# taz.de -- Wohnungspolitik in Berlin: Schöner mieten mit dem Senat
> SPD und Mieteninitiative einigen sich. Stimmt die Basis der Initiative
> zu, ist der von der SPD gefürchtete Volksentscheid parallel zur Wahl 2016
> vom Tisch.
IMG Bild: So viele Wohnungen, aber so teuer: Berlins Häusermeer.
Mietsubventionen für mindestens 20.000 Sozialmieter und mehr landeseigene
Wohnungen, von denen jede zweite frei werdende für Geringverdiener
reserviert sein soll. Das sind Kernpunkte einer Vereinbarung, die am
Mittwoch SPD und die hinter dem Mieten-Volksbegehren stehende Initiative
als Kompromiss vorstellten. Bis Anfang November soll daraus ein Gesetz
werden. Falls die Basis der Initiative dem zustimmt, ist damit der für 2016
angestrebte Volksentscheid vom Tisch.
50.000 Unterstützerunterschriften hatte die Initiative im Frühjahr
gesammelt, davon 40.000 gültige, doppelt so viel wie notwendig sind, um die
zweite Stufe des dreistufigen Wegs zum erfolgreichen Volksentscheid zu
erreichen. Der hätte parallel zur Abgeordnetenhauswahl angestanden. Vielen
in der SPD, die sich als Mieterpartei versteht, gruselte es bei dem
Gedanken, manche befürchteten massive Stimmenverluste. Zwar hatte die
Senatsverwaltung für Inneres noch nicht entschieden, ob sie das
Volksbegehren überhaupt für zulässig erklärt. Doch hätte auch eine
Ablehnung, auch wenn sie vom Verfassungsgericht bestätigt worden wäre, die
Senatsparteien als Blockierer des Volkswillens erscheinen lassen.
Nach der jetzigen Verabredung müssen Mieter einer Sozialwohnung mit einem
Haushaltsnettoeinkommen unter 1.400 Euro künftig nicht mehr als 30 Prozent
ihres Einkommens für die Miete aufwenden, in Einzelfällen noch weniger. Was
darüber hinausgeht, übernimmt das Land. Außerdem soll gesetzlich festgelegt
sein, dass gut jede zweite frei werdende landeseigene Wohnung an
Niedrigverdiener mit einem Wohnberechtigungsschein geht. Jede zehnte soll
ausdrücklich für Obdachlose oder Flüchtlinge reserviert sein.
Insgesamt hundert Stunden wollen Vertreter von Senat, SPD-Fraktion und der
Initiative verhandelt haben. Torsten Schneider, als parlamentarischer
Geschäftsführer dabei, bemühte sich schier um Mythenbildung, als er
mehrfach von den Schlussverhandlungen am vergangenen Freitag bei 37 Grad,
„in kurzen Hosen“ erzählte. Beide Seiten stellten den Kompromiss zwar am
gleichen Ort dar, im Raum 304 des Abgeordnetenhauses, aber nicht bei einer
gemeinsamen, sondern bei zwei aufeinanderfolgenden Pressekonferenzen.
Schneider und auch Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel mühten sich
dabei, die nötigen Ausgaben von 1,4 Milliarden Euro in den nächsten fünf
Jahren nicht als Mehrbelastung darzustellen.
Laut Schneider muss der Haushaltsentwurf für 2016/17, den das Parlament
nach den Ferien diskutiert, nur um 3,5 Millionen nachgebessert werden. Auf
Grundlage des aktuellen Landeshaushalts wäre die Einigung allerdings nicht
möglich gewesen, gestand er zu – was nahe legte, dass die Koalition unter
dem Druck der Unterschriftensammlung bereits reagierte. SPD-Fraktionschef
Raed Saleh sagte zudem: „Vielen Dank für diese Initiative, Engagement für
die Stadt zahlt sich aus.“
Die Initiative hatte zudem verlangt, alle sechs landeseigenen
Wohnbaugesellschaften in sogenannte Anstalten öffentlichen Rechts
umzuwandeln, was mehr Kontrolle und größere Bindung an das Land sichern
sollte. Aus Senatssicht hätte diese Umstrukturierung Arbeitnehmerrechte
geschwächt und dazu geführt, dass die Unternehmen mit sich selbst
beschäftigt wären, statt sich auf den dringend nötigen Wohnungsneubau zu
konzentrieren. Neu ist allein eine neue Gesellschaft, die Leitlinien
festlegen und ein Vetorecht bei beabsichtigten Verkäufen haben soll.
Besetzt wird dieses Gremium allerdings vom Senat.
Die CDU war an den Verhandlungen nicht beteiligt und sprach von einer
„gelungen Aufgabenteilung in der Koalition“. Fraktionschef Florian Graf
nannte den Kompromiss „gut, wirkungsvoll und finanzierbar“. Aus der
Opposition gab es großes Lob für die Initiative. „Sie hat den Senat nach
jahrelanger Ignoranz zum Umdenken gebracht“, sagte Grünen-Fraktionschefin
Antje Kapek. Auch Unternehmerverbände, Wohnungsunternehmen, der DGB und der
Mieterverein begrüßten den Kompromiss.
19 Aug 2015
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DIR Stefan Alberti
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Quadratmeterpreis inzwischen ausgereizt.