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       # taz.de -- Schulbeginn in Berlin: Schülern fällt die Decke auf den Kopf
       
       > Wenn am Montag das Schuljahr beginnt, wird es genügend Raum und
       > Lehrpersonal geben, verspricht die Bildungssenatorin. Doch viele Gebäude
       > sind baufällig.
       
   IMG Bild: Hier wird bald wieder gewippt: Stühle in einem Klassenzimmer.
       
       Rund 5.500 Schüler mehr als noch im vergangenen Jahr werden am Montag in
       Berlin in das neue Schuljahr starten – und für alle sind inzwischen
       irgendwo ein Tisch, ein Stuhl und ein Lehrer gefunden. Das war eine der
       besseren Nachrichten, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) am
       Donnerstag zur traditionellen Pressekonferenz zum Schulstart mitbrachte.
       Eine schlechte ist: Die wachsende Schülerzahl wird in zunehmend vor sich
       hin bröckelnden Schulbauten lernen.
       
       Eigentlich sollten die Bezirke bis Ende des Jahres den Sanierungsbedarf an
       ihren Schulbauten anhand einer extra ausgearbeiteten Checkliste erfassen
       und an die Schulverwaltung melden. Belastbare Zahlen, mit der die
       Bildungssenatorin Druck machen könnte, wenn es um zusätzliche
       Haushaltsmittel für die maroden Schulen geht. Doch der Rücklauf aus den
       Bezirken ist offenbar dürftig. „Leider ist es für den Senat sehr schwer, an
       die entsprechenden Daten zu kommen“, gibt Scheeres am Donnerstag zu.
       
       Tatsächlich ergibt eine Rundfrage der taz in den Bezirken: Erst seit
       Mittwoch liegt den bezirklichen Hochbau- und Schulämtern, die für die
       Feststellung des Sanierungsbedarfs zuständig sind, eine Checkliste für den
       „Gebäudescan“ vor. Von Deadlines sei da aber nicht die Rede, heißt es aus
       dem Pankower Bau- und Wohnungsaufsichtsamt.
       
       ## Nur noch Notprogramm
       
       Und ist es fraglich, ob die Ämter den Check-up überhaupt realisieren
       können. Christoph Weist, Fachbereichsleiter Hochbauservice in
       Friedrichshain-Kreuzberg, sagt, die Personaldecke sei so dünn, dass man
       sich derzeit lediglich auf Notfallarbeiten wie die Reparatur von
       Treppengeländern konzentriere. Klar ist: Die bislang vom Senat jährlich
       bereitgestellten 64 Millionen Euro für Sanierungsvorhaben reichen nicht
       aus. Allein der Bezirk Steglitz-Zehlendorf beziffert seinen Bedarf auf 400
       Millionen Euro.
       
       Immerhin: Eine wachsende Zahl der Berliner Schüler wird nicht unter
       pittoreskem Bröselstuck lernen. Zur „zügigen Erweiterung der räumlichen
       Kapazitäten“, so die Bildungsverwaltung am Donnerstag, werde in den
       kommenden Jahren das Budget für „modulare Ergänzungsbauten“ erhöht. Werden
       2015 an 10 Schulen Container für rund 37 Millionen Euro aufgestellt, stehen
       im nächsten Jahr 66 Millionen für 17 Schulen bereit.
       
       Fast alle Behelfsbauten werden auf Grundschulhöfen entstehen. Denn
       insbesondere die Zahl der Grundschüler in der „wachsenden Stadt“ Berlin
       wird sich weiter erhöhen: bis zum Schuljahr 2022/23 um beinahe 20 Prozent.
       „Der Grundschulbereich wird die Hauptherausforderung sein“, so Scheeres.
       
       Genügend Lehrer seien da. Auf 2.050 zusätzliche Stellen bezifferte die
       Senatsbildungsverwaltung den Bedarf für das laufende Kalenderjahr – rund
       2.200 wurden eingestellt, auch dank Zugängen aus anderen Bundesländern, die
       60 Prozent ausmachten.
       
       Als „Wahnsinnsherausforderung“ für die Schulen machte Senatorin Scheeres
       auch die weiter steigenden Flüchtlingszahlen aus. Im kommenden Schuljahr
       werden rund 5.000 Kinder in insgesamt 431 „Willkommensklassen“ Deutsch
       lernen und so auf den Regelunterricht vorbereitet – fast 2.000 Kinder mehr
       als im abgelaufenen Schuljahr (taz berichtete). Fast 200 zusätzliche
       Lehrkräfte bekommen die Schulen für die Extra-Klassen.
       
       ## Schnell integrieren
       
       „Wir müssen Flüchtlingskinder schnell in die Regelklassen integrieren“,
       sagte Scheeres – und reagierte damit auch auf die Äußerung von Erfurts
       Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD). Der hatte am Mittwoch
       vorgeschlagen, die Schulpflicht für Flüchtlingskinder ohne
       Aufenthaltstitel auszusetzen. Er erntete damit Fassungslosigkeit selbst
       bei Parteikollegen: „Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass man
       Kindern das Grundrecht auf Bildung verweigern will“, so Scheeres.
       
       27 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Klöpper
       
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