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       # taz.de -- Rüstungsexporte nach Mexiko: Aktivistin mit Sig-Sauer-Waffe getötet
       
       > Recherchen der taz bestätigen: Zwölf Menschen sind mit einer Pistole P239
       > getötet worden. Die Herkunft der Waffe ist umstritten.
       
   IMG Bild: Frauenrechtlerin Marisela Escobedo starb durch die Sig Sauer: Gedenkmarsch von den „Frauen von Juarez“ 2011.
       
       Berlin taz | Rüstungsgegner erheben schwere Vorwürfe gegen den
       Waffenhersteller Sig Sauer. Mit einer Pistole der Firma, die nach Mexiko
       geliefert worden sei, seien zwölf Menschen getötet worden. Dafür trage das
       Unternehmen Verantwortung, kritisieren der Friedensbewegte Jürgen Grässlin
       sowie der Rechtsanwalt Holger Rothbauer und stellten am 27. August bei der
       Kieler Staatsanwaltschaft Anzeige gegen die Eckernförder Pistolenbauer.
       
       Sig Sauer weist die Vorwürfe zurück. Die Pistole sei nicht in Deutschland,
       sondern von der selbstständigen Gesellschaft Sig Sauer Inc. in den USA
       produziert worden, reagierte die Firma.
       
       Den Vorwürfen liegen gemeinsame Recherchen der ARD und der taz zugrunde.
       Demnach wurde die Frauenrechtlerin Marisela Escobedo im Dezember 2010 im
       nordmexikanischen Bundesstaat Chihuahua mit einer 9-mm-Sig-Sauer-Pistole
       vom Typ P239 erschossen. Zudem bestätigen Ermittlungsakten des Falles, dass
       mit der Waffe elf weitere Menschen ums Leben gebracht wurden.
       
       Wie andere Aktivistinnen war die 52jährige Escobedo zur Zielscheibe der
       Mafia-Organisation „Los Zetas“ geworden, weil sie sich gegen die unzähligen
       Frauenmorde in ihrer Heimat einsetzte. Seit langem entführen Kriminelle in
       Chihuahua, insbesondere in der Grenzstadt Ciudad Juárez, junge Frauen und
       zwingen sie, als Prostituierte oder Drogenkurierinnen zu arbeiten. Viele
       der Entführten werden später ermordet. So auch Marisela Escobedos Tochter
       Rubí.
       
       Angesichts der Tatenlosigkeit der Behörden hatte Escobedo selbst ermittelt,
       dass Rubí 2008 von deren Freund ermordet worden war. Obwohl dieser seine
       Tat gestand, sprachen ihn die Richter mangels Beweisen frei. Zwei Jahre
       später fiel die 52-Jährige während einer Protestaktion gegen die
       Straflosigkeit vor dem Gouverneurspalast der Landeshauptstadt den Kugeln
       eines Kriminellen zum Opfer. Ihr Mörder, der im Sold der „Zetas“ stand,
       wurde 2012 festgenommen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt,
       starb aber letzten Dezember im Gefängnis. Gegenüber den Richtern hatte er
       den Mord an 20 Personen gestanden. Wie in den Ermittlungsakten zu lesen
       ist, wurden allein mit seiner Sig-Sauer P 239 neben Escobedo elf weitere
       Menschen getötet wurden.
       
       Die Kausalkette sei geschlossen, begründet Jurist Rothbauer seine Anzeige:
       Man habe eine Waffe, ein Opfer und einen verurteilten Täter. Wer Pistolen
       nach Chihuahua liefere, wisse genau, dass damit Menschen getötet würden,
       auch wenn er nicht eigenhändig schieße, so der Anwalt. Ob die Waffe in den
       USA produziert worden sei, spiele dabei keine Rolle. Nicht zufällig hätten
       die Exportbehörden dem Konkurrenten Heckler&Koch wegen der schlechten
       Menschenrechtslage keine Ausfuhrgenehmigung für diesen Bundesstaat erteilt.
       
       Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte auf Anfrage des grünen
       Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, dass Sig Sauer seit dem
       Jahr 2000 „keine Genehmigung für die Ausfuhr von Pistolen oder anderer
       Waffen erteilt“ worden sei. Die Rüstungsfirma selbst gibt an, die Pistole
       sei von Sig Sauer Inc. im US-Bundesstaat New Hampshire produziert und
       verkauft worden. Die mexikanische Regierung bestätigt, man habe von Sig
       Sauer Inc. seit dem Jahr 2000 insgesamt 7043 Waffen gekauft.
       
       ## Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt
       
       Eine Genehmigung wäre erforderlich, so erklärt das Bundesausfuhramt, „wenn
       zuvor Technologie von Deutschland in die USA an das Tochterunternehmen
       exportiert worden wäre“. Die Firma sei aber keine Tochter des Eckernförder
       Unternehmens, so Sig Sauer. Sie sei eine rechtlich selbstständige
       Gesellschaft. Deshalb müsse der Export nicht in Deutschland genehmigt
       werden. Von „deutscher Technologie“ könne keine Rede sein, meint Sig Sauer.
       Die Pistole P239 sei Anfang der 1990er Jahre in der Schweiz entwickelt
       worden.
       
       Rothbauer hält es dennoch für sehr wahrscheinlich, dass deutsche
       Technologie im Spiel war, und wenn es nur Einzelteile gewesen seien. „Alles
       spricht dafür, dass diese Waffen denselben Weg gingen wie die
       kolumbianischen“, vermutet er. Letztes Jahr war bekannt geworden, dass Sig
       Sauer Zehntausende in Eckernförde hergestellte Pistolen über die USA in das
       Bürgerkriegsland Kolumbien geliefert hat. Auch deshalb ermittelt derzeit
       die Kieler Staatsanwaltschaft.
       
       30 Aug 2015
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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