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       # taz.de -- Aufholjagd im Nordderby: Ein fast verschenkter Sieg
       
       > Der jahrelang als Aufsteiger gehandelte VfL Osnabrück lässt sich von den
       > Kieler Störchen eine 3:0-Führung beinahe wieder abnehmen.
       
   IMG Bild: Osnabrück setzt sich durch: Marcos Alvarez (li., Osnabrück) im Zweikampf gegen Maik Kegel (Kiel).
       
       OSNABRÜCK taz | Während die Kieler Spieler in der Kabine versuchten, die
       Ereignisse der ersten 45 Minuten zu verdauen, skandierten die Fans von
       Osnabrück etwas voreilig „Der VfL ist wieder da!“ 3:0 führte der VfL
       Osnabrück zur Halbzeitpause. Doch als die zweite Hälfte begann, schien der
       VfL plötzlich verschwunden. Dass die Osnabrücker das Spiel gegen Holstein
       Kiel am Samstag dennoch mit 3:2(3:0) gewannen, verdanken sie einem Gast,
       der seine Chancen nicht zu nutzen wusste.
       
       Die Kieler holten zwar auf, doch gelang ihnen der letzte Pass in den
       Strafraum nicht – bis auf zwei Ausnahmen: In der 67. Minute drückte Fabian
       Schnellhardt den Ball zum Anschlusstreffer über die Linie. Sieben Minuten
       später donnerte Evans Owusu Nyarko den Ball aus kurzer Distanz ins Eck.
       
       Doch das reichte nicht mehr, um den Rückstand aus der ersten Halbzeit
       aufzuholen. „Wir sind heute maßlos enttäuscht, wir haben zum wiederholten
       Male in einer Halbzeit Dinge zugelassen, die man nicht zulassen darf, haben
       keine Wucht gegen den Ball entwickelt und nach dem Elfmeter die Ordnung
       verloren“, konstatierte Storchen-Coach Karsten Neitzel.
       
       Sehr viel zufriedener konnte sein Gegenüber sein. Joe Enochs, seit wenigen
       Tagen im Amt, hatte am Samstag erst seine zweite Partie zu verantworten und
       holte bereits sechs Punkte. Der Ex-Osnabrück-Spieler, Ex-Interims-Trainer,
       Jugendcoach und Barbesitzer darf zunächst bis Montag die Mannschaft leiten.
       Dass er über diesen Spieltag hinaus auf der Bank sitzen wird, kann als
       sicher gelten. Immerhin bringt er die Eigenschaften mit, die seinem
       Vorgänger, dem geschassten Maik Walpurgis, fehlten: Er ist Ur-VfLer, kennt
       also den Verein in- und auswendig, und er war selbst Spieler – und zwar von
       der robusten Sorte.
       
       „Ich bin leidenschaftlich und ein ehrlicher Arbeiter, sehr zuverlässig und
       ich liebe den Fußball“, sagt der gebürtige US-Amerikaner über sich selbst.
       Das sind die Eigenschaften, die ihn als defensiver Mittelfeldakteur
       auszeichneten und mit denen er nun den Vereins zum Erfolg führen soll. „Was
       Joe auszeichnet, ist die unglaubliche soziale Kompetenz, die Spieler auf
       einer emotionalen Ebene zu erreichen“, sagt Geschäftsführer Jürgen Wehlend.
       „Die Mannschaft musste wiederbelebt werden.“
       
       Wohl auch nach dem hart verteidigten Sieg gegen Kiel. Mit dem Schlusspfiff
       kippten die Lila-Weißen der Reihe nach auf den Rasen. Aber nicht nur dieses
       Spiel hat die Kicker zermürbt. Die vergangenen Wochen seien anstrengend
       gewesen, sagen viele der Spieler. Erst der Feuerzeugwurf, der nach
       Osnabrücker Führung in der 70. Minute zum Abbruch des Pokalspiels gegen
       Leipzig führte. Dann der Trainer-Rausschmiss und ein in letzter Minute
       gewonnenes Auswärtsspiel gegen Cottbus am vergangenen Dienstag. Soviel
       Stress muss auch ein Profifußballer erst mal verkraften.
       
       Der Feuerzeugwurf verhinderte das Weiterkommen im DFB-Pokal, das
       beträchtliche Beträge in die leere Kasse gespült hätte. Der Werfer ist
       gefunden, dem Verein aber nicht bekannt. „Wir werden Regressansprüche über
       den uns entstandenen Schaden geltend machen“, kündigt Geschäftsführer
       Wehlend an. Der Täter soll zwischen 18 und 21 Jahren alt sein. Wehlend ist
       offen für ein Gespräch mit dem jungen Mann. „Es liegt an ihm, ob wir
       Kontakt aufnehmen“, sagt er. Es muss viel gesprochen werden bei den
       Osnabrückern, auch über die Zukunft Enochs.
       
       Denn tritt er die Cheftrainer-Position an, muss ein neuer Leiter des
       VfL-Leistungszentrums für den Nachwuchs gefunden werden. „Wir würden uns
       freuen, wenn Joe länger Zeit bekommt, um seine Vorstellungen umzusetzen“,
       sagte Torschütze Halil Savran nach der Begegnung mit Kiel. „Ich möchte
       spielen lassen, wie Jimi Hendrix Gitarre gespielt hat: experimentell, laut
       und wenn es nach vorne geht, muss die Gitarre brennen!“, sagt Enochs. Im
       Ansatz hat die Mannschaft diese Lust und Leidenschaft in den beiden Partien
       unter seiner Leitung schon gezeigt.
       
       30 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Ostendorf
       
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