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       # taz.de -- Angeblicher Wolfsangriff in Boitze: Lügengeschichte mit Wolf
       
       > Ein Jäger in Niedersachsen will von einem Wolf angegriffen worden sein.
       > Ein Gutachten zeigt nun: Der Mann übertrieb gehörig.
       
   IMG Bild: So sieht ein echter Wolf aus
       
       BERLIN taz | Das Märchen vom Wolf in Boitze ist aufgeklärt. Kein Wolf hat
       einen Menschen zwischen Acker und Wald der niedersächsischen Gemeinde
       angegriffen, wie Jäger Rolf K. an Ostern behauptet hatte. Wolf und Mensch
       sind sich nicht einmal gegenübergestanden, ergibt ein Gutachten des
       Niedersächsischen Umweltministeriums.
       
       Wochenlang hat das Ministerium die Fakten und Spuren analysiert und direkt
       nach Ostern einen Fährtenleser auf den Acker geschickt. „Die Schilderungen
       des Jägers sind mit den durch Spuren nachvollziehbaren tatsächlichen
       Vorkommnissen nicht in Übereinstimmung zu bringen“, antwortet
       Niedersachsens grüner Umweltminister Stefan Wenzel auf eine Anfrage der
       CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag. „In unmittelbarer Umgebung des
       Orts des geschilderten Geschehens fand sich keine Wolfsfährte.“
       
       „In gestrecktem Galopp, das Maul leicht geöffnet“ sei der Wolf auf ihn
       losgegangen, als er vom Hochsitz stieg, hatte Jäger Rolf K. Anfang April zu
       Protokoll gegeben. Er habe seine Pistole gezückt, in den Boden vor seinen
       Füßen geschossen, zwischen den heranrasendem Wolf und ihm. 2,20 Meter vor
       ihm sei das Tier dann abgedreht und in den Wald hinter ihm gerast.
       
       Ein schwerer Vorwurf, der die gerade entstehende Beziehung zwischen
       Menschen und Wölfen in dem hochindustrialisierten Deutschland belastet
       hätte. Schließlich gewöhnen sich die Landbewohner in Niedersachsen,
       Brandenburg, Sachsen und den anderen Wolfsregionen gerade erst an die
       Raubtiere in ihrer Nachbarschaft. Die alten Ängste vom menschenfressenden
       Wolf spuken noch durch die Köpfe.
       
       ## Wölfe jagen ungern Menschen
       
       „Sehr ernst“ habe die Landesregierung den vom Jäger geschilderten Vorfall
       genommen, sagt Wenzel, „stellte er doch einen möglichen Paradigmenwechsel
       im Verhalten frei lebender Wölfe in Deutschland dar.“
       
       Wölfe sind vorsichtige Jäger, ausgewachsene Menschen sind ihnen zu
       gefährlich. Bei ihren bevorzugten Beutetieren Reh, Hirsch, Wildschwein
       suchen sie sich kranke oder junge Tiere.
       
       Dennoch haben Wölfe schon Menschen angegriffen, auch in Europa. Im 20.
       Jahrhundert haben Wölfe in Polen fünf Kinder getötet, in Spanien vier
       Kinder unter zehn Jahren. Seit 1974 hat es keinen Angriff eines Wolfs auf
       einen Menschen in Europa gegeben. Die Geschichte von Rolf K. weckte daher
       Zweifel bei den Experten des niedersächsischen Wolfsmonitorings.
       
       ## War es doch ein Fuchs?
       
       Das Umweltministerium schickte den professionellen Tierspurenleser Joscha
       Grolms auf den Acker bei Boitze. Von Mittag bis Sonnenuntergang und am
       nächsten Tag von sechs Uhr morgen an habe er den Acker „akribisch“
       untersucht. 24 Meter vom Hochsitz entfernt habe er eine „Caniden-Spur“
       gefunden, also die Fußabdrücke eines Hundeartigen, zu denen auch die Wölfe
       zählen. Die Spur führte allerdings in geschnürtem Trab fort vom Hochsitz.
       
       „Ich habe keine Hinweise auf einen Galopp gefunden“, sagt Grolms. Er hat
       zudem Spuren von Rehen und Füchsen gefunden. Die genetische Untersuchung
       von Haaren am Hochsitz hat ergeben, dass dort auch ein Fuchs ging.
       
       21 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Fokken
       
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