellen, die einen Aufguss der
       G-Funk-Formel erwarten, noch will irgendwas an dieser Platte innovativ
       sein. Dabei gibt es da draußen längst eine neue HipHop-Avantgarde. Wie man
       die Tradition des Westküsten-Rap, die Dre entscheidend mitgestaltet hat,
       durch postmodernen Dekonstruktivismus wieder relevant macht, hat Kendrick
       Lamar mit „To Pimp a Butterfly“ in diesem Jahr erst vorgeführt.
       
       Ebenjener Kendrick setzt sich auf seinen wütenden Gastparts auf „Compton“
       geschickt in Szene. Doch neben seinen Auftritten, vor allem auf dem
       herausragenden Hit des Albums („Genocide“), bleibt auch nach mehreren
       Durchgängen nicht viel von „Compton“ im Gedächtnis hängen. Es hätte sein
       persönliches Grande Finale sein sollen, und am Ende ist es sicher viel
       besser als alles geraten, was „Detox“ hätte werden können. Wirklich
       relevant ist diese Musik jedoch nicht. Die Fackel ist längst weitergegeben.
       
       12 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stephan Szillus
       
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